Sjögren-Syndrom – Einleitung

Das Sjögren-Syndrom (SS, SjS) ist eine chronische, systemische Autoimmunerkrankung, die primär die exokrinen Drüsen betrifft, insbesondere die Speichel- und Tränendrüsen. Es führt zu einer fortschreitenden Zerstörung dieser Drüsen, was zu ausgeprägter Trockenheit von Mund und Augen führt (Sicca-Syndrom). Das Syndrom kann primär als eigenständige Erkrankung oder sekundär im Rahmen anderer Autoimmunerkrankungen, wie rheumatoider Arthritis, auftreten.

Synonyme und ICD-10: Sicca-Syndrom; ICD-10-GM M35.0: Sicca-Syndrom [Sjögren-Syndrom]

Vergesellschaftet ist die Symptomatik des Sjögren-Syndroms häufig mit einer Erkrankung des rheumatischen Formenkreises, insbesondere einer chronischen Polyarthritis.

Das Sjögren-Syndrom kann sowohl primär als auch sekundär auftreten, letzteres zum Beispiel im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis. Das Sjögren-Syndrom ist nach der rheumatoiden Arthritis die zweithäufigste entzündlich-rheumatische Erkrankung.

Europäische Frauen, im Alter von Mitte 50, tragen das größte Risiko, dass bei ihnen das seltene primäre Sjögren-Syndrom (pSS) diagnostiziert wird.

Das sekundäre Sjögren-Syndrom (sSS) kann als Begleiterscheinung im Rahmen anderer Autoimmunerkrankungen auftreten (s. u. Komorbiditäten). 

Charakteristische Laborbefunde

  • Anti-Ro/SS-A und Anti-La/SS-B Antikörper: Diese Autoantikörper sind häufig bei Patienten mit Sjögren-Syndrom nachweisbar.
  • Rheumafaktor (RF): Häufig positiv, besonders bei sekundärem Sjögren-Syndrom.
  • Erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG): Als Marker einer systemischen Entzündung.
  • Hypergammaglobulinämie: Erhöhte Immunglobulinspiegel, insbesondere IgG.
  • ANA (antinukleäre Antikörper): Häufig nachweisbar, insbesondere bei systemischer Beteiligung.
  • Erhöhte Werte von Beta-2-Mikroglobulin: Kann in einigen Fällen erhöht sein.
  • Mundschleimhautbiopsie: Nachweis von lymphozytären Infiltraten in den Speicheldrüsen.

Formen der Erkrankung

  • Primäres Sjögren-Syndrom (pSS): Auftreten ohne assoziierte Autoimmunerkrankung.
  • Sekundäres Sjögren-Syndrom (sSS): Auftreten im Rahmen anderer Autoimmunerkrankungen, wie z. B. rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes (SLE) oder systemische Sklerose (SS).

Ursachen

  • Autoimmunreaktion: Fehlgeleitete Immunantwort, bei der das Immunsystem die eigenen exokrinen Drüsen angreift und zerstört.
  • Genetische Prädisposition: Bestimmte genetische Marker (z. B. HLA-DR3) sind mit einem erhöhten Risiko für das Sjögren-Syndrom assoziiert.

Differentialdiagnosen

  • Sicca-Syndrom anderer Ursache: Trockenheit der Augen und des Mundes kann auch durch andere Erkrankungen oder Medikamente verursacht sein.
  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE): Kann ähnliche Symptome aufweisen, insbesondere in Form des sekundären Sjögren-Syndroms.
  • Rheumatoide Arthritis (RA): Kann ebenfalls mit sekundärem Sjögren-Syndrom assoziiert sein.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer, im Verhältnis 20:1.

Häufigkeitsgipfel
: Erkrankungsbeginn meist nach dem 40. Lebensjahr, vorwiegend bei postmenopausalen Frauen im 5. bis 7. Lebensjahrzehnt.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Das primäre Sjögren-Syndrom tritt bei etwa 61 von 100.000 Menschen auf; unter Einbezug des sekundären Sjögren-Syndroms beträgt die Prävalenz etwa 0,4 % der Bevölkerung.

Inzidenz
(Häufigkeit von Neuerkrankungen): Ca. 4 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Chronischer Verlauf: Das Sjögren-Syndrom verläuft in der Regel chronisch und schleichend. Typische Symptome sind trockene Augen (Xerophthalmie), trockener Mund (Xerostomie), und oft auch trockene Haut und Schleimhäute.
  • Systemische Manifestationen: In schweren Fällen kann das Sjögren-Syndrom auch systemische Manifestationen haben, wie Gelenkbeschwerden, interstitielle Lungenerkrankungen oder eine Nierenbeteiligung.
  • Erhöhtes Lymphomrisiko: Patienten mit Sjögren-Syndrom haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von B-Zell-Lymphomen, insbesondere MALT-Lymphome.

Prognose

  • Gutartig in den meisten Fällen: Die Mehrheit der Patienten erlebt eine gutartige Verlaufsform ohne lebensbedrohliche Komplikationen.
  • Erhöhtes Lymphomrisiko: Etwa 5 % der Patienten entwickeln Lymphome (wie B-Non-Hodgkin-Lymphome, MALT-Lymphome und Marginalzonen-Lymphome), was die Wichtigkeit einer regelmäßigen Überwachung unterstreicht.
  • Lebensqualität: Trotz der chronischen Natur der Erkrankung und der häufigen Begleitsymptome (z. B. Müdigkeit) ist die Lebenserwartung in den meisten Fällen normal, sofern Komplikationen rechtzeitig erkannt und behandelt werden.

Komorbiditäten 

Das sekundäre Sjögren-Syndrom (sSS) ist mit der systemischem Lupus erythematodes (LE) (15-36 %), rheumatoiden Arthritis (20-32 %) sowie limitierter und progressiver systemischer Sklerose (PSS) (11-24 %) assoziiert; in seltenen Fällen auch mit der Multiplen Sklerose (MS) und autoimmunen Leber- und Schilddrüsenerkrankungen [1].

Literatur

  1. Tomiak C, Dorner T: Sjogren‘s syndrome. Current aspects from a rheumatological point of view. Z Rheumatol 2006; 65: 505-17

Leitlinien

  1. Ramos-Casals M et al.: EULAR recommendations for the management of Sjögren's syndrome with topical and systemic therapies. Ann Rheum Dis. 2020 Jan;79(1):3-18. doi: 10.1136/annrheumdis-2019-216114.