Sklerodermie – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Pathogenese der systemischen Sklerodermie (SSc) ist komplex und umfasst eine Kombination von genetischen Faktoren, autoimmunologischen Prozessen und Umwelteinflüssen, die zu chronischen Entzündungen, Gefäßveränderungen und progressiver Fibrose führen. Neue Erkenntnisse haben unser Verständnis der Krankheitsmechanismen erweitert, wobei insbesondere die Rolle des angeborenen und adaptiven Immunsystems sowie genetische und epigenetische Veränderungen betont werden.

Genetische Prädisposition

Genetische Studien, einschließlich Genomweiter Assoziationsstudien (GWAS), haben mehrere Risikogene identifiziert, die in den HLA-Genen (z. B. HLA-DRB1, DQA1) und in anderen nicht-HLA-Gebieten liegen. Diese Gene sind in die Regulation des Immunsystems, die Signalübertragung von Typ-1-Interferon (IFN-I) und die Aktivierung von T- und B-Zellen involviert. Interessanterweise unterscheiden sich die genetischen Risikofaktoren je nach ethnischer Herkunft und autoantikörperbasierten Subtypen (z. B. Anti-Topoisomerase-, Anti-Centromer- oder Anti-RNA-Polymerase-Antikörper).

Vaskuläre Dysfunktion und Gefäßveränderungen

Eine der frühesten pathologischen Veränderungen bei der systemischen Sklerodermie ist die Vaskulopathie, die durch Schäden an den Endothelzellen der Blutgefäße verursacht wird. Dies führt zu einer verminderten Gefäßintegrität und einer gestörten Angiogenese. Verschiedene Faktoren wie oxidativer Stress und proinflammatorische Zytokine (z. B. Interleukin-6) spielen eine Rolle bei der Dysfunktion der Endothelzellen. Die Aktivierung des Endothels führt zur Freisetzung von Mediatoren, die wiederum Fibroblasten stimulieren, was zur übermäßigen Produktion von Kollagen und zur Entstehung der typischen Fibrose führt​.

Fibrose und Aktivierung von Fibroblasten

Die Fibrose, das Hauptmerkmal der Sklerodermie, ist das Ergebnis einer übermäßigen Aktivierung von Fibroblasten und einer dysregulierten extrazellulären Matrixproduktion. Hierbei spielen TGF-β, IL-4 und IL-13 eine zentrale Rolle. Die Aktivierung von Fibroblasten führt zu einer übermäßigen Kollagenproduktion und dem Umbau der Haut- und Organstruktur. Neueste Studien zeigen, dass epigenetische Veränderungen wie DNA-Methylierung und Veränderungen in miRNA-Profilen (z. B. miR-21, miR-29) die Fibroblastenaktivität und den Verlauf der Krankheit beeinflussen können​.

Immunologische Dysregulation

Die Aktivierung des Immunsystems führt zur Freisetzung von Autoantikörpern und zur Bildung von immunkomplexvermittelten Entzündungen. Eine Dysregulation der T-Zell-Subtypen (z. B. Th1-, Th2-, und Th17-Zellen) sowie der B-Zell-Aktivierung spielt eine entscheidende Rolle. Dabei zeigen Th17-Zellen eine proinflammatorische Wirkung und sind an der Rekrutierung von neutrophilen Granulozyten beteiligt, während Th2-Zellen an der Fibroseentstehung durch die Freisetzung von profibrotischen Zytokinen beteiligt sind​.

Umweltfaktoren und infektiöse Trigger

Verschiedene Umweltfaktoren, wie organische Lösungsmittel und Kieselsäure, wurden als Risikofaktoren für die Entstehung der Sklerodermie identifiziert. Infektiöse Agenzien wie Epstein-Barr-Virus (EBV) und Parvovirus B19 können durch molekulare Mimikry und Immunaktivierung zur Krankheitsauslösung beitragen. Diese Erreger wurden in betroffenen Geweben nachgewiesen und sind in der Lage, Autoimmunreaktionen durch Aktivierung von Toll-like-Rezeptoren (TLRs) zu induzieren​.

Klinische Relevanz

Das Verständnis der komplexen Pathogenese der Sklerodermie hat zur Identifizierung neuer therapeutischer Ansätze geführt, die auf spezifische molekulare Ziele wie die Hemmung von TGF-β, Interleukin-6 und IFN-I abzielen. Diese Erkenntnisse haben zur Entwicklung neuer Medikamente und Behandlungsmöglichkeiten beigetragen, die darauf abzielen, die Krankheitsprogression zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern​.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern (HLA-Assoziationen bei systemischer Sklerodermie)

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Quarzfeinstaub (Gruppe 1-Karzinogen) (Männer: IRR 1,62; 1,08 bis 2,44) [1]

Literatur

  1. Boudigaard SH et al.: Occupational exposure to respirable crystalline silica and risk of autoimmune rheumatic diseases: a nationwide cohort study International Journal of Epidemiology, dyaa287, 18 January 2021 https://doi.org/10.1093/ije/dyaa287