Schenkelhalsbruch (Schenkelhalsfraktur) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Schenkelhalsfraktur (Schenkelhalsbruch) ist eine häufige Fraktur des Hüftgelenks, die vor allem bei älteren Menschen auftritt. Sie kann durch verschiedene Verletzungsmechanismen entstehen, die sowohl traumatische als auch pathologische Ursachen haben.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

Initialer Pathomechanismus:

  • Trauma: Der häufigste Auslöser einer Schenkelhalsfraktur ist ein Sturz auf die Hüfte, besonders bei älteren Menschen mit verminderter Muskelkraft und Koordinationsfähigkeit. Der Sturz führt zu einer direkten Krafteinwirkung auf den Schenkelhals, was dessen strukturelle Integrität überfordert und einen Bruch verursacht.
  • Osteoporose (Knochenschwund): Bei älteren Menschen mit Osteoporose (Erkrankung, bei der die Knochenmasse abnimmt) führt eine verminderte Knochendichte dazu, dass selbst geringfügige Traumata wie ein einfacher Sturz einen Bruch verursachen können. Der Schenkelhals ist aufgrund seiner anatomischen Lage besonders anfällig für Frakturen bei osteoporotischen Knochen.

Molekulare und zelluläre Veränderungen:

  • Verminderte Knochenfestigkeit: Durch Osteoporose und altersbedingte Veränderungen wird die Knochendichte verringert, was den Schenkelhals anfälliger für Brüche macht. Dies betrifft insbesondere die trabekuläre ("schaumige") Struktur (dreidimensionalen Matrix) des Schenkelhalses, die entscheidend für die Festigkeit und Stabilität des Knochens ist.
  • Durchblutungsstörungen: Mit zunehmendem Alter kann die Durchblutung des Schenkelhalses abnehmen, was die Regenerationsfähigkeit des Knochens verschlechtert und die Heilung nach einer Fraktur verzögert.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

Veränderungen in der Gewebsarchitektur:

  • Knochenabbau: Durch die verminderte Knochendichte und -struktur ist der Schenkelhals besonders anfällig für Brüche. Der Abbau der trabekulären Knochensubstanz verschlechtert die mechanische Stabilität des Schenkelhalses.
  • Fehlende Frakturstabilität: Bei vielen Schenkelhalsfrakturen kommt es zu einer ungünstigen Verschiebung der Knochenenden, was die Heilung erschwert und häufig chirurgische Eingriffe erfordert.

Beteiligung des umgebenden Gewebes:

  • Muskuläre Beteiligung: Nach einer Fraktur kommt es häufig zu einer reflektorischen Muskelverspannung in der Umgebung des Hüftgelenks, was die Schmerzen verstärkt und die Mobilität weiter einschränkt.
  • Schädigung der Blutgefäße: Bei bestimmten Arten von Schenkelhalsfrakturen kann es zu einer Schädigung der Blutversorgung des Hüftkopfes kommen, was das Risiko einer Hüftkopfnekrose (Absterben des Hüftkopfes) erhöht.

Klinische Manifestation

Leitsymptome:

  • Schmerzen in der Hüfte: Starke Schmerzen im Bereich der Hüfte, die besonders bei Bewegung oder Belastung auftreten, sind typische Symptome einer Schenkelhalsfraktur.
  • Unfähigkeit zu gehen: Bei einer vollständigen Schenkelhalsfraktur ist das betroffene Bein oft nicht mehr belastbar, was zu einer deutlichen Gehbehinderung führt.

Fortgeschrittene Symptome:

  • Verkürztes Bein: Durch die Verschiebung der Knochenfragmente kann das betroffene Bein verkürzt erscheinen.
  • Außenrotation des Beins: Häufig liegt das betroffene Bein in einer abnormen Außenrotation, da die Muskeln um das Hüftgelenk nicht mehr korrekt arbeiten können.

