Akute myeloische Leukämie (AML) – Einleitung

Die akute myeloische Leukämie (AML) ist eine bösartige Neubildung des blutbildenden Systems (Hämoblastose). Es handelt sich dabei um eine Erkrankung der hämatopoetischen Stammzelle (sich selbst erneuernde Zelle, aus der Zellen verschiedener Linien (z. B. der myeloiden und der lymphoiden Linie) entstehen können), insbesondere der myeloisch determinierten Stammzelle, die zur unkontrollierten Proliferation myeloischer Vorläuferzellen führt.

Synonyme und ICD-10: akute myeloblastische Leukämie; ICD-10-GM C92-0-: Akute myeloische Leukämie; ICD-10-GM C92.4-: Akute promyelozytäre Leukämie; ICD-10-GM C92.5-: Akute myelomonozytäre Leukämie; ICD-10-GM C93.0-: Akute Monozytenleukämie; ICD-10-GM C94.0-: Akute Erythrämie und Erythroleukämie; ICD-10-GM C94.2-: Akute Megakaryoblastenleukämie)

Charakteristische Laborbefunde

  • Blutbild
    • Leukozytose: Häufig erhöhte Anzahl an Leukozyten (weiße Blutkörperchen), kann jedoch auch normale oder niedrige Werte aufweisen.
    • Anämie: Verminderte Anzahl an Erythrozyten (rote Blutkörperchen) und Hämoglobin (Blutfarbstoff), führt zu Müdigkeit und Blässe.
    • Thrombozytopenie: Verminderte Anzahl an Thrombozyten (Blutplättchen), erhöhtes Blutungsrisiko.
  • Differentialblutbild
    • Myeloblasten im peripheren Blut: Präsenz unreifer myeloischer Zellen (Blasten), oft mehr als 20 % der Leukozyten.
  • Knochenmarkbefund
    • Hyperzelluläres Knochenmark: Erhöhte Zellzahl mit dominanter Vermehrung von Blasten.
    • Blastenanteil: Mehr als 20 % der Zellen im Knochenmark sind Blasten.
  • Biochemische Marker
    • Laktatdehydrogenase (LDH): Erhöhte Werte durch hohe Zellumsatzrate.
    • Harnsäure: Erhöhte Werte aufgrund verstärkten Zellabbaus.
    • Kreatinin: Kann erhöht sein bei Nierenbeteiligung.
  • Immunologische Marker
    • Durchflusszytometrie: Analyse von Oberflächenmarkern zur Differenzierung der Leukämieform (z. B. CD13, CD33, CD34).
  • Cytogenetik und Molekulargenetik
    • Nachweis spezifischer chromosomaler Translokationen und genetischer Veränderungen (z. B. t(8;21), inv(16), t(15;17)).

Formen der Erkrankung

FAB-Klassifikation (French-American-British):
  • M0: Minimally differentiated AML
  • M1: AML without maturation
  • M2: AML with maturation
  • M3: Acute promyelocytic leukemia (APL)
  • M4: Acute myelomonocytic leukemia (AMML)
  • M5: Acute monocytic leukemia
  • M6: Acute erythroid leukemia
  • M7: Acute megakaryoblastic leukemia

Genetisches Profil der akuten myeloischen Leukämie (AML)

  • Zytogenetische Veränderungen:
    • t(8;21)(q22;q22): Assoziiert mit einer guten Prognose.
    • inv(16)(p13q22) oder t(16;16)(p13;q22): Assoziiert mit einer guten Prognose.
    • t(15;17)(q22;q21): Assoziiert mit akuter promyelozytärer Leukämie (APL) und guter Prognose bei adäquater Therapie.
    • t(9;22)(q34;q11): Philadelphia-Chromosom, selten bei AML, aber mit schlechter Prognose assoziiert.
  • Molekulargenetische Mutationen:
    • FLT3: Mutationen sind häufig und mit einer schlechten Prognose assoziiert.
    • NPM1: Mutationen sind häufig und in Abwesenheit von FLT3-Mutationen mit einer guten Prognose assoziiert.
    • CEBPA: Biallelische Mutationen sind mit einer guten Prognose assoziiert.
    • IDH1/IDH2: Mutationen haben prognostische Relevanz und therapeutische Implikationen.
    • RUNX1: Mutationen sind oft mit einer schlechten Prognose assoziiert.

Ursachen

Die genaue Ätiologie der AML ist nicht vollständig geklärt, aber verschiedene Faktoren sind mit einem erhöhten Risiko assoziiert:

  • Genetische Prädisposition: Chromosomale Translokationen und Mutationen.
  • Umweltfaktoren: Strahlenexposition, Benzol und andere Chemikalien.
  • Vorerkrankungen: Frühere Chemotherapie oder Strahlentherapie, myelodysplastische Syndrome (MDS), genetische Syndrome wie Down-Syndrom.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer zu Frauen ist ausgeglichen. Bei Kindern beträgt das Geschlechterverhältnis von Jungen zu Mädchen 1,1 : 1.

Häufigkeitsgipfel
: Das Maximum des Auftretens der akuten myeloischen Leukämie liegt überwiegend im höheren Alter (> 60 Jahre). Das mediane Alter bei Diagnosestellung liegt bei 70-72 Jahren. Das Maximum des Auftretens der akuten myeloischen Leukämie bei Kindern liegt in den ersten zwei Jahren und hat dann einen leichten Anstieg vom 13. Lebensjahr an. Das mediane Alter bei Diagnosestellung bei Kindern liegt bei 7,9 Jahre.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit)
: In der Altersgruppe bis 15 Jahre beträgt die Inzidenz ca. 0,7 Erkrankungen pro 100.000 Kinder pro Jahr. Im Erwachsenenalter beträgt die Inzidenz 2,5-3,7 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.

Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen)
: Bei Erwachsenen beträgt die Inzidenz 2,5-3,7 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Im Kindesalter (< 15 Jahre) beträgt die Inzidenz 0,7 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.

Verlauf und Prognose

Verlauf
  • Schnelle Entwicklung: Die akute Leukämie entwickelt sich rasch mit charakteristischen starken Beschwerden wie Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Blutungsneigung etc.
  • Immunschwäche: Die Patienten sind sehr anfällig für Infektionen aufgrund der Immunsuppression (Immunschwäche).
  • Unbehandelt: Führt die Krankheit innerhalb weniger Wochen aufgrund von Infektionen oder Blutungen zum Tod.
Prognose
  • Erwachsenenalter: Bei erwachsenen AML-Patienten (18-60 Jahre) wird in ca. 70-80 % eine Komplettremission (CR) erreicht und bei etwa 25-35 % der Patienten ist ein leukämiefreies Langzeitüberleben möglich.
  • Kindesalter: Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei circa 70 %.
  • Langfristige Nachsorge: Essenziell, um frühzeitig Rezidive (Wiederauftreten der Erkrankung) zu erkennen.
  • 5-Jahres-Überlebensrate: Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei circa 22,8 % bei Erwachsenen. Die Prognose ist damit weniger günstig als die der akuten lymphatischen Leukämie (ALL).

Leitlinien

  1. Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge für Patienten mit einer Akute Myeloische Leukämie (AML), Onkopedia, 2018
  2. S1-Leitlinie: Akute myeloische Leukämie - AML- im Kindes- und Jugendalter. (AWMF-Registernummer: 025-031), März 2019 Langfassung