Knochenmarkentzündung (Osteomyelitis) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Osteomyelitis ist eine Entzündung des Knochenmarks, die häufig durch eine bakterielle Infektion verursacht wird. In ca. 80 % der Fälle tritt sie nach Traumata oder Operationen (exogene Form) auf, während ca. 20 % auf eine hämatogene Streuung ("auf dem Blutwege") von Erregern aus einem anderen Entzündungsherd (endogene Form) zurückzuführen ist. Neben Bakterien können auch Viren und Pilze als Erreger infrage kommen.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
- Initialer Pathomechanismus:
- Exogene Infektion: Nach Verletzungen oder Operationen dringen Erreger über äußere Wunden in den Knochen ein.
- Endogene Infektion: Bakterien aus einem bestehenden Entzündungsherd streuen über den Blutweg in den Knochen.
- Molekulare und zelluläre Veränderungen:
- Biofilmbildung: Die Erreger, meist Staphylococcus aureus, besiedeln avitales (abgestorbenes) Gewebe und nekrotischen Knochen und bilden einen Biofilm, der sie vor Immunzellen und Antibiotika schützt.
- Zerstörung von Knochengewebe: Die Ansiedlung der Erreger führt zu einer Nekrose (Absterben) des Knochengewebes, was die Heilung erschwert.
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
- Veränderungen in der Gewebsarchitektur:
- Avitales Gewebe und Nekrose: Die Entzündung führt zur Ansammlung abgestorbenen Gewebes, was die Regeneration des Knochens behindert.
- Beteiligung des umgebenden Gewebes:
- Ausbreitung der Infektion: Die Entzündung kann auf umliegendes Gewebe übergreifen, einschließlich der Knochenhaut (Periost) und der Weichteile.
Klinische Manifestation
- Leitsymptome:
- Schmerzen im betroffenen Bereich, Schwellung und Überwärmung.
- Fortgeschrittene Symptome:
- Fieber, eitrige Sekretion und allgemeine Krankheitszeichen bei systemischen Infektionen.
- Kinder unter drei Monaten: Bei Osteomyelitis oder septischer Arthritis sind in ca. 50 % der Fälle Streptococcus agalactiae die Erreger, gefolgt von Staphylococcus aureus (22 %) und Escherichia coli (18 %) [1].
Progression und Organbeteiligung
- Lokale Gewebeveränderungen:
- Der fortschreitende Verlust von Knochengewebe durch die Entzündung führt zu einer verminderten Stabilität des Knochens und einer vermehrten Neigung zu Frakturen.
- Chronische Entzündungsprozesse können zu irreversiblen Gewebeschäden und Deformitäten des betroffenen Knochens führen.
- Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:
- Sepsis: Eine unbehandelte oder schwerwiegende Osteomyelitis kann in den systemischen Kreislauf übertreten und eine Sepsis (Blutvergiftung) auslösen, die lebensbedrohlich sein kann.
- Ausbreitung der Infektion: Die Infektion kann durch den Blutstrom in andere Organe gelangen, was zu weiteren Komplikationen wie Organversagen führen kann.
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
- Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaften:
- Der betroffene Knochen verliert seine strukturelle Integrität, was das Risiko von Frakturen erhöht und die Funktion des betroffenen Körperteils beeinträchtigt.
- Schmerzentstehung:
- Mechanischer Schmerz aufgrund der Infektion und Entzündung des Knochengewebes.
- Entzündliche Schmerzen, die durch die Immunreaktion des Körpers verursacht werden.
Regenerative und kompensatorische Prozesse
- Versuche der Geweberegeneration:
- Der Körper versucht, das geschädigte Knochengewebe zu reparieren, jedoch wird dies durch die fortlaufende Entzündung und die Biofilmbildung der Bakterien erschwert.
- Limitierende Faktoren für Regeneration und Heilung:
- Chronische Infektionen, Biofilmbildung und avitales Gewebe behindern den natürlichen Heilungsprozess des Körpers und führen zu einer langwierigen oder unvollständigen Regeneration.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Die Osteomyelitis stellt eine ernsthafte Knocheninfektion dar, die häufig nach Verletzungen oder Operationen auftritt. Sie wird durch Bakterien wie Staphylococcus aureus verursacht, aber auch Viren und Pilze können beteiligt sein. Bei Kindern unter drei Monaten sind Streptococcus agalactiae, Staphylococcus aureus und Escherichia coli häufige Erreger. Die Infektion führt zu Nekrose und chronischen Entzündungen, was die Regeneration des Knochens behindert und zu einer erheblichen Schwächung des betroffenen Gewebes führen kann. Ohne Behandlung besteht die Gefahr von Sepsis und schwerwiegenden systemischen Komplikationen.
Ätiologie (Ursachen)
Krankheitsbedingte Ursachen
Infektiöse und parasitäre Krankheiten (A00-B99)
- Bestehende Entzündungsherde, die zu einer hämatogen Bakteriämie (Erregeraussaat über die Blutbahn) führen können
Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)
- Verletzungen mit Hautbeteiligung
Weitere Ursachen
- Operationen an den Knochen
Systemische Risikofaktoren
- Alter
- Alte Menschen – Höheres Risiko aufgrund von Alterungsprozessen, die die Immunabwehr und Knochenregeneration beeinträchtigen.
- Neugeborene – Besondere Vulnerabilität durch unreifes Immunsystem und erhöhte Infektionsanfälligkeit.
- Ernährung
- Malnutrition (Mangelernährung) – Eine unzureichende Versorgung mit Nährstoffen schwächt das Immunsystem und die Wundheilung.
- Genussmittelkonsum
- Tabak (Rauchen) – Rauchen beeinträchtigt die Durchblutung und fördert chronische Infektionen, was die Entstehung einer Osteomyelitis begünstigt.
- Chronische Erkrankungen
- Bösartige Neubildungen – Reduzierte Immunabwehr durch Krebs oder dessen Therapie erhöht das Infektionsrisiko.
- Diabetes mellitus – Gestörte Immunantwort und Wundheilung fördern die Entstehung von Infektionen, insbesondere bei diabetischem Fußsyndrom.
- Immunstörungen – Verschiedene Formen der Immunschwäche erhöhen das Risiko für systemische Infektionen.
- Leberinsuffizienz (Leberfunktionsstörung) – Beeinträchtigung der Entgiftungsfunktion schwächt das Immunsystem.
- Niereninsuffizienz – Reduzierte Nierenfunktion kann das Risiko für Infektionen erhöhen.
- Respiratorische Insuffizienz – Chronische Sauerstoffunterversorgung schwächt die Organfunktionen und die Immunantwort.
- Medikamenteninduzierte Immunsuppression
- Chemotherapie – Reduzierte Immunabwehr durch Zytostatika erhöht die Anfälligkeit für Infektionen.
Lokale Risikofaktoren
- Gewebeschädigungen
- Ausgedehnte Narbenbildung – Narbengewebe ist schlecht durchblutet und anfälliger für Infektionen.
- Chronisches Lymphödem – Führt zu Stauungen und erhöhtem Infektionsrisiko in der betroffenen Region.
- Chronische venöse Insuffizienz (CVI) – Gestörter venöser Rückfluss begünstigt Wundheilungsstörungen und Infektionen.
- Gefäßerkrankungen
- Makroangiopathie – Durchblutungsstörungen der großen Arterien fördern Gewebeschäden und Infektionen.
- Vaskulitis – Gefäßentzündungen kleiner Gefäße erhöhen das Risiko für lokale Infektionen.
- Neuropathien
- Neuropathie – Sensibilitätsstörungen erhöhen das Risiko für nicht erkannte Verletzungen, die Infektionsherde bilden können.
- Strahlenbedingte Veränderungen
- Strahlenfibrose – Schlecht heilendes Gewebe durch strahleninduzierte Veränderungen ist anfälliger für Infektionen.
Literatur
- Mediamolle N et al.: Bone and joint infections in infants under three months of age. Acta Paediatr. 2018; online 6. Sept. 2018 https://doi.org/10.1111/apa.14569