Sehnenverkalkung (Tendinosis calcarea) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Sehnenverkalkung (Tendinosis calcarea) ist eine degenerative Erkrankung, die durch eine Einlagerung von Calciumkristallen in das Sehnengewebe entsteht. Die genauen Ursachen für diese Verkalkung sind nicht vollständig geklärt, aber es wird angenommen, dass multiple Faktoren wie degenerative Prozesse und mechanische Belastungen eine Rolle spielen.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

Initialer Pathomechanismus:

  • Degenerative Prozesse: Es wird vermutet, dass Sehnenverkalkungen durch eine Minderdurchblutung des Sehnenansatzes am Knochen entstehen. Diese Minderdurchblutung kann zu degenerativen Veränderungen der Sehnen führen, welche die Verkalkung begünstigen.
  • Mechanische Ursachen: Ein anatomisch enger Raum, wie z. B. das subakromiale Engpasssyndrom (Impingement-Syndrom der Schulter), kann zu einer chronischen mechanischen Belastung der Sehne führen. Dies fördert den Abbau von Sehnenzellen und setzt eine Verkalkung in Gang.

Molekulare und zelluläre Veränderungen:

  • Zellmetaplasie: Degeneriertes Sehnengewebe wird in Faserknorpel umgewandelt. Dabei wandeln sich Sehnenzellen (Tendinozyten) in Knorpelzellen (Chondrozyten) um, die Calciumkristalle in das Gewebe einlagern. Diese Veränderungen führen zu einer Versteifung und Verdickung der Sehnen, was die Beweglichkeit der betroffenen Gelenke einschränkt.
  • Kalzifikation: Die betroffenen Sehnenabschnitte zeigen eine partielle Verkalkung, die in bildgebenden Verfahren wie Ultraschall und Röntgen sichtbar wird. Die Einlagerung von Calciumkristallen führt zu einem erhöhten Druck im Sehnengewebe und löst Schmerzen aus.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

Veränderungen in der Gewebsarchitektur:

  • Verdickung der Sehnen: Die Einlagerung von Calciumkristallen führt zu einer Verdickung der betroffenen Sehne. Dies kann die Gleitfähigkeit der Sehne beeinträchtigen und zu mechanischen Problemen wie einem Impingement-Syndrom führen. Besonders häufig ist die Supraspinatussehne betroffen, die beim Anheben des Armes zwischen Schultergelenk und Schulterdach eingeklemmt wird.
  • Resorptionshöhlen: Das Immunsystem reagiert auf die eingelagerten Calciumkristalle, indem Makrophagen ("Fresszellen") diese abbauen. Dabei entstehen Resorptionshöhlen, die durch Narbengewebe ersetzt werden. Dieses Narbengewebe stabilisiert die Sehne, hinterlässt aber häufig strukturelle Defizite.

Beteiligung des umliegenden Gewebes:

  • Schleimbeutelentzündung (Bursitis): In einigen Fällen können Calciumkristalle in benachbarte Strukturen wie den Schleimbeutel (Bursa subacromialis) verschleppt werden, was zu einer akuten Schleimbeutelentzündung führt. Diese Entzündungen sind häufig hoch schmerzhaft und schränken die Beweglichkeit des betroffenen Gelenks stark ein.

Klinische Manifestation

Leitsymptome:

  • Schmerzen: Zu den typischen Beschwerden gehören belastungsabhängige Schmerzen im Bereich der betroffenen Sehne, die durch mechanische Reizung verstärkt werden.
  • Bewegungseinschränkungen: Die Beweglichkeit des betroffenen Gelenks ist durch die Verkalkung und die entzündlichen Prozesse stark eingeschränkt. Besonders beim Anheben des Armes können Schmerzen und eine reduzierte Beweglichkeit beobachtet werden.

Fortgeschrittene Symptome:

  • Akute Schmerzen: In der Resorptionsphase der Verkalkung, wenn das Immunsystem die Calciumkristalle abbaut, können akute, hochgradige Schmerzen auftreten. Dies ist auf den erhöhten Druck im Sehnengewebe zurückzuführen.
  • Schleimbeutelentzündung: In einigen Fällen entwickelt sich eine Bursitis, die zu zusätzlichen Schmerzen und Schwellungen führt.

Progression und Organbeteiligung

Lokale Gewebeveränderungen:

  • Resorptionsphase: Die Calciumkristalle werden durch Makrophagen abgebaut, und es entstehen Resorptionshöhlen, die durch Narbengewebe gefüllt werden. Dieser Prozess kann zu einer temporären Verbesserung der Beweglichkeit führen, hinterlässt jedoch strukturelle Defizite in der betroffenen Sehne.

Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:

  • Chronische Schmerzen und Entzündungen: Bei chronischen Verläufen kommt es häufig zu persistierenden Schmerzen, die durch die mechanische Beeinträchtigung der Sehne und die anhaltende Entzündung verstärkt werden.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaften:

  • Verminderte Gleitfähigkeit der Sehne: Die Verkalkungen und die daraus resultierende Verdickung der Sehne führen zu einer eingeschränkten Gleitfähigkeit, was die Beweglichkeit des betroffenen Gelenks erheblich reduziert.
  • Schleimbeutelentzündungen: Die Beteiligung benachbarter Strukturen wie des Schleimbeutels kann zusätzliche Funktionseinschränkungen und Schmerzen verursachen.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

Versuche der Geweberegeneration:

  • Narbenbildung: Nach der Resorptionsphase werden die Resorptionshöhlen durch Narbengewebe ersetzt. Diese Narbenbildung stabilisiert die betroffene Sehne, kann jedoch langfristig zu einer eingeschränkten Funktion führen.

