Reaktive Arthritis – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die reaktive Arthritis ist eine entzündliche Gelenkerkrankung, die sich als Folge einer vorangegangenen Infektion, meist des Magen-Darm-Trakts, der Harn- und Geschlechtsorgane oder der Atemwege, entwickelt. Es handelt sich dabei um eine aseptische (keimfreie) Entzündung, bei der keine lebenden Erreger im Gelenk nachweisbar sind. Diese Form der Arthritis betrifft typischerweise einseitig die großen Gelenke der unteren Extremitäten und wird durch das Eindringen von bakteriellen Antigenen in das Gelenk ausgelöst, was eine immunologische Reaktion hervorruft.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

Initialer Pathomechanismus:

  • Infektion als Auslöser: Die reaktive Arthritis tritt nach einer Infektion auf, wobei die häufigsten Auslöser gastrointestinale (z. B. Salmonellen, Shigellen) und urogenitale Erreger (z. B. Chlamydien) sind.
  • Antigenpräsentation: Nach der Infektion gelangen bakterielle Antigene, meistens über den Blutweg, in das Gelenk, in dem sie eine Entzündungsreaktion hervorrufen, ohne dass lebende Erreger vorhanden sind.

Molekulare und zelluläre Veränderungen:

  • Immunkomplexe: Bakterielle Antigene werden von Immunzellen als Fremdkörper erkannt, woraufhin Immunkomplexe entstehen, die das Gelenk infiltrieren und eine sterile Entzündung der Synovialmembran (Gelenkinnenhaut) auslösen.
  • Zytokinfreisetzung: Proinflammatorische Zytokine (entzündungsfördernde Botenstoffe)  wie IL-1, TNF-α und IFN-γ werden freigesetzt, die die Entzündung im Gelenk verstärken und den Abbau der Knorpelsubstanz begünstigen.

Entwicklung struktureller Veränderungen:

  • Synoviale Entzündung: Die Entzündung der Synovialmembran (Knochenhautmembran) führt zu Gelenkschwellungen und Schmerz, oft begleitet von Ergüssen (Flüssigkeitsansammlungen) im betroffenen Gelenk.
  • Knorpelabbau: Im Verlauf der Entzündung kann es zu Schäden am Knorpel kommen, was zu bleibenden Funktionsstörungen führen kann.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

Veränderungen in der Gewebsarchitektur:

  • Synoviale Hypertrophie: Die chronische Entzündung führt zu einer Verdickung der Synovialmembran und einer vermehrten Produktion von Gelenkflüssigkeit, was die Gelenkbeweglichkeit einschränkt.
  • Schädigung der Gelenkkapsel: Langfristige Entzündungsprozesse können die Kapsel und umliegenden Strukturen schädigen.

Beteiligung des umgebenden Gewebes:

  • Sehnen und Bänder: Die umliegenden Sehnen und Bänder können ebenfalls von der Entzündung betroffen sein, was zu zusätzlichen Schmerzen und Instabilität der Gelenke führt.

Klinische Manifestation

Leitsymptome:

  • Akute Gelenkschmerzen: Die Betroffenen klagen typischerweise über starke Schmerzen in einem oder mehreren großen Gelenken, insbesondere in den Knien oder Sprunggelenken.
  • Gelenkschwellung: Schwellungen und Ergüsse treten häufig im betroffenen Gelenk auf, begleitet von Rötungen und Überwärmung.

Fortgeschrittene Symptome:

  • Chronische Entzündungen: In einigen Fällen entwickelt sich eine chronische Entzündung, die zu bleibenden Schäden im Gelenk führt.
  • Mögliche Systembeteiligung: Bei schwereren Verläufen kann es zu einer systemischen Beteiligung kommen, etwa einer Uveitis (Entzündung der mittleren Augenhaut) oder Hautausschlägen.

Progression und Organbeteiligung

Lokale Gewebeveränderungen:

  • Knorpelabbau und Knochenschäden: Langfristige Entzündungsreaktionen können die Integrität des Gelenkknorpels beeinträchtigen und zu dauerhaften Schäden führen.

Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:

  • Reiter-Trias: Bei der Reiter-Krankheit treten neben der Arthritis auch Urethritis (Harnröhrenentzündung) und Konjunktivitis (Bindehautentzündung) auf, was die systemische Natur der Erkrankung verdeutlicht.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

Beeinträchtigung der Gelenkfunktion:

  • Verlust der Beweglichkeit: Die chronische Entzündung und die daraus resultierende Schädigung der Gelenkstrukturen führen zu einer eingeschränkten Beweglichkeit und Schmerzen bei alltäglichen Aktivitäten.

Schmerzentstehung:

  • Mechanischer Schmerz: Die Schädigung des Gelenkknorpels und der umliegenden Strukturen führt zu mechanisch bedingten Schmerzen bei Bewegung.
  • Entzündlicher Schmerz: Zusätzlich wird die Schmerzempfindung durch die anhaltende Entzündungsreaktion verstärkt.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

Versuche der Geweberegeneration:

  • Eingeschränkte Regeneration: Der Körper versucht, die Schäden durch den Knorpelabbau zu reparieren, jedoch bleibt die Regenerationsfähigkeit aufgrund der chronischen Entzündung oft unzureichend.

Kompensatorische Anpassungsmechanismen:

  • Muskuläre Kompensation: In einigen Fällen kompensiert die umliegende Muskulatur die Instabilität des betroffenen Gelenks, was jedoch zu zusätzlichen Belastungen und Schmerzen führen kann.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die reaktive Arthritis ist eine entzündliche Gelenkerkrankung, die durch eine Immunreaktion auf vorausgegangene Infektionen ausgelöst wird. Die Krankheit betrifft in der Regel die großen Gelenke der unteren Extremitäten und führt zu akuten Schmerzen, Schwellungen und Bewegungseinschränkungen. Die Pathogenese basiert auf einem immunologischen Prozess, bei dem bakterielle Antigene die Entzündungsreaktion im Gelenk auslösen, ohne dass lebende Erreger vorhanden sind. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie sind entscheidend, um langfristige Gelenkschäden zu vermeiden.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern (bis zu 80 % der Betroffenen sind HLA-B27 positiv)

Krankheitsbedingte Ursachen

Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)

  • Infektion, vor allem mit Campylobacter, Salmonellen, Shigellen oder Yersinien (bakterielle Enteritiden))
  • Gonorrhoe

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege – Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Chlamydien-Urethritis ‒ Harnröhrenentzündung, die durch Bakterien der Art Chlamydia bedingt ist
  • Urethritis (Harnröhrenentzündung)/nicht-gonorrhoische Urethritis (NGU), die durch Mykoplasmen, vor allem Ureaplasma urealyticum, ausgelöst wird