Morbus Bechterew – Körperliche Untersuchung
Eine umfassende klinische Untersuchung ist die Grundlage für die Auswahl der weiteren diagnostischen Schritte:
- Allgemeine körperliche Untersuchung – inklusive Blutdruck, Puls, Körpertemperatur, Körpergewicht, Körpergröße; des Weiteren:
- Inspektion (Betrachtung)
- Haut (Normal: intakt; Schürfungen/Wunden, Rötungen, Hämatome (Blutergüsse), Narben) und Schleimhäute
- Gangbild (flüssig, hinkend)
- Körper- bzw. Gelenkhaltung (aufrecht, gebeugt, Schonhaltung) [Rundrückenbildung; verstärkte HWS-Lordose und BWS-Kyphose]
- Fehlhaltungen [Deformitäten, Kontrakturen, Verkürzungen]
- Muskelatrophien (Seitenvergleich!, ggf. Umfangmessungen)
- Gelenk [Schürfungen/Wunden, Schwellung (Tumor), Rötung (Rubor), Überwärmung (Calor); Verletzungshinweise wie Hämatombildung, arthrotische Gelenksverklumpung, Beinachsenbeurteilung]
- Palpation (Abtasten) der Wirbelkörper, Sehnen, Ligamente; Muskulatur (Tonus, Druckschmerz, Kontrakturen der paraverebralen Muskulatur); Weichteilschwellungen; Druckschmerzhaftigkeit (Lokalisation!); eingeschränkte Beweglichkeit (Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule); "Klopfzeichen" (Testung der Schmerzhaftigkeit der Dornfortsätze, Querfortsätze sowie der Kostotransversalgelenke (Wirbel-Rippen-Gelenke) und der Rückenmuskulatur); Illiosakralgelenken (Kreuzbein-Darmbein-Gelenk) (Druck- und Klopfschmerzen?; Kompressionschmerzen, von vorne, von der Seite oder von saggital); Hyper- oder Hypomobilität? [Bewegungsempfindlichkeit der Wirbelsäule; Erschütterungsempfindlichkeit der Wirbelsäule; Knochendruckschmerz, vor allem an den Beckenkämmen und den Dornfortsätzen]
Nachweis einer Sakroiliitis (entzündliche, zerstörerische Veränderung der Gelenke zwischen Kreuzbein und Darmbein) durch den Mennell-Handgriff: Der Patient liegt in Bauchlage. Der Untersucher fixiert mit der Hand Kreuzbein und Becken und überstreckt anschließend den Oberschenkel nach dorsal (rückenwärts"). Werden dabei Schmerzen angegeben, spricht man von einem positiven Mennell-Zeichen, d.h. es liegt vermutlich eine Sakroiliitis vor. Ein negatives Zeichen schließt Schäden des Iliosakralgelenkes nicht aus. - Palpation der Gelenke [Arthritis (Gelenkentzündung) der Schulter-/Hüftgelenke ‒ tritt bei bis zu 35 % der Betroffenen auf; Arthritis (Gelenkentzündung) stammferner Gelenke (= periphere Arthritis* und/oder Fersenschmerz) ‒ tritt in bis zu 30 % der Fälle auf; *Asymmetrische Synovitis (Gelenkinnenhautentzündung) vorwiegend an der unteren Extremität (besonders Knie-, Sprunggelenk)]
- Messung der Gelenkbeweglichkeit und des Bewegungsumfangs des Gelenkes
(gemäß der Neutral-Null-Methode: Die Bewegungsfreiheit wird als maximale Auslenkung des Gelenkes aus der Neutralstellung in Winkelgraden angegeben, wobei die Neutralstellung mit 0° bezeichnet wird. Ausgangslage ist die „Neutrale Position“: Der Mensch steht aufrecht, dabei sind die Arme nach unten hängend entspannt, die Daumen nach vorn gerichtet und die Füße stehen parallel. Die anliegenden Winkel werden als Null-Stellung definiert. Standard ist, dass zuerst der Wert vom Körper weg angegeben wird.)
Durch Vergleichsmessungen mit dem kontralateralen Gelenk (Seitenvergleich) können bereits geringe Seitendifferenzen aufgedeckt werden. - Funktionsprüfungen
- Finger-Boden-Abstand (FBA): Einschätzung der Gesamtbeweglichkeit von Wirbelsäule, Hüfte und Becken. Dazu wird der Abstand zwischen Boden und Fingerspitzen bei maximaler Vornüberbeugung gemessen, wobei die Knie durchgestreckt bleiben sollten. Normalbefund: FBA 0-10 cm
- Ott-Zeichen: Überprüfung der Beweglichkeit der Brustwirbelsäule (BWS). Zu diesem Zwecke wird am stehenden Patienten eine Hautmarke über dem Dornfortsatz des siebten Halswirbels (C7, HWK 7) und 30 cm weiter nach kaudal (unten) aufgetragen. Die Änderungen der Messstrecke bei Flexion (Beugung) werden festgehalten. Normalbefund: 3-4 cm.
- Schober-Zeichen: Überprüfung der Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule (LWS). Zu diesem Zweck wird am stehenden Patienten eine Hautmarke über dem Dornfortsatz von S1 und 10 cm weiter nach kranial (oben) aufgetragen. Bei maximaler Flexion (nach Vornebeugung) weichen die Hautmarken normalerweise um 5 cm auseinander, bei Retroflexion (nach Hintenbeugung) verringert sich der Abstand um 1-2 cm.
- Ischialgiformer Schmerz (oder positives Mennel-Zeichen – bei ruckartiger Überstreckung des gestreckten Beines des Patienten, der in Bauch- oder Seitenlage liegt, im Iliosakralgelenk (ISG). Werden dabei Schmerzen angegeben, spricht man von einem positiven Mennell-Zeichen. Ein negatives Zeichen schließt Schäden des Iliosakralgelenkes nicht aus)
- Weitere Test:
Messung der Thorax-Atemexkursion (mittels Messband): Eingeschränkte Atembreite in Höhe des 4. Interkostalraumes (Unterschied zwischen Inspiration und Expiration meist weniger als 2 cm) - Hinterkopf-Wand-Abstand: wenn der Patient mit dem Rücken an der Wand steht [bei Morbus Bechterew wg. Rundrückenbildung immer pathologisch]
- Inspektion (Betrachtung)
- Ggf. augenärztliche Untersuchung [wg. Symptom: Uveitis (Entzündung der mittleren Augenhaut, die aus der Aderhaut (Choroidea), dem Strahlenkörper (Corpus ciliare) und der Regenbogenhaut (Iris) besteht)]
- Gesundheitscheck
In eckigen Klammern [ ] wird auf mögliche pathologische (krankhafte) körperliche Befunde hingewiesen.