Knochenbruch (Fraktur) – Klassifikation
Eine gängige Klassifikation der Knochenfraktur ist die AO-Klassifikation (auch Müller-Klassifikation; AO – Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen). Das System dient der Beschreibung der Lokalisation sowie die Beschaffenheit von Frakturen. Zu diesem Zweck wird ein Code anhand der Klassifikation erstellt:
Frakturlokalisation – Nummerierung der Körperregion
- Humerus [Oberarmknochen]
- Radius (Speiche) und Ulna (Elle) [Unterarmknochen]
- Femur (Oberschenkelknochen) und Patella (Kniescheibe)
- Tibia (Schienbein) und Fibula (Wadenbein)
- Wirbelsäule
- Pelvis (Becken)
- Hand
- Fuß
- Schädel und Unterkiefer
Frakturlokalisation – Positionierung der Fraktur im Knochensegment
- proximal (lat. proximus = der Nächste; "näher zur Körