Schleudertrauma – Folgeerkrankungen
Im Folgenden die wichtigsten Erkrankungen bzw. Komplikationen, die durch ein Schleudertrauma mit bedingt sein können:
Herzkreislaufsystem (I00-I99)
- Apoplex (Schlaganfall) – zwei Wochen nach einem Kopf- oder Halstrauma bei Patienten unter 50 Jahren bei 0,04 %; in 37 % der Fälle erfolgte der Apoplex noch am Unfalltag; ein Viertel der Fälle hatten dabei nach dem Unfall eine unauffällige Angiographie der Hirngefäße (Darstellung von Arterien und Venen unter Verwendung von Kontrastmittel) [2]
- Arteria vertebralis-Abscher-Syndrom ‒ Aufspaltung der die Wirbelsäule versorgenden Arterie
- Arteria carotis interna-Dissektion ‒ Aufspaltung der das Gehirn versorgenden Arterie
Ohren – Warzenfortsatz (H60-H95)
- Hörstörungen
- Tinnitus (Ohrengeräusche)
Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)
- Nervenschädigungen
- Temporäre oder anhaltende Beeinträchtigung der austretenden Nervenwurzeln (C2 bis C8), z. B. durch traumatische Diskusprotrusion (Bandscheibenvorwölbung), -prolaps (Bandscheibenvorfall) oder -herniation (selten)
- Zerrung peripherer nervaler Strukturen, etwa des Plexus brachialis (Armgeflecht) oder von Einzelnerven (selten)
Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00-R99)
- Cephalgie (Kopfschmerzen)
- Dysphagie (Schluckstörung)
- Vertigo (Schwindel)
Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)
- Atlantookzipitale Dislokation ‒ Verschiebung von erstem Halswirbel und Schädelknochen
- Bandscheibenverletzungen, nicht näher bezeichnet
- Chronische Schmerzen/Beschwerden – betrifft 10 bis 20 % der Patienten: Beschwerden persistierenden in chronischer Form über einen längeren Zeitraum [1]
- Commotio spinalis (Rückenmarkserschütterung)
- Compressio spinalis (Rückenmarkskompression)
- Contusio spinalis (Rückenmarksquetschung)
- Dens-Axis-Fraktur ‒ Bruch des zweiten Halswirbel
- Retropharyngeales Hämatom ‒ Bluterguss, der zwischen der Halswirbelsäule und der hinteren Rachenwand lokalisiert ist
- Rückenmarksschädigung, nicht näher bezeichnet
- Schädel-Hirn-Trauma (SHT)
- Verletzungen von Spinalnerven
- Wirbelkörperfrakturen (Wirbelkörperbrüche)
- Wirbelbogenfrakturen (Wirbelbogenbrüche)
- Wirbelgelenkfortsatzfrakturen
- Wirbelluxation (Wirbelverrenkung)
- Querschnittslähmung
Weiteres
- Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
- Schmerzhaftigkeit der Kiefergelenke
Prognosefaktoren
Mechanismen der Schmerzchronifizierung
- Operante Verstärkung, zum Beispiel durch dysfunktionale Verhaltensmuster des Patienten (Schonverhalten)
- Angst bzw. vorbestehende Angsterkrankung oder eine erhöhte Angstsensitivität
Beschwerdeverlängernd
- Weibliches Geschlecht
- Hohes Lebensalter
- Druck- und spontane Schmerzhaftigkeit der Hals-/Nackenmuskulatur
- Hohe initiale Schmerzstärke
- Taubheit und Schmerzen ausstrahlend vom Nacken in die Arme
- Psychologische Faktoren (chronische Schmerzsyndrome, Depression oder Somatisierungsstörungen der Anamnese, Ängste oder stressbezogene Symptome)
Des Weiteren wirkt beschwerdeverlängernd die prätraumatische Existenz von Angst und Depression.
Literatur
- Anderson SE, Boesch C, Zimmermann H et al.: Are there cervical spine findings at MR imaging that are specific to acute symptomatic whiplash injury? A prospective controlled study with four experienced blinded readers. Radiology 2011;262:567-575 https://doi.org/10.1148/radiol.11102115
- Fox CK et al.: Population-based study of ischemic stroke risk after trauma in children and young adults. Neurology 2017; 89 (23): 2310-2316 doi: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000004708
Leitlinien
- S1-Leitlinie: Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule. (AWMF-Registernummer: 030-095), August 2020 Langfassung