Luxation, Verstauchung und Zerrung der Gelenke und Bänder in Höhe des oberen Sprunggelenkes und des Fußes – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Sprunggelenkverletzungen gehören zu den häufigsten Verletzungen des Bewegungsapparates und betreffen vor allem den lateralen Bandapparat, insbesondere das Ligamentum fibulotalare anterius. Innenbandverletzungen (Deltabandkomplex) sind seltener. Zu den häufigsten Verletzungsformen zählen Verstauchungen (Distorsion), Zerrungen und Luxationen. Die Verletzungen treten meist in Verbindung mit Sportarten auf, die schnelle Richtungswechsel und abrupte Stoppbewegungen erfordern.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
Initialer Pathomechanismus:
- Trauma-bedingte Überdehnung: Eine abrupte Drehbewegung oder ein Umknicken des Fußes führt zu einer Überdehnung des Bandapparates, was zu Mikrorissen oder einer vollständigen Zerreißung der Bänder führen kann.
- Dislozierende Kräfte bei Luxationen: Starke mechanische Kräfte, wie z. B. bei einem Sturz, führen zur vollständigen Dislokation (Ausrenkung) des Gelenks aus der Gelenkkapsel.
Molekulare und zelluläre Veränderungen:
- Entzündungsreaktionen: Nach einer Bänderverletzung setzen entzündliche Zytokine (z. B. IL-1, TNF-α) ein, die das betroffene Gewebe reizen und Schwellungen verursachen.
- Matrixabbau: Wiederholte Traumata können zu einem erhöhten Abbau der extrazellulären Matrix führen, was die mechanische Stabilität des Bandgewebes verringert und die Heilung beeinträchtigt.
Entwicklung struktureller Veränderungen:
- Bandruptur: Infolge von Überdehnung kann es zu einer vollständigen Ruptur eines oder mehrerer Bänder kommen, besonders häufig des Ligamentum fibulotalare anterius.
- Kapsel-Band-Zerreißungen bei Luxationen: Luxationen führen zu erheblichen Schäden an den Bandstrukturen und der Gelenkkapsel.
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
Veränderungen in der Gewebsarchitektur:
- Narbenbildung und Fibrosierung: Im Verlauf der Heilung kann es zur Bildung von Narbengewebe kommen, was die Elastizität und Funktionalität der Bänder beeinträchtigt.
- Veränderungen der Gelenkkapsel: Wiederholte Verletzungen führen zu Verdickungen der Gelenkkapsel und einer eingeschränkten Gelenkbeweglichkeit.
Beteiligung des umgebenden Gewebes:
- Schädigung periartikulärer Strukturen: Wiederholte Traumata oder chronische Überbelastung führen zur Beteiligung der umliegenden Sehnen, Muskeln und Faszien.
- Instabilität des Sprunggelenks: Durch die Schädigung der Bänder kann es zu einer chronischen Instabilität des Sprunggelenks kommen, was das Risiko erneuter Verletzungen erhöht.
Vaskuläre Veränderungen:
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Gefäßschädigungen: Schwere Traumata können auch Blutgefäße im Bereich des Gelenks beschädigen, was zu Blutergüssen und einem verzögerten Heilungsprozess führt.
Klinische Manifestation
Leitsymptome:
- Akuter Schmerz: Sofort nach der Verletzung tritt ein starker, stechender Schmerz im Bereich des Sprunggelenks auf.
- Schwellung und Hämatom: Innerhalb kurzer Zeit entsteht eine Schwellung, begleitet von Blutergüssen, vor allem bei Rupturen oder Luxationen.
- Bewegungseinschränkung: Das Gelenk verliert sofort an Stabilität, und die Bewegung, insbesondere das Abrollen des Fußes, ist stark eingeschränkt.
Fortgeschrittene Symptome:
- Chronische Instabilität: Bei unzureichender Heilung oder wiederholten Verletzungen kann eine dauerhafte Instabilität des Sprunggelenks auftreten.
- Schmerzen bei Belastung: Wiederholte Belastung kann zu einem Schmerzrückfall führen, insbesondere bei sportlicher Aktivität oder langem Stehen.
Progression und Organbeteiligung
Lokale Gewebeveränderungen:
- Veränderungen der Bänder und Kapseln: Die chronische Überlastung kann zu dauerhaften Veränderungen der Bänder und der Gelenkkapsel führen, was die Funktionalität des Gelenks stark einschränkt.