Progression und Organbeteiligung

Lokale Gewebeveränderungen:

  • Verzögerte Knochenheilung: Aufgrund der verminderten Durchblutung und der fragilen Knochenstruktur kann die Heilung bei älteren Menschen länger dauern oder unvollständig sein.
  • Hüftkopfnekrose: In schweren Fällen kann es durch die Schädigung der Blutversorgung des Hüftkopfes zu einer Hüftkopfnekrose (Absterben des Hüftkopfes) kommen, die eine zusätzliche Komplikation darstellt.

Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:

  • Mobilitätseinschränkung: Eine verzögerte Heilung oder unzureichende Rehabilitation kann zu dauerhaften Mobilitätsproblemen führen, was die Lebensqualität der Betroffenen erheblich einschränkt.
  • Thromboserisiko: Nach einer Schenkelhalsfraktur ist das Risiko für Thrombosen (Blutgerinnsel) aufgrund der Immobilität erhöht.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaften:

  • Verlust der Gelenkfunktion: Die Schenkelhalsfraktur beeinträchtigt die mechanische Stabilität des Hüftgelenks, was zu einer reduzierten Belastbarkeit und Funktion führt.
  • Deformitäten: In einigen Fällen kann es nach einer Schenkelhalsfraktur zu bleibenden Deformitäten kommen, insbesondere wenn die Knochenfragmente nicht korrekt zusammenwachsen.

Schmerzentstehung:

  • Mechanischer Schmerz: Der Bruch der Knochenstrukturen verursacht starke mechanische Schmerzen, die besonders bei Bewegung und Belastung auftreten.
  • Entzündlicher Schmerz: Eine entzündliche Reaktion im umliegenden Gewebe verstärkt die Schmerzsymptomatik.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

Versuche der Geweberegeneration:

  • Unzureichende Knochenregeneration: Bei älteren Menschen ist die Fähigkeit zur Knochenregeneration häufig eingeschränkt, was die Heilung verzögert und das Risiko für Komplikationen erhöht.

Kompensatorische Anpassungsmechanismen:

  • Muskuläre Kompensation: Nach der Fraktur versucht die umgebende Muskulatur, die fehlende Stabilität des Hüftgelenks zu kompensieren, was jedoch zu Überlastung und weiteren Schmerzen führen kann.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Schenkelhalsfraktur (Schenkelhalsbruch) ist eine häufige Verletzung, insbesondere bei älteren Menschen mit Osteoporose. Die Fraktur entsteht in der Regel durch Stürze, kann aber auch durch pathologische Veränderungen wie Knochenschwund verursacht werden. Sie führt zu erheblichen Schmerzen, Mobilitätseinschränkungen und erhöhtem Risiko für Komplikationen wie Thrombosen und Hüftkopfnekrose. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie sind entscheidend, um die Heilung zu fördern und die Mobilität der Betroffenen zu erhalten.

Ätiologie (Ursachen)

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Sturz aus der Stand- oder Sitzhöhe
  • Stolpern z. B. über den Teppich
  • Chronische Überbelastung des Knochens (bei Osteoporose) und Varusstellung ("auswärtsgebogen")
  • Hochrasanztrauma mit axialer Stauchung des Oberschenkels

Knochenbezogene Faktoren, die zu einer erhöhten Frakturwahrscheinlichkeit führen

Biographische Ursachen

  • Familienanamnese – Schenkelhalsfraktur der Mutter

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Mangelernährung
    • Fleischlose Ernährung  
      • Vegetarier, Veganer und Pescetarier hatten ein erhöhtes Risiko für Hüftfrakturen [3]
        • Vegetarier (+50 %; was zu einem Viertel auf das niedrigere Körpergewicht zurückzuführen war) [4]
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – Vitamin D, Calcium
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol (Frau: > 40 g/Tag; Mann: > 60 g/Tag)
    • Tabak (Rauchen)
  • Körperliche Aktivität
    • Mangelnde körperliche Aktivität
    • Körperliche Inaktivität

