Akute myeloische Leukämie (AML) – Strahlentherapie

Die akute myeloische Leukämie (AML, aggressive Form von Blutkrebs) ist eine maligne hämatologische Erkrankung, die durch eine klonale Proliferation von undifferenzierten myeloischen Blasten im Knochenmark, Blut und anderen Organen gekennzeichnet ist. Die Standardtherapie umfasst eine Kombination aus Chemotherapie, gezielten Therapien und in bestimmten Fällen eine allogene Stammzelltransplantation. Die Strahlentherapie spielt eine ergänzende Rolle und wird bei bestimmten Indikationen gezielt eingesetzt.

Indikationen (Anwendungsgebiete) der Strahlentherapie bei AML

Die Strahlentherapie wird in der Behandlung der AML nicht primär eingesetzt, kann jedoch in spezifischen klinischen Situationen indiziert sein:

  • ZNS-Befall (Befall des zentralen Nervensystems, ZNS): Radiotherapie des Gehirns bei nachgewiesenem leukämischen Infiltrat im zentralen Nervensystem (ZNS), insbesondere bei Patienten mit therapierefraktärer oder rezidivierender meningealer Leukämie (Befall der Hirnhäute mit Leukämiezellen).
  • Hochdosierte Ganzkörperbestrahlung (Total Body Irradiation, TBI): Einsatz im Rahmen einer myeloablativen Konditionierung (Vorbereitung auf eine Stammzelltransplantation) vor allogener Stammzelltransplantation zur Elimination leukämischer Zellen und Suppression des Immunsystems (Unterdrückung der körpereigenen Immunabwehr) zur Reduktion des Transplantatabstoßungsrisikos.
  • Lokalisierte Bestrahlung bei extramedullären Manifestationen: Therapie leukämischer Infiltrate außerhalb des Knochenmarks, z. B. Chlorome (solide Tumoransammlungen von Leukämiezellen) oder kutane Manifestationen (Hautbeteiligung), wenn andere Behandlungsoptionen ausgeschöpft sind.
  • Palliation: Symptomkontrolle bei massiver Tumorlast, insbesondere bei Infiltrationen (Ausbreitung) in Weichgewebe oder im Bereich der Orbita (Augenhöhle), der Wirbelsäule oder anderer kritischer Strukturen.

ZNS-Radiatio (Bestrahlung des Gehirns) bei AML

Bei nachgewiesenem ZNS-Befall erfolgt eine prophylaktische oder therapeutische kraniospinale Bestrahlung (Bestrahlung von Gehirn und Rückenmark). Die Dosis und das Zielvolumen variieren je nach Alter und klinischem Szenario:

  • Kinder: 15-18 Gy in 1,5-2 Gy Fraktionen (Einzeldosen)
  • Erwachsene: 15-24 Gy in 1,8-2 Gy Fraktionen
  • Kombination mit intrathekaler Chemotherapie (Einspritzen von Medikamenten in die Rückenmarksflüssigkeit, z. B. Methotrexat, Cytarabin): Standard bei ZNS-Befall

Ganzkörperbestrahlung (TBI) bei Stammzelltransplantation

Die Ganzkörperbestrahlung ist eine etablierte Methode im Rahmen der myeloablativen Konditionierung (intensive Therapie vor einer Stammzelltransplantation). Sie dient der Eradikation (vollständigen Zerstörung) residueller leukämischer Zellen und der Suppression des Immunsystems (Unterdrückung der körpereigenen Immunabwehr), um eine Transplantatabstoßung zu vermeiden.

  • Standarddosis: 12-13,5 Gy in fraktionierter Applikation (mehrere kleine Dosen, z. B. 2 Gy x 6 Fraktionen)
  • Reduzierte Intensität bei älteren oder komorbiden (zusätzlich erkrankten) Patienten: 8-10 Gy in fraktionierter Form
  • Kombination mit Hochdosis-Chemotherapie: z. B. mit Cyclophosphamid oder Fludarabin

Strahlentherapie bei extramedullären Manifestationen (AML außerhalb des Knochenmarks)

Extramedulläre (außerhalb des Knochenmarks auftretende) leukämische Infiltrate wie Chlorome oder Hautmanifestationen (Befall der Haut durch Leukämiezellen) können bei unzureichendem Ansprechen auf eine systemische Therapie gezielt bestrahlt werden. Die Bestrahlung erfolgt in einer palliativen (symptomlindernden) Dosis, abhängig von der Lokalisation und Größe des Befalls:

  • Typische Dosis: 20-30 Gy in 2-3 Gy Fraktionen
  • Ziel: Symptomkontrolle, Rückbildung der Masse, Vermeidung von Komplikationen

Vergleich mit alternativen Verfahren

Therapieoption Einsatzgebiet Vorteile Nachteile
ZNS-Radiatio (Bestrahlung des Gehirns und Rückenmarks) ZNS-Befall Effektive Kontrolle bei meningealer Leukämie Risiko neurokognitiver Spätfolgen (Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit), sekundäre Malignome (Zweittumore)
TBI (Ganzkörperbestrahlung) Konditionierung vor Stammzelltransplantation Hohe Leukämiezell-Elimination, Immunsuppression zur Vermeidung einer Transplantatabstoßung Akute Toxizität (Schäden an gesundem Gewebe, z. B. Schleimhäute), Langzeitfolgen (Hormonstörungen, Zweittumore)
Lokale Bestrahlung Chlorome, extramedulläre Manifestationen Effektive Tumorrückbildung, schnelle Symptomkontrolle Begrenzte Wirkung auf die gesamte Erkrankung

Fazit

Die Strahlentherapie wird bei der akuten myeloischen Leukämie nicht als Standardtherapie eingesetzt, sondern gezielt bei bestimmten Indikationen, wie einem ZNS-Befall, extramedullären Manifestationen oder als Vorbereitung auf eine Stammzelltransplantation. Die Entscheidung zur Radiotherapie erfolgt individuell und sollte interdisziplinär getroffen werden.