- Degeneration des Knorpels: Langfristige Instabilität kann auch zu einer Degeneration des Knorpels führen, was das Risiko einer Arthrose erhöht.
Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:
-
Chronische Schmerzsyndrome: Wiederkehrende Schmerzen können zu einer Schonhaltung führen, was langfristig zu einer Fehlbelastung des gesamten Bewegungsapparates führt.
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaften:
- Instabilität: Die mechanische Funktion des Sprunggelenks ist stark beeinträchtigt, was das Risiko für erneute Verletzungen erhöht.
- Bewegungseinschränkungen: Der vollständige Bewegungsumfang des Sprunggelenks ist durch die Narbenbildung und die Deformation der Gelenkstrukturen eingeschränkt.
Schmerzentstehung:
- Mechanischer Schmerz: Der mechanische Schmerz entsteht durch die direkte Schädigung der Bänder und das Reiben der verletzten Strukturen aneinander.
- Entzündlicher Schmerz: Eine entzündliche Komponente ist durch die Freisetzung von Zytokinen nach der Verletzung bedingt.
Regenerative und kompensatorische Prozesse
Versuche der Geweberegeneration:
- Narbenbildung: Der Körper versucht, die verletzten Bänder durch die Bildung von Narbengewebe zu reparieren, was jedoch die Funktionalität der Strukturen verringert.
- Verkalkung: In einigen Fällen kann es zu Verkalkungen in den verletzten Strukturen kommen, was die Beweglichkeit weiter einschränkt.
Kompensatorische Anpassungsmechanismen:
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Muskuläre Kompensation: Die umliegenden Muskeln können versuchen, die Instabilität des Gelenks zu kompensieren, was jedoch zu Überlastung und Verletzungen der Muskulatur führen kann.
Limitierende Faktoren für Regeneration und Heilung:
- Chronische Instabilität: Wiederholte Verletzungen oder unzureichende Behandlung können die Heilung behindern und zu einer chronischen Instabilität führen.
- Ungenügende Durchblutung: Eine schlechte Durchblutung des Bandgewebes kann die Regeneration verzögern.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Sprunggelenkverletzungen betreffen vor allem den lateralen Bandapparat und entstehen häufig durch Traumata oder sportliche Überlastung. Die Pathogenese umfasst mechanische Überbelastung, entzündliche Prozesse und strukturelle Veränderungen, die zu Instabilität und langfristigen Funktionsverlusten führen können. Eine frühzeitige und angemessene Therapie ist entscheidend, um chronische Instabilitäten zu verhindern und die volle Beweglichkeit des Sprunggelenks wiederherzustellen.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung, die zu Fehlbildungen im Bereich des Bewegungsapparates führt
Verhaltensbedingte Ursachen
- Risikosportarten
- Sportarten wie Basketball, Fußball und Volleyball, die schnelle Richtungswechsel, Sprünge und Landungen erfordern, erhöhen das Risiko für Verletzungen des Sprunggelenks und Fußes.
- Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)*
- Ein erhöhter Body-Mass-Index führt zu einer höheren Belastung des Sprunggelenks und des Fußes, was die Wahrscheinlichkeit von Verstauchungen und Zerrungen steigert.
Krankheitsbezogene Ursachen
- Rückfußvarus*
Weitere Ursachen*
- Beschleunigte konzentrische Kraft der Plantarflexoren im oberen Sprunggelenk (OSG)
- Verlangsamte Reaktionszeit der Sehne des M. peronaeus brevis
- Erschwerte propriozeptive Wahrnehmung (kinästhetische Wahrnehmung; Tiefensensibilität) der Inversion** im Sprunggelenk
*Prädispositionsfaktoren für eine OSG-Distorsion (OSG-Stauchung) [1]
*Kombinationsbewegung aus Supination (Hebung des inneren Fußrandes bei gleichzeitiger Senkung des äußeren), Adduktion (Abspreizen von der Körpermitte weg) und Plantarflexion des Fußes (Bewegung des Fußes im Sprunggelenk in Richtung Fußsohle)
Literatur
- Roemer FW, Jomaah N, Niu J et al.: Ligamentous injuries and the risk of associated tissue damage in acute ankle sprains in athletes: a cross-sectional MRI study. Am J Sports Med 2014 Jul;42(7):1549-57. doi: 10.1177/0363546514529643. Epub 2014 Apr 21.