Oberarmbruch (Humerusfraktur) – Operative Therapie
In circa 20 % der Fälle ist eine operative Therapie erforderlich.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Achsabweichung > 45°
- Dislokation (Verschiebung) > 5 mm
- Luxationsfraktur (gelenknahe Fraktur, die mit einer Luxation mit Abscherung knorpeltragender Gelenkteile einhergeht)
- Offene Fraktur (offener Knochenbruch)
- Trümmerfrakturen – ggf. muss eine Schultergelenkendoprothese implantiert werden
- Begleitverletzungen
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Starke Osteoporose (Knochenschwund) mit unzureichender Implantatverankerung
- Schwerwiegende internistische Kontraindikationen für eine Operation
- Infektionen im Operationsgebiet
- Mangelnde Compliance (Therapietreue) des Patienten für postoperative Maßnahmen
Operationsverfahren
Osteosynthese
Operatives Verfahren zur Behandlung von Frakturen (Knochenbrüchen) und anderen Knochenverletzungen zur schnellen Wiederherstellung der vollen Funktionsfähigkeit. Dabei werden Implantate wie Schrauben oder Platten verwendet.
Geschlossene Reposition und aszendierende, meist unilaterale Nagelung
Standardverfahren bei proximalen Humerusfrakturen (Knochenbruch des körperstammnahen Anteils des Oberarmknochens). Hierbei wird der Knochen zunächst repositioniert und anschließend mit einem intramedullären Nagel (Marknagel zur Knochenstabilisierung) stabilisiert.
Gelenkprothese (künstliches Gelenk)
Bei schweren Frakturen, insbesondere bei Trümmerfrakturen (Brüche mit mehreren Knochenfragmenten) oder stark geschädigtem Gelenk, kann eine Schultergelenkendoprothese erforderlich sein.
Postoperative Nachsorge
- Immobilisation – Ruhigstellung durch Schlingenverband oder Orthese für 2-6 Wochen, je nach Stabilität der Versorgung
- Physiotherapie – Frühfunktionelle Behandlung zur Vermeidung von Bewegungseinschränkungen
- Schmerzmanagement – Medikamentöse Analgesie nach Bedarf
- Regelmäßige Röntgenkontrollen – Überprüfung der Heilung und der Implantatlage
- Vermeidung von Belastung – Graduelle Belastungssteigerung nach ärztlicher Anweisung
Mögliche Komplikationen
- Infektionen – Risiko einer postoperativen Wundinfektion
- Implantatversagen – Lockerung oder Bruch der eingesetzten Osteosynthesematerialien
- Pseudarthrose (Falschgelenkbildung) – Verzögerte oder fehlende Knochenheilung
- Gefäß- oder Nervenschäden – Verletzungen des N. axillaris oder A. circumflexa humeri
- Schultersteife – Bewegungseinschränkung durch Verklebungen oder Vernarbungen
Vergleich der Operationsmethoden
Methode | Technik | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Osteosynthese | Schrauben oder Plattenfixation | Hohe Stabilität, anatomische Rekonstruktion möglich | Infektionsrisiko, mögliche Implantatlockerung |
Nagelung | Intramedulläre Stabilisation | Minimalinvasiv, geringere Weichteilschädigung | Ggf. schlechtere Rotationstabilität |
Gelenkprothese | Endoprothetischer Gelenkersatz | Gute Funktionsergebnisse bei irreparablen Frakturen | Längere Rehabilitationszeit, Prothesenverschleiß |
Weitere Hinweise
- Plattenosteosynthese versus intramedullärer Nagelung: Plattenosteosynthese war mit einer schnelleren funktionellen Heilung, insbesondere der Schulter, sowie weniger implantatbezogenen Komplikationen und Schmerzen sowie weniger erneuten Operationen verbunden als die Nagelung [4].
- Eine längerfristige Ruhigstellung sollte wegen der Gefahr der Schultersteife vermieden werden! Als kurzfristige Ruhigstellung gilt ein Zeitraum von ein bis 2 Wochen mit anschließender Physiotherapie.
- In einer Studie (Durchschnittsalter ca. 66 Jahre) konnte nachgewiesen werden, dass die operative Versorgung einer dislozierten proximalen Humerusfraktur (Knochenbruch des Oberarmknochen) keine besseren Ergebnisse erzielt als eine konservative Behandlung [1].
Proximalen Humerusfrakturen treten bevorzugt in der älteren Population auf. Frauen sind ca. zwei- bis dreimal häufiger betroffen als Männer. - Bei älteren Patienten heilen dislozierte Oberarmkopffrakturen unter einer konservativen Behandlung genauso gut wie nach einer operativen Versorgung mit einer Philos-Platte [2].
Hinweis: Oberarmkopffrakturen sind die dritthäufigsten Frakturen bei Patienten über 60 Jahren. - Eine proximale Humerusfraktur (Oberarmkopffraktur): Ein Cochrane Review fasst die Evidenz aus 47 Studien mit mehr als 3.000 Patienten zu verschiedenen Therapieansätzen für unterschiedliche Typen von proximalen Humerusfrakturen zusammen [3]:
- für stärker dislozierte klassische Oberarmkopffrakturen zeigt die Evidenz keinen Vorteil einer Operation gegenüber einer konservativen Behandlung
- eine einmal operierte Oberarmkopffraktur führt mit höherer Wahrscheinlichkeit zu Folgeoperationen.
- Patienten mit einer geschlossenen Humerusschaftfraktur haben nach einer Orthesenversorgung ein langfristig vergleichbares Fünf-Jahres-Ergebnis nach einer operativen Osteosynthese [5].
Fazit
Die Wahl des operativen Verfahrens bei einer Humerusfraktur richtet sich nach der Frakturform, dem Alter des Patienten sowie begleitenden Faktoren. Während eine Osteosynthese häufig bei einfachen Frakturen Anwendung findet, ist eine Gelenkprothese insbesondere bei Trümmerfrakturen oder fortgeschrittener Gelenkschädigung indiziert. Eine sorgfältige postoperative Betreuung ist essenziell, um Komplikationen zu vermeiden und die volle Funktionalität des Arms wiederherzustellen.
Literatur
- Rangan A et al.: Surgical vs Nonsurgical Treatment of Adults With Displaced Fractures of the Proximal Humerus. The PROFHER Randomized Clinical Trial. JAMA. 2015;313(10):1037-1047. doi:10.1001/jama.2015.1629.
- Launonen AP et al.: Operative versus non-operative treatment for 2-part proximal humerus fracture: A multicenter randomized controlled trial PLOS Medicine Published: July 18, 2019 https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1002855
- Handoll HHG, Elliott J, Thillemann TM, Aluko P, Brorson S: Interventions for treating proximal humeral fractures in adults. Cochrane Database of Systematic Reviews 2022, Issue 6. Art. No.: CD000434. doi: 10.1002/14651858.CD000434.pub5.
- Hartog D et al.: Functional and Clinical Outcomes After Plate Osteosynthesis Versus Intramedullary Nailing of a Humeral Shaft Fracture The Results of the HUMMER Multicenter, Prospective Cohort Study The Journal of Bone and Joint Surgery 105(14):p 1101-1111, July 19, 2023. doi: 10.2106/JBJS.22.00647
- Rämö L et al.: Five-Year Follow-Up of Surgery vs Functional Bracing for Closed Displaced Humeral Shaft Fractures JAMA. Published online March 4, 2024. doi:10.1001/jama.2024.2671