Krankheitsbedingte Ursachen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Mangelernährung, nicht näher bezeichnet
  • Östrogenmangel

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Erhöhte Knochenumbaurate, nicht näher bezeichnet
  • Osteoporose (Knochenschwund)
  • Pathologische Fraktur (Spontanfraktur) ‒ Knochenbruch ohne Gewalteinwirkung auf einen krankhaft veränderten Knochen

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Chronische Alkoholabhängigkeit

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Vorhergehende Niedrigenergiefraktur im Alter > 50 Jahre

Faktoren, die das allgemeine Verletzungsrisiko erhöhen

Biographische Ursachen

  • Lebensalter – hohes Alter

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Rauchen
  • Räumliche Bedingungen wie glatter Fußboden oder Teppiche

Krankheitsbedingte Ursachen

Augen und Augenanhangsgebilde (H00-H59)

  • Sehstörungen, nicht näher bezeichnet

Herzkreislaufsystem (I00-I99)

  • Apoplex (Schlaganfall)
  • Kardiovaskuläre Erkrankungen (Herz- und Gefäßerkrankungen), nicht näher bezeichnet

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Fußprobleme, nicht näher bezeichnet
  • Muskelschwäche, nicht näher bezeichnet

Psyche – Nervensystem (F00-F99; G00-G99)

  • Alkoholabhängigkeit (Alkoholabusus)
  • Gehstörungen, nicht näher bezeichnet
  • Koordinationsstörungen, nicht näher bezeichnet
  • Neurologische Erkrankungen wie beispielsweise Morbus Parkinson
  • Transitorische ischämische Attacke (TIA) – plötzlich auftretende Durchblutungsstörung des Gehirns, die zu neurologische Störungen führt, die sich innerhalb von 24 Stunden zurückbilden

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Rasanztraumen

Weiteres

  • Lange Immobilität
  • Langsames Gangmuster
  • Niedriges Körpergewicht (BMI < 18,5)

Medikamente

  • Antidepressiva – das Hüftfrakturrisiko bei Senioren war besonders erhöht zu Beginn der Behandlung und weiterhin bis zu 4 Jahren [2]
  • Antihypertensiva (blutdrucksenkende Medikamente) – Die Sekundäranalyse der ALLHAT-Studiedaten bestätigte, dass bei Hypertonikern die Therapie mit einem Thiaziddiuretikum im Vergleich zu ACE-Hemmern oder Betablockern mit einem verringerten Risiko für Hüft- und Beckenfrakturen assoziiert ist [1].
  • Antikonvulsiva – Gabapentin, Pregabalin (erhöhen das Sturzrisiko) [5]
  • Hypnotika/Sedativa (Beruhigungs-/Schlafmittel)
  • Diuretika (entwässernde Medikamente)

Literatur

  1. Puttnam R et al.: Association of 3 Different Antihypertensive Medications With Hip and Pelvic Fracture Risk in Older Adults Secondary Analysis of a Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med, online 21. November 2016. doi: 10.1001/jamainternmed.2016.6821
  2. Torvinen-Kiiskinen S et al.: Antidepressant use and risk of hip fractures among community-dwelling persons with and without Alzheimer's disease. Journal of Geriatric Psychiatry (2017) doi: 10.1002/gps.4667
  3. Tong TYN et al.: Vegetarian and vegan diets and risks of total and site-specific fractures: results from the prospective EPIC-Oxford study. BMC Medicine 2020; doi.org/10.1186/s12916-020-01815-3
  4. Webster J et al.: Risk of hip fracture in meat-eaters, pescatarians, and vegetarians: a prospective cohort study of 413,914 UK Biobank participants BMC Med 21, 278 (2023). https://doi.org/10.1186/s12916-023-02993-6
  5. Leung MTY et al.: Gabapentinoids and Risk of Hip Fracture JAMA Netw Open . 2024 Nov 4;7(11):e2444488. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2024.44488.