Sarkopenie – Prävention
Zur Prävention der Sarkopenie muss auf eine Reduktion individueller Risikofaktoren geachtet werden.
Verhaltensbedingte Risikofaktoren
- Ernährung
- Mangelernährung/Malnutrition – Unzureichende Zufuhr von Energie und Nährstoffen, insbesondere im Alter.
- Unzureichende Kalorienzufuhr – Angemessene Kalorienzufuhr im Alter: 25-30 Kcal pro Kilogramm Körpergewicht.
- Unzureichende Proteinaufnahme (Eiweißaufnahme) – Tägliche Proteinzufuhr ab dem 65. Lebensjahr: 1,0-1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht.
- Einseitige Ernährung – Verzicht auf proteinreiche Lebensmittel wie Fleisch, Hülsenfrüchte oder Milchprodukte kann die Muskelmasse langfristig negativ beeinflussen.
- Unzureichende Flüssigkeitszufuhr – Dehydration beeinträchtigt die Muskelfunktion und führt zu Schwäche.
- Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – Mangel an Vitamin D und Calcium beeinträchtigt die Muskelkraft und Knochenstruktur. Siehe „Prävention mit Mikronährstoffen“.
- Körperliche Aktivität
- Bewegungsarme Lebensführung – Bewegungsmangel fördert den Abbau der Muskelmasse.
- Inaktivität/Immobilisation – Beispielsweise durch Bettlägerigkeit oder chronische Erkrankungen.
- Schwerelosigkeit – Z. B. durch lang andauernde Inaktivität im All oder Bettruhe.
- Einseitige körperliche Belastung – Z. B. Überbeanspruchung einzelner Muskelgruppen ohne gezieltes Ganzkörpertraining kann das muskuläre Ungleichgewicht fördern.
- Fehlende körperliche Stimulation im Alltag – Verzicht auf moderate Bewegungsformen wie Gehen, Treppensteigen oder einfache Hausarbeit.
- Psycho-soziale Situation
- Depressive Verstimmungen oder Isolation – Soziale Isolation und psychische Belastungen können die Motivation zur Bewegung und eine ausgewogene Ernährung beeinträchtigen.
- Stress – Chronischer Stress beeinflusst hormonelle Regelkreise, die die Muskelproteinsynthese hemmen können.
Präventionsfaktoren (Schutzfaktoren)
- Regelmäßige sportliche Aktivität
- Kontinuierliches Training im jungen Erwachsenenalter – Nur kontinuierliche, regelmäßige sportliche Aktivität, beginnend im jungen Erwachsenenalter, reduziert bei Männern im Vergleich zu weniger aktiven Altersgenossen deutlich das Risiko, an Sarkopenie zu erkranken. Sportliche Aktivitäten alleine im frühen Erwachsenenalter haben keinen ausreichenden Effekt auf die Muskelmasse und Muskelstärke. Für Frauen ließ sich keine signifikante Assoziation beobachten [1].
- Sportliche Aktivitäten im Alter – Ergänzend zu regelmäßigen Übungen im frühen Lebensabschnitt, um den Effekt zu erhalten. Geeignet sind Krafttraining, Ausdauertraining und moderater Sport wie Schwimmen oder Radfahren.
- Gleichgewichts- und Balancetraining
- Maßnahmen zur Sturzprophylaxe:
- Übungen wie Treppensteigen oder das Stehen auf einem Bein beim Zähneputzen.
- Training mit Fokus auf Körperstabilität und Koordination.
- Maßnahmen zur Sturzprophylaxe:
- Ernährung als Schutzfaktor
- Ausreichende Proteinzufuhr – 1,0-1,2 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht täglich ab dem 65. Lebensjahr.
- Vitamin-D-Supplementierung – 800-1.000 IE/Tag zur Verbesserung der Muskelfunktion und Unterstützung der Knochengesundheit.
- Flüssigkeitszufuhr – Ausreichende Hydratation zur Vermeidung von Dehydration und Muskelschwäche.
- Kombination mit Kohlenhydraten – Proteinreiche Mahlzeiten sollten mit komplexen Kohlenhydraten ergänzt werden, um die Proteinsynthese zu unterstützen.
Sekundärprävention
- Frühzeitige Diagnostik
- Regelmäßige Muskelkraftmessungen (z. B. Handgriffstärke) und Ganganalysen ab dem 50. Lebensjahr.
- Messung der Muskelmasse durch DXA (Dual-Energy-X-Ray-Absorptiometry) bei Risikopersonen, insbesondere bei Patienten mit chronischen Erkrankungen oder Immobilität.
- Gezielte Trainingsprogramme
- Kraft- und Widerstandstraining für spezifische Muskelgruppen bei bereits beginnender Muskelschwäche.
- Ergänzung durch moderates Ausdauertraining zur Förderung der allgemeinen Fitness und des Herz-Kreislauf-Systems.
- Ernährungsintervention
- Anpassung der Proteinaufnahme auf 1,2-1,5 g pro Kilogramm Körpergewicht bei Personen mit nachweislicher Sarkopenie.
