Sturzneigung – Körperliche Untersuchung
Eine umfassende klinische Untersuchung ist die Grundlage für die Auswahl der weiteren diagnostischen Schritte:
- Allgemeine körperliche Untersuchung – inklusive Körpergewicht, Körpergröße; des Weiteren:
- Inspektion (Betrachtung)
- Haut (Normal: intakt; Schürfungen/Wunden, Rötungen, Hämatome (Blutergüsse), Narben) und Schleimhäute
- Gangbild bzw. Untersuchung von Gang und Balance:
- frei gewählte Gehgeschwindigkeit bzw. Messung der Zeit zur Bewältigung einer definierten Gangstrecke (z. B. 10 m)
- Geh- und Zähltest
- Aufsteh- und Gehtest ("Timed Up and Go"-Test) zur Beurteilung der Beweglichkeit bzw. des Körpergleichgewichts: Aufstehen von einem Stuhl (mit Armlehnen!), Gehstrecke von 3 m vorwärts bis zu einem Objekt, Umkurven des Objekts, Rückkehr zum Stuhl, Hinsetzen. Messung der Zeit in Sekunden (s)
Beurteilung: 20-29 s: relevante Mobilitätseinschränkung; > 30 s: ausgeprägte Mobilitätseinschränkung - Aufstehtest ("Chair-rise-Test"; Chair-raising-Test): 5-maliges Aufstehen von einem (möglichst fixierten) Stuhl mit verschränkten Armen ohne Pause; dabei Messung der Zeit in Sekunden (s)
Beurteilung: Bei einer Zeit > 11 s besteht erhöhte Sturzgefahr
- Körper- bzw. Gelenkhaltung (aufrecht, gebeugt, Schonhaltung)
- Fehlhaltungen (Deformitäten, Kontrakturen, Verkürzungen)
- Muskelatrophien (Seitenvergleich!, ggf. Umfangmessungen)
- Gelenk (Schürfungen/Wunden, Schwellung (Tumor), Rötung (Rubor), Überwärmung (Calor); Verletzungshinweise wie Hämatombildung, arthrotische Gelenksverklumpung, Beinachsenbeurteilung)
- Palpation (Abtasten) der Wirbelkörper, Sehnen, Ligamente; Muskulatur (Tonus, Druckschmerz, Kontrakturen der paraverebralen Muskulatur); Weichteilschwellungen; Druckschmerzhaftigkeit (Lokalisation!); eingeschränkte Beweglichkeit (Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule); "Klopfzeichen" (Testung der Schmerzhaftigkeit der Dornfortsätze, Querfortsätze sowie der Kostotransversalgelenke (Wirbel-Rippen-Gelenke) und der Rückenmuskulatur); Illiosakralgelenken (Kreuzbein-Darmbein-Gelenk) (Druck- und Klopfschmerzen?; Kompressionschmerzen, von vorne, von der Seite oder von saggital); Hyper- oder Hypomobilität?
- Ggf. Palpation von prominenten Knochenpunkten, Sehnen, Ligamente; Muskulatur; Gelenk (Gelenkerguss?); Weichteilschwellungen; Druckschmerzhaftigkeit (Lokalisation!)
- Ggf. Messung der Gelenkbeweglichkeit und des Bewegungsumfangs des Gelenkes
(gemäß der Neutral-Null-Methode: Die Bewegungsfreiheit wird als maximale Auslenkung des Gelenkes aus der Neutralstellung in Winkelgraden angegeben, wobei die Neutralstellung mit 0° bezeichnet wird. Ausgangslage ist die „Neutrale Position“: Der Mensch steht aufrecht, dabei sind die Arme nach unten hängend entspannt, die Daumen nach vorn gerichtet und die Füße stehen parallel. Die anliegenden Winkel werden als Null-Stellung definiert. Standard ist, dass zuerst der Wert vom Körper weg angegeben wird.)
Durch Vergleichsmessungen mit dem kontralateralen Gelenk (Seitenvergleich) können bereits geringe Seitendifferenzen aufgedeckt werden. - Ggf. spezielle Funktionsprüfungen in Abhängigkeit vom betroffenen Gelenk
- Auskultation (Abhören) des Herzens [wg. Differentialdiagnose: Bradykarde/tachykarde Herzrhythmusstörungen, die zu Bewusstseinsstörungen führen]
- Palpation des Abdomens (Bauch) (Druckschmerz?, Klopfschmerz?, Hustenschmerz?, Abwehrspannung?, Bruchpforten?, Nierenlagerklopfschmerz?)
- Inspektion (Betrachtung)
- Augenärztliche Untersuchung – inklusive Visusüberprüfung [Visusminderung]
- HNO-ärztliche Untersuchung [wg. Differentialdiagnosen: Gleichgewichtsstörungen, Vertigo (Schwindel)]
- Neurologische Untersuchung – inklusive Austestung der Reflexe, Gang-/Standproben, Überprüfung der Extremitäten-/Okulomotorik [siehe unter Differentialdiagnosen: Nervensystem]
- Psychiatrische Untersuchung [wg. Differentialdiagnose: Demenz]
In eckigen Klammern [ ] wird auf mögliche pathologische (krankhafte) körperliche Befunde hingewiesen.