Sehnenscheidenentzündung (Tenosynovitis) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Sehnenscheidenentzündung (Tenosynovitis) ist eine entzündliche Erkrankung, die durch mechanische Überlastung, systemische Entzündungen oder selten durch Infektionen ausgelöst wird. Diese Entzündung betrifft die Sehnenscheide, die die Sehne umgibt, und kann zu Schmerzen, Schwellungen und Funktionsverlust führen.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

Initialer Pathomechanismus

  • Mechanische Überbelastung: Die häufigste Ursache für Tenosynovitis ist die wiederholte mechanische Überlastung der Sehnenscheide, oft durch sich wiederholende Bewegungen oder intensiven Gebrauch bestimmter Muskelgruppen, wie es in Berufen oder Sportarten mit hohen Belastungen der Hände oder Handgelenke (z. B. Handwerker, Musiker, Tennisspieler) vorkommt. Diese mechanischen Reize führen zu Mikrotraumen (minimale Verletzungen) und begünstigen die Entwicklung von Entzündungen.
  • Entzündliche Grunderkrankungen: Rheumatische und autoimmune Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis oder systemischer Lupus erythematodes (SLE) können ebenfalls eine Tenosynovitis verursachen, indem das Immunsystem die Sehnenscheiden angreift.
  • Infektionen: Eine bakterielle Infektion, insbesondere nach Verletzungen oder Schnitten im Bereich der Sehnenscheide, kann ebenfalls eine akute Sehnenscheidenentzündung hervorrufen.

Molekulare und zelluläre Veränderungen

  • Ansammlung von Entzündungszellen: Entzündungszellen wie Makrophagen und neutrophile Granulozyten wandern in die Sehnenscheide ein, was zu einer Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen (entzündungsfördernde Botenstoffe) wie Interleukin-1 (IL-1) und Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α) führt. Diese Zytokine verstärken die lokale Entzündungsreaktion und führen zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Gefäßwände, was Schwellungen fördert.
  • Zellproliferation: Die Sehnenscheidenzellen vermehren sich als Reaktion auf die Entzündung, was zu einer Verdickung der Sehnenscheide führt. Besonders bei der Tendovaginitis stenosans de Quervain sind Östrogenrezeptoren in den betroffenen Zellen nachweisbar, was die Prävalenz (Häufigkeit) dieser Form der Sehnenscheidenentzündung bei Schwangeren und Stillenden erklärt.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

Veränderungen in der Gewebsarchitektur

  • Verdickung der Sehnenscheide: Die chronische Entzündung führt zu einer Verdickung der Sehnenscheide und einer verminderten Gleitfähigkeit der Sehne. In einigen Fällen kann es zu Verklebungen zwischen Sehnenscheide und Sehne kommen, was die Beweglichkeit zusätzlich beeinträchtigt.
  • Flüssigkeitsansammlung: Die vermehrte Produktion von Entzündungsflüssigkeit (Exsudat) führt zu Schwellungen im Bereich der Sehnenscheide, die ebenfalls die Beweglichkeit der Sehne einschränken.

Beteiligung des umliegenden Gewebes

  • Bänder und Gelenke: Bei anhaltender Entzündung können auch benachbarte Strukturen wie Bänder und Gelenke betroffen sein, was zu zusätzlichen Schmerzen und Funktionseinschränkungen führt.
  • Knochen: In schweren Fällen kann es durch die entzündliche Beteiligung zu einer Reizung oder Schädigung des angrenzenden Knochens kommen, was zu einer weiteren Einschränkung der Beweglichkeit führt.

Klinische Manifestation

Leitsymptome

  • Schmerzen: Die Schmerzen sind in der Regel lokalisiert und treten entlang der betroffenen Sehne auf, insbesondere bei Bewegung.
  • Schwellung: Die Sehnenscheide ist geschwollen, was zu sichtbaren Schwellungen oder Verdickungen entlang des Sehnenverlaufs führen kann.
  • Bewegungseinschränkung: Die Beweglichkeit der betroffenen Sehne ist eingeschränkt, oft spürbar durch ein Reiben oder ein "Schnappen" der Sehne bei Bewegung (sogenannter Schnappfinger).

Fortgeschrittene Symptome

  • Funktionsverlust: In fortgeschrittenen Fällen kann die Beweglichkeit stark eingeschränkt sein, was die alltägliche Nutzung der betroffenen Extremität (z. B. Hand, Handgelenk) deutlich beeinträchtigt.
  • Chronische Schmerzen: Bei chronischen Verläufen können die Schmerzen auch in Ruhephasen auftreten und persistieren, was die Lebensqualität erheblich mindert.

