Rektusdiastase – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Rektusdiastase beschreibt eine Auseinanderweichung der beiden geraden Bauchmuskeln (Musculus rectus abdominis), die in der Regel durch eine Schwächung des Bindegewebes (Linea alba) verursacht wird. Es handelt sich meist um eine erworbene Veränderung, die vor allem bei Schwangeren auftritt, aber auch bei anderen Risikogruppen, wie übergewichtigen Menschen oder Personen mit erhöhter intraabdominaler Druckbelastung.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
Initialer Pathomechanismus:
- Mechanische Überdehnung: Während der Schwangerschaft wird die Bauchdecke durch das wachsende Baby zunehmend gedehnt, was zu einer Auseinanderweichung der geraden Bauchmuskeln führt. Diese mechanische Überdehnung tritt häufig im letzten Trimenon (letztes Schwangerschaftsdrittel) auf.
- Hormonelle Einflüsse: Schwangerschaftshormone, insbesondere Relaxin und Progesteron, fördern die Auflockerung des Bindegewebes, um die Gelenke und Bänder auf die Geburt vorzubereiten. Dies betrifft auch die Linea alba, das Bindegewebe, das die geraden Bauchmuskeln verbindet.
Molekulare und zelluläre Veränderungen:
- Auflockerung der Linea alba: Durch hormonelle Einflüsse wird die elastische Beschaffenheit des Bindegewebes der Linea alba verändert, wodurch sie dünner und schwächer wird.
- Verlust der Muskelspannung: Die Dehnung der Bauchmuskulatur führt zu einer Verringerung der Muskelspannung, wodurch die Stabilität des Rumpfes beeinträchtigt wird.
Entwicklung struktureller Veränderungen:
- Auseinanderweichen der geraden Bauchmuskeln: Der Abstand zwischen dem rechten und linken Musculus rectus abdominis vergrößert sich, was zu einer Schwächung der vorderen Bauchwand führt.
- Erweiterung des Abdominalspalts: Bei fortschreitender Dehnung kann der Spalt in der Linea alba bis zu mehreren Zentimetern betragen, wodurch die Bauchdecke instabil wird.
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
Veränderungen in der Gewebsarchitektur:
- Schwächung des Bindegewebes: Die Linea alba wird durch die mechanische Belastung und hormonelle Einflüsse zunehmend geschwächt, was die Rückbildung nach der Schwangerschaft erschwert.
- Verlust der Rumpfstabilität: Durch die verminderte Muskelspannung und die Schwächung des Bindegewebes verliert der Rumpf an Stabilität, was zu einer eingeschränkten Funktionalität und potenziellen Komplikationen führen kann.
Beteiligung des umgebenden Gewebes:
- Veränderung der Bauchmuskulatur: Die seitliche Verlagerung der Bauchmuskeln kann zu einer asymmetrischen Belastung und Fehlhaltung führen, was wiederum Rückenschmerzen oder eine Fehlhaltung begünstigen kann.
- Erhöhte Belastung der Rückenmuskulatur: Die geschwächte Bauchmuskulatur kann zu einer vermehrten Belastung der Rückenmuskulatur führen, was häufig zu Schmerzen im unteren Rückenbereich führt.
Klinische Manifestation
Leitsymptome:
- Vorwölbung des Bauchs: Eine sichtbare Vorwölbung entlang der Linea alba, die insbesondere beim Anspannen der Bauchmuskeln (z. B. beim Aufrichten aus dem Liegen) deutlich wird.
- Bauchschwäche: Viele Betroffene berichten von einem Gefühl der Schwäche im Bauchbereich, insbesondere bei Aktivitäten, die eine Rumpfstabilisierung erfordern.
Fortgeschrittene Symptome:
- Rückenschmerzen: Durch die verminderte Rumpfstabilität kann es zu chronischen Rückenschmerzen, insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule, kommen.
- Eingeschränkte körperliche Belastbarkeit: Die geschwächte Bauchmuskulatur führt zu einer eingeschränkten Belastbarkeit bei körperlichen Aktivitäten.
Progression und Organbeteiligung
Lokale Gewebeveränderungen:
- Vergrößerung des Abdominalspalts: Ohne adäquate Therapie kann sich die Rektusdiastase vergrößern, was die Stabilität des Rumpfes weiter reduziert.
- Hernienbildung: In fortgeschrittenen Fällen kann es durch die Schwächung der Bauchdecke zur Ausbildung von Bauchwandhernien (Öffnung oder Schwachstelle in der Bauchwand) kommen, insbesondere im Bereich des Nabels.
Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:
- Langfristige Funktionsstörungen: Bei unzureichender Rückbildung nach der Geburt kann es zu langfristigen Funktionsstörungen der Bauch- und Rückenmuskulatur kommen.
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaften:
- Verlust der Rumpfstabilität: Durch die Schwächung der Bauchmuskulatur und die Vergrößerung der Rektusdiastase wird die Stabilität des Rumpfes erheblich beeinträchtigt, was zu einer erhöhten Verletzungsgefahr und Funktionsverlust führt.
Schmerzentstehung:
- Mechanischer Schmerz: Die unzureichende Stabilisierung des Rumpfes kann zu mechanischen Überbelastungen der Rückenmuskulatur und der Wirbelsäule führen, was Schmerzen verursacht.
Regenerative und kompensatorische Prozesse
Versuche der Geweberegeneration:
- Rückbildung nach der Schwangerschaft: In den meisten Fällen bildet sich die Rektusdiastase in den ersten sechs Monaten nach der Geburt von selbst zurück. Unterstützende Maßnahmen wie gezielte Beckenboden- und Bauchmuskelübungen können den Regenerationsprozess fördern.
Kompensatorische Anpassungsmechanismen:
- Muskuläre Kompensation: Die Rückenmuskulatur und die seitlichen Bauchmuskeln übernehmen teilweise die Stabilisierung des Rumpfes, was jedoch langfristig zu Fehlbelastungen führen kann.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Rektusdiastase ist ein erworbenes Auseinanderweichen der geraden Bauchmuskeln, die typischerweise während der Schwangerschaft auftritt. Sie wird durch mechanische Überdehnung und hormonelle Einflüsse verursacht und führt zu einer Schwächung der Bauchdecke und Rumpfstabilität. Während sich die Rektusdiastase in den meisten Fällen nach der Geburt zurückbildet, kann sie in einigen Fällen zu langfristigen Funktionsstörungen und Komplikationen führen. Eine frühzeitige Therapie und gezielte Übungen sind entscheidend, um die Rückbildung zu fördern und die Stabilität des Rumpfes wiederherzustellen.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Bindegewebsschwäche → Bauchwandschwäche
Verhaltensbedingte Ursache
- Körperliche Aktivität
- Schweres Heben und Tragen in der Schwangerschaft
- Extreme Bauchmuskelübungen während der Schwangerschaft
- Intensives Krafttraining
- Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
Weitere Ursachen
- Schwangerschaft, insbesondere:
- Mehrlingsschwangerschaft
- Polyhydramnion – überdurchschnittlich große Menge Fruchtwasser mit einem Fruchtwasserindex (AFI) von über 20 cm oder mit einem großen Fruchtwasserdepot über 8 cm (am Termin mehr als zwei Liter)
- Wiederholte Schwangerschaften