Kompensatorische Anpassungsmechanismen:

  • Überbelastung angrenzender Sehnen: Infolge der eingeschränkten Funktion der betroffenen Sehne können benachbarte Sehnen und Muskelgruppen verstärkt belastet werden, was zu sekundären Beschwerden und Überlastungsschäden führt.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Pathogenese der Sehnenverkalkung (Tendinosis calcarea) ist durch degenerative Prozesse, mechanische Belastungen und eine unzureichende Blutversorgung gekennzeichnet. Die Verkalkung der Sehnen führt zu Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und Entzündungen im betroffenen Gelenk. Die Erkrankung durchläuft mehrere Phasen, von der anfänglichen Zellumwandlung bis hin zur Resorption der Kalkherde. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können den Verlauf der Erkrankung verbessern und die Lebensqualität der Patienten erhöhen.

Stadien einer Tendinosis calcarea im zeitlichen Verlauf am Beispiel der Kalkschulter

  • Präkalzifizierendes Stadium (Phase der Zellumwandlung):

    • Dauer: Diese Phase kann Jahre andauern, ohne dass Symptome auftreten. Der Patient verspürt meist keine oder nur sehr geringe Beschwerden.
    • Pathophysiologie: Die Zellumwandlung beginnt in der Sehne, ohne dass bildgebende Verfahren wie Ultraschall oder Röntgen Veränderungen zeigen. Es findet jedoch bereits eine Differenzierung von Sehnenzellen in Knorpelzellen statt.
  • Kalzifizierendes Stadium (Phase der Verkalkung):

    • Dauer: Diese Phase kann mehrere Monate bis Jahre andauern. Sie ist gekennzeichnet durch die Ablagerung von Calciumkristallen.
    • Pathophysiologie: In dieser Phase kommt es zum Absterben von Teilen des Sehnengewebes und zur Ablagerung von Calciumkristallen. Diese Verkalkung kann zu einer Verdickung der Sehne führen, die bei Bewegungen wie dem Anheben des Armes zu mechanischen Problemen (z. B. subakromiales Impingement) führt. Die Schmerzen können sich schleichend entwickeln und nächtliche Beschwerden verursachen.
    • Symptome: Zunehmende Schmerzen, besonders bei Bewegung und Belastung. Nächtliche Schmerzen und Bewegungseinschränkungen können ebenfalls auftreten.
  • Postkalzifizierendes Stadium (Phase der Resorption):

    • Dauer: Diese Phase kann einige Wochen bis Monate dauern. Sie markiert den Übergang der Verkalkung in die Resorption.
    • Pathophysiologie: In dieser Phase beginnen Makrophagen (Fresszellen) und Riesenzellen, die Calciumkristalle abzubauen. Dies führt zur Entstehung von Resorptionshöhlen in der Sehne, die durch Narbengewebe ersetzt werden.
    • Symptome: Die Resorptionsphase kann mit akuten Schmerzen einhergehen, da durch den Abbau der Calciumkristalle der intratendinöse Druck stark ansteigt. Der Schmerz kann plötzlich und intensiv auftreten, häufig verbunden mit einer akuten Entzündung und Schwellung.
  • Reparaturstadium (Phase der Heilung):

    • Dauer: Diese Phase kann Wochen bis Monate dauern. Die vollständige Ausheilung kann jedoch bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen.
    • Pathophysiologie: Nach der Resorption des Kalkdepots wird das geschädigte Sehnengewebe durch Narbengewebe ersetzt. Dieser Prozess stellt die Struktur der Sehne weitgehend wieder her, kann jedoch eine gewisse Funktionseinschränkung hinterlassen.
    • Symptome: Die Schmerzen klingen in dieser Phase allmählich ab, und die Beweglichkeit der Schulter verbessert sich. In seltenen Fällen können jedoch Rezidive auftreten.

Ätiologie (Ursachen) der Tendinitis calcarea im Schulterbereich (Kalkschulter)

Biographische Ursachen

  • Anatomische Varianten – Formvarianten der beteiligten Knochen und Weichteile, die degenerierende Vorgänge vorantreiben

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Körperliche Aktivität
    • Risikosportarten – Wurfsportarten wie Handball, Baseball oder Speerwurf begünstigen bei Überlastung die Entwicklung einer Tendinitis calcarea, insbesondere im Schulterbereich (Kalkschulter).
    • Überbeanspruchung der Sehnen – Wiederholte Bewegungsabläufe ohne ausreichende Erholungsphasen fördern Entzündungsprozesse und Verkalkungen.
  • Arbeitsplatzbedingungen
    • Belastende Tätigkeiten – Monotone oder stark belastende Bewegungen im Beruf (z. B. Arbeiten über Kopf) erhöhen das Risiko.

Krankheitsbedingte Ursachen

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Traumata (Verletzungen) der Schulter, nicht näher bezeichnet

Weiteres

  • Chronische Entzündungen – Langfristige Entzündungen der Sehnen können als Grundlage für Kalkablagerungen dienen.