Progression und Organbeteiligung

Lokale Gewebeveränderungen

  • Verklebung der Sehnenscheide: Die anhaltende Entzündung kann zu einer Verklebung der Sehne mit der Sehnenscheide führen, was die Gleitfähigkeit der Sehne stark vermindert und zu einer dauerhaften Funktionsbeeinträchtigung führt.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaften

  • Verminderte Beweglichkeit: Die Beweglichkeit der betroffenen Sehne wird durch die Schwellung und Verdickung der Sehnenscheide stark eingeschränkt.
  • Verlust der Sehnenfunktion: Bei fortschreitender Entzündung kann es zu einem Funktionsverlust der Sehne kommen, was die Nutzung der betroffenen Extremität erheblich beeinträchtigt.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

Versuche der Geweberegeneration

  • Unzureichende Regeneration: Der Versuch der Regeneration der Sehnenscheide ist oft ineffektiv, besonders wenn die Entzündung chronisch geworden ist.

Kompensatorische Anpassungsmechanismen

  • Verstärkte Sehnenbelastung: Bei eingeschränkter Beweglichkeit kann es zu einer verstärkten Belastung benachbarter Sehnen und Muskeln kommen, was sekundäre Schmerzen und Beschwerden zur Folge hat.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Pathogenese der Sehnenscheidenentzündung basiert auf mechanischer Überbelastung, entzündlichen Prozessen und seltener auf Infektionen. Die Folge ist eine schmerzhafte Verdickung und Entzündung der Sehnenscheide, die zu Bewegungseinschränkungen und Funktionsverlust führen kann.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Prädisposition – gewisse genetische Faktoren können das Risiko für Sehnenscheidenentzündungen und osteopathische Veränderungen erhöhen
  • Hormonelle Faktoren
    • hormonelles Ungleichgewicht (Wechseljahre, orale Kontrazeptiva, Schwangerschaft, Stillzeit)
  • Lebensalter – mit zunehmendem Alter verringert sich die Elastizität des Bindegewebes, was das Risiko für Sehnenscheidenentzündungen erhöht.
  • Berufliche Belastung – bestimmte Berufsgruppen (z. B. Musiker, Handwerker, Büropersonal) sind besonders anfällig für Sehnenscheidenentzündungen aufgrund einseitiger Belastungen.

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Mangelernährung – Unzureichende Versorgung mit wichtigen Nährstoffen, wie Vitamin C, kann die Regenerationsfähigkeit von Sehnen und Muskeln beeinträchtigen.
    • Überernährung – Hoher Kalorienkonsum kann Übergewicht fördern, was die Gelenke und Sehnen zusätzlich belastet.
  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen) – Reduziert die Durchblutung und beeinträchtigt die Heilungsprozesse von Sehnen und Bindegewebe.
    • Alkoholmissbrauch – Kann die Sehnenheilung negativ beeinflussen und entzündliche Prozesse verstärken.
  • Körperliche Aktivität
    • Einseitige Bewegungsmuster
      • Wiederholte monotone Tätigkeiten, z. B. Arbeiten am Computer, handwerkliche Arbeiten oder Instrumentenspielen, die bestimmte Muskelgruppen überlasten.
    • Inaktivität
      • Fehlende Ausgleichsbewegung und Muskelaktivität können zu unzureichender Durchblutung und erhöhtem Verletzungsrisiko führen.
    • Chronische Überlastung des Gelenkes
      • Wiederholte Beanspruchung ohne ausreichende Regenerationszeit, z. B. durch schwere körperliche Arbeit oder intensives Training.
  • Schlechte ergonomische Bedingungen
    • Ungünstige Arbeitsplatzgestaltung oder Werkzeuge, die eine Überbeanspruchung der Hand- und Armbewegungen fördern.

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Autoimmunerkrankungen – entzündliche Prozesse durch Autoimmunerkrankungen wie Lupus erythematodes, die das Bindegewebe betreffen
  • Crystalopathien – durch Kristallablagerungen wie bei der Chondrocalcinose (Pseudogicht), die entzündliche Reaktionen in den Sehnenscheiden auslösen können.
  • Diabetes mellitus
  • Gicht (→ Tendovaginitiden als Ausdruck einer chronischen Gicht)
  • Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) – kann zu Veränderungen im Bindegewebe und somit auch zu Sehnenscheidenentzündungen beitragen.
  • Infektionen – bakterielle Infektionen (z. B. durch eine offene Verletzung) können zu einer septischen Tendovaginitis führen
  • Neuropathien – Nervenschädigungen durch Diabetes mellitus oder Alkoholismus können die Gelenke indirekt über Fehlbelastungen beeinflussen
  • Psoriasis-Arthritis – eine chronisch-entzündliche Gelenkerkrankung, die oft auch Sehnen und Sehnenscheiden betrifft.
  • Rheumatische Erkrankungen
  • Posttraumatisch – z. B. nach Verletzungen des Handgelenkes

Medikamente

  • Fluorchinolon-Antibiotika (z. B. Ciprofloxacin) – sind bekannt dafür, das Risiko für Sehnenentzündungen zu erhöhen.