Osteoporose – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik der Osteoporose dar.

Familienanamnese

  • Gibt es in Ihrer Familie Personen, die unter Osteoporose leiden?
  • Gab es in Ihrer Familie Fälle von Hüftfrakturen oder anderen Knochenbrüchen ohne adäquates Trauma (ohne Unfall oder starke Belastung)?

Soziale Anamnese

  • Welchen Beruf üben Sie aus?
  • Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen oder Belastungen aufgrund Ihrer familiären Situation?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Haben Sie Schmerzen?
    • Falls ja: Sind die Schmerzen nach einem leichten Sturz aufgetreten oder spontan entstanden?
    • Wo sind die Schmerzen lokalisiert (z. B. Rücken, Hüfte, Handgelenk)?
    • Wie stark sind die Schmerzen auf einer Skala von 1 bis 10?
      • 0-2: kein/kaum Schmerz
      • 3-4: bei Ablenkung ist der Schmerz nicht mehr im Mittelpunkt
      • 5-6: Schmerz behindert Gehen, Ein- und Durchschlafen*
      • 7-8: Bedürfnis sich hinzulegen, Ablenkung nicht mehr möglich, gesamtes Denken kreist um den Schmerz*
      • 9-10: unaushaltbare, fürchterliche Schmerzen, der Patient "möchte schreien" oder schreit tatsächlich*
  • Ist Ihnen eine Minderung der Körpergröße aufgefallen? (Verlust von mehr als 4 cm könnte auf Wirbelkörperfrakturen hindeuten)
  • Haben Sie eine gebeugte Körperhaltung (Rundrücken oder Kyphose)?
  • Haben Sie häufiger Stürze oder Gleichgewichtsprobleme?
  • Haben Sie Muskelschmerzen, Muskelschwäche oder Muskelverhärtungen bemerkt?
  • Haben Sie Funktionseinschränkungen des Skeletts oder der Gelenke?
  • Haben Sie Knochenbrüche erlitten, obwohl es keinen größeren Unfall oder eine starke Belastung gab?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Sind Sie untergewichtig? Geben Sie bitte Ihr Körpergewicht (in kg) und Ihre Körpergröße (in cm) an.
  • Ernähren Sie sich ausgewogen?
  • Essen Sie ausreichend Lebensmittel, die Calcium enthalten (z. B. Milch und Milchprodukte)?
  • Essen Sie viele Lebensmittel mit einem hohen Anteil an Phosphaten, Oxalsäure (Mangold, Kakaopulver, Spinat, Rhabarber) und Phytinsäure/Phytaten (Getreide und Hülsenfrüchte)?
  • Nehmen Sie Vitamin-D-Supplemente ein?
  • Bewegen Sie sich täglich ausreichend?
  • Haben Sie längere Phasen körperlicher Inaktivität (z. B. Bettlägerigkeit) hinter sich?
  • In welchem Alter sind Sie in die Wechseljahre gekommen (bei Frauen)?
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welches Getränk bzw. welche Getränke und wie viele Gläser pro Tag?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Leiden Sie an Erkrankungen der Knochen oder Gelenke (z. B. Osteopenie, Osteoporose, Wirbelkörperfrakturen)?
    • Haben Sie Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus, Schilddrüsenfunktionsstörungen)?
    • Bestehen Darmerkrankungen (z. B. Morbus Crohn, Zöliakie), Lungenerkrankungen (z. B. chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD)), oder andere chronische Erkrankungen, die Ihre Knochengesundheit beeinflussen könnten?
  • Haben Sie in der Vergangenheit Operationen an der Wirbelsäule oder den Knochen gehabt?
  • Sind Ihnen Nahrungsmittelallergien bekannt (insbesondere Lactoseintoleranz, die eine ausreichende Calciumaufnahme erschwert)?
  • Schwangerschaften:
    • Haben Sie Schwangerschaften durchgemacht?
    • Wie verlief die postnatale Phase (Zeitraum nach der Geburt) (z. B. Calcium- und Vitamin-D-Mangel)?

