Reaktive Arthritis – Einleitung
Reaktive Arthritis ist eine entzündliche Gelenkerkrankung, die als Zweiterkrankung nach einer Infektion des Gastrointestinaltrakts (Magen-Darm-Trakt), der urogenitalen (Harn- und Geschlechtsorgane) oder respiratorischen (Atemwege) Systeme auftritt. Charakteristisch für diese Erkrankung ist, dass sich keine Erreger im betroffenen Gelenk nachweisen lassen (sterile Synovialitis). Die reaktive Arthritis betrifft häufig einseitig (unilateral) große Gelenke der unteren Extremität und kann mit extraartikulären Symptomen (Symptome außerhalb des Gelenkssystems) einhergehen.
Synonyme und ICD-10: postinfektiöse Arthritis; ICD-10-GM M02.-: Reaktive Arthritiden
Die Reiter-Krankheit, auch Reiter-Syndrom genannt, ist eine spezielle Form der reaktiven Arthritis. Sie tritt als Zweiterkrankung nach gastrointestinalen oder urogenitalen Infektionen auf. Charakteristisch für das Reiter-Syndrom ist die sogenannte Reiter-Trias, die sich aus den folgenden drei Symptomen zusammensetzt:
- Arthritis: Entzündung der Gelenke, typischerweise in den unteren Extremitäten.
- Urethritis: Entzündung der Harnröhre.
- Konjunktivitis: Entzündung der Bindehaut der Augen.
Synonyme und ICD-10: Reiter-Syndrom; Morbus Reiter; Arthritis dysenterica; Polyarthritis enterica; postenteritische Arthritis; posturethritische Arthritis; undifferenzierte Oligoarthritis; urethro-okulo-synoviales Syndrom; Fiessinger-Leroy-Syndrom; engl. Sexually acquired reactive arthritis (SARA); benannt nach dem deutschen Arzt Hans Reiter, 1881-1969; ICD-10-GM M02.3- Reiter-Krankheit
Die Erkrankung gehört zur Gruppe der prädominanten peripheren Spondyloarthritiden (SpA, pSpA). Des Weiteren gehört sie zur Gruppe der seronegativen Spondyloarthritiden (Synonym: seronegative Spondylarthropathie), bei denen eine Entzündung der kleinen Wirbelgelenke (Spondylarthritis) vorliegt. Diese Erkrankungen grenzen sich gegenüber der rheumatoiden Arthritis (chronische Polyarthritis) durch das Fehlen von Rheumafaktoren (= seronegativ) ab.
Des Weiteren gehört die Erkrankung zu den prädominanten peripheren Spondyloarthritiden (SpA, pSpA).
Man geht bei der Entstehung der Krankheit von einem immunologischen Prozess aus.
Formen der Erkrankung
- Postenteritische reaktive Arthritis: Entwickelt sich nach gastrointestinalen Infektionen mit Erregern wie Campylobacter, Salmonellen, Shigellen oder Yersinien.
- Posturethritische reaktive Arthritis: Tritt nach urogenitalen Infektionen, z. B. nach Chlamydien- oder Gonokokken-Urethritis (Harnröhrenentzündung durch Gonokokken), auf.
- Reiter-Syndrom: Spezielle Form der reaktiven Arthritis, gekennzeichnet durch die Reiter-Trias (Arthritis, Urethritis, Konjunktivitis).
Ursachen
- Infektiöse Auslöser: Gastrointestinale Infektionen (z. B. mit Campylobacter, Salmonellen, Shigellen, Yersinien) oder urogenitale Infektionen (z. B. durch Chlamydien, Gonokokken).
- Immunologische Faktoren: Assoziation mit HLA-B27, besonders bei oligoartikulären Verläufen mit extraartikulären Symptomen.
- Nicht-HLA-B27-assoziierte Formen: Häufiger polyartikulärer Befall, das heißt mehrere Gelenke betreffend, ohne extraartikuläre Symptome (Symptome außerhalb der Gelenke).
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen.
Häufigkeitsgipfel: Am häufigsten tritt die Erkrankung bei jungen Erwachsenen auf, insbesondere im Alter von 20-40 Jahren.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Bei Chlamydien-assoziierter reaktiver Arthritis liegt die Prävalenz bei etwa 40 pro 100.000 Erwachsene.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Die Inzidenz der reaktiven Arthritis nach Chlamydien-Infektion beträgt etwa 4-5 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr.
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Latenz: Zwischen dem auslösenden Infekt und dem Auftreten der Gelenksymptome besteht eine Latenz von einigen Tagen bis zu mehreren Wochen.
- Behandlung: Akute Fälle werden primär symptomatisch mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) und physikalischer Therapie (z. B. Kryotherapie/Kältetherapie) behandelt. Bei persistierenden Infektionen ist eine antibiotische Therapie indiziert. Schwere Verläufe können den Einsatz von Glucocorticoiden erfordern; bei chronischem Verlauf kann eine Basistherapie mit Sulfasalazin oder Methotrexat (MTX) notwendig werden.
Prognose
- Heilung: Bis zu 80 % der Fälle heilen innerhalb von 12 Monaten aus.
- Chronifizierung: Bei HLA-B27-assoziierten Formen ist das Risiko einer Chronifizierung und schwerer Verläufe höher.