- Ergänzung durch Mikronährstoffe wie Omega-3-Fettsäuren, die eine entzündungshemmende Wirkung besitzen.
Tertiärprävention
- Rehabilitation und Physiotherapie
- Individuell abgestimmte Physiotherapie zur Verbesserung der Mobilität und Muskelkraft bei fortgeschrittener Sarkopenie.
- Einsatz von Hilfsmitteln wie Gehstöcken oder Rollatoren zur Erhaltung der Selbstständigkeit.
- Prävention von Folgeerkrankungen
- Maßnahmen zur Verhinderung von Stürzen und damit verbundenen Frakturen, z. B. durch eine barrierefreie Wohnumgebung.
- Behandlung von Komorbiditäten wie Osteoporose oder chronischen Erkrankungen, die die Muskelmasse weiter reduzieren könnten.
- Langzeit-Supplementierung
- Langfristige Einnahme von Vitamin D und Proteinpräparaten, falls die Ernährung nicht ausreicht.
- Überwachung der Therapie durch regelmäßige Kontrollen von Vitamin-D- und Calciumspiegeln.
Maßnahmen zur Sturzprophylaxe
Anpassungen und individuelle Maßnahmen
- Seh- und Hörhilfen
- Regelmäßige Überprüfung und Anpassung von Brillen und Hörgeräten zur Optimierung der Wahrnehmung.
- Schuhwerk
- Festes, rutschfestes Schuhwerk mit gutem Halt und flachen Absätzen.
- Im Winter Schuhe mit gutem Profil; für besonders glatte Bedingungen: Schuh-Spikes oder Eis-Pickel für Gehstöcke.
- Überkopf-Arbeiten
- Vermeidung von Arbeiten über Kopfhöhe, um Gleichgewichtsprobleme zu reduzieren.
- Hilfsmittel
- Verwendung von Gehstöcken, Rollatoren oder anderen Gehhilfen, falls notwendig.
- Ausreichend Platz für Rollatoren oder Rollstühle in der Wohnung schaffen.
Kräftigungs- und Gleichgewichtstraining
- Kurse und Übungen
- Teilnahme an Kursen zur Kräftigung der Muskulatur, Haltungsschulung und Balance.
- Gangschulung und Gleichgewichtstraining, ggf. mit physiotherapeutischer Unterstützung.
- Alltagsübungen
- Übungen wie Treppensteigen oder Stehen auf einem Bein beim Zähneputzen zur Förderung von Stabilität und Koordination.
Umgebungsanpassungen
- Wohnungsanpassung
- Hausbesuche durch Fachkräfte zur Identifikation von Sturzgefahren.
- Beleuchtung
- Sicherstellen, dass Flure, Treppen und Räume gut ausgeleuchtet sind; ggf. Nachtlichter installieren.
- Stolperfallen
- Entfernen oder Sichern von losen Teppichen und Kabeln; Stolperfallen wie Schuhe, Kleidung oder Spielzeug beseitigen.
- Bodenbeläge
- Rutschfeste Beläge anbringen; gebohnerten Fußboden vermeiden.
- Treppen mit rutschfesten Teppichfliesen versehen und erste/letzte Stufe farblich kennzeichnen.
- Geländer
- Reparieren wackeliger Geländer und ggf. zusätzliche Handläufe installieren.
- Leitern
- Qualität und Standfestigkeit von Leitern überprüfen.
- Badbereich
- Rutschgefahr minimieren
- Selbstklebende Antirutschbänder auf Fliesen und in Dusche/Badewanne.
- Wasserlachen sofort entfernen.
- Haltegriffe
- Installation von Haltegriffen in Dusche und Badewanne.
- Sitzmöglichkeit in der Dusche
- Besonders bei Schwindelanfällen oder Unsicherheiten hilfreich.
- Rutschgefahr minimieren
Maßnahmen bei nächtlicher Sturzgefahr
- Toilettengänge
- Installation von Bewegungslicht zur sicheren Orientierung bei Nykturie.
- Verwendung von rutschfesten ABS-Socken im Bett, um Pantoffeln zu ersetzen.
Sicherheitsmaßnahmen im Winter
- Sicheres Gehen
- Anwendung des „Pinguin-Gangs“: Langsam, mit leicht vorgebeugtem Oberkörper und kleinen Schritten, um Stabilität zu erhöhen.
- Halten an Hauswänden oder Geländern zur zusätzlichen Sicherheit.
- Radfahren
- Vermeidung des Fahrradfahrens auf Schnee oder Eis wegen erhöhtem Unfallrisiko.
Diese Maßnahmen tragen nicht nur zur Reduktion von Sturzrisiken bei, sondern fördern auch die Selbstständigkeit und Lebensqualität von Betroffenen.
Literatur
- Eibich P et al.: Exercise at Different Ages and Appendicular Lean Mass and Strength in Later Life: Results From the Berlin Aging Study. J Gerontol A Biol Sci Med Sci (2015). doi: 10.1093/gerona/glv171II