Medikamentenanamnese

  • Aluminiumhaltige Medikamente
  • Antazida
    • Phosphathaltige Antazida
  • Antibiotika
    • Aminoglycoside (Neomycin)
    • Chloramphenicol
    • Sulfonamide
  • Antidepressiva
    • Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI)
  • Antidiabetika
    • Glitazone bei Frauen (Umstellung auf andere Antidiabetika)
  • Antikonvulsiva/Antiepileptika (Carbamazepin, Diazepam, Gabapentin, Lamotrigin, Lamictal, Levetiracetam, Phenobarbital, Phenytoin, Valproinsäure)
  • Antikoagulantien
    • Heparin – bei längerfristiger Therapie
    • Kumarinderivate (Vitamin-K-Antagonisten, VKA) [Langzeittherapie (> 12 Monate) mit einem Kumarinderivat ist ein unabhängiger Risikofaktor für osteoporotische Frakturen]
    • niedermolekulare Heparine (NMH) – Certoparin, Dalteparin, Enoxaparin, Nadroparin, Reviparin, Tinzaparin)
    • Schilddrüsenhormone
    • synthetische Heparin-Analoga (Fondaparinux)
    • unfraktioniertes Heparin (UFH)
  • Antivirale Therapie
    • Proteaseinhibitoren
  • Barbiturate
  • Benzodiazepine
  • Cortison
  • Dicumarol
  • Diuretika
    • Schleifendiuretika
  • Gallensäurenadsorbenz (Colestyramin)
  • Hormone
    • Antiandrogene (Cyproteronacetat (6-Chlor-1α,2α-methylen-17-acetoxy-pregna-4,6-dien-3,20-dion), Flutamid)
    • Antiöstrogene (Tamoxifen)
    • Aromatasehemmer (Anastrozol, Exemestan, Letrozol)
    • Glucocorticoide (Budenosid, Cortisol, Fluticason, Prednisolon) [Knochenverlust ist besonders hoch in den ersten 6-12 Monaten!; gilt sowohl für die oralen als auch für die inhalativen Steroide]
      Beachte: Auch unter topischen Corticosteroiden (TCS; Lokaltherapie mit Corticosteroiden) steigt dosisabhängig das Risiko für Osteoporose und osteoporosebedingte Frakturen (Knochenbrüche) [4].
    • Gonadotropin-releasing-Hormon-Agonisten und Antagonisten (GnRH-Antagonisten)
    • Hypophysenhormon-Hemmstoffe
    • Schilddrüsenhormone
    • Steroidtherapie – > 6 Monate 7,5 mg Prednisonäquivalent pro Tag
  • Immunsuppressiva – Ciclosporin (Cyclosporin A)
  • Laxantien
  • Lithium
  • Protonenpumpenhemmer (Protonenpumpeninhibitoren, PPI; Säureblocker) – Esomeprazol, Lansoprazol, Omeprazol, Pantoprazol, Rabeprazol; durch eine Hypochlorhydrie können Protonenpumpenhemmer die Calciumaufnahme verringern und somit eine Osteoporose verstärken, mit der Folge eines erhöhten Risikos für Schenkelhalsfrakturen [1])
  • Statine: ab einer Dosierung von 20 mg für Simvastatin, Atorvastatin und Rosuvastatin [3]
  • Thiazolidin [2]
  • Zytostatika
  • Langzeitnebenwirkungen einer Tumortherapie: tumortherapieinduzierte Osteoporose/Osteopenie (TTIO); einen Anteil an der Entwicklung einer TTI-Osteoporose können haben:
    • eine frühe therapieinduzierte Menopause (Zeitpunkt der letzten Regelblutung)
    • östrogensupprimierende Therapie beim Mammakarzinom (Brustkrebs)
    • androgensupprimierende Therapie beim Prostatakarzinom (Prostatakrebs)
    • längerfristige Steroidtherapie (Frakturrisiko (Knochenbruchrisiko) steigt mit Dosis und Dauer)
    • tumorassoziierte Kachexie (Auszehrung; starke Abmagerung) mit Muskelsubstanzverlust

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.

Literatur

  1. Yang YX et al.: Longterm proton pump inibitor therapy and risk of hip fracture. JAMA 296:2947-2953
  2. Meier C, Kraenzlin ME, Bodmer M, Jick SS, Jick H, Meier CR: Use of thiazolidinediones and fracture risk. Arch Intern Med. 2008 Apr 28;168(8):820-5
  3. Leutner M et al.: Diagnosis of osteoporosis in statin-treated patients is dose-dependent. Annals of the Rheumatic Diseases 2019;78(12) https://ard.bmj.com/content/early/2019/09/25/annrheumdis-2019-215714.
  4. Hsieh BJ et al.: Higher cumulative dose of topical corticosteroids is associated with osteoporosis and major osteoporotic fracture: A nationwide case–control study JEADV First published: 20 December 2023 https://doi.org/10.1111/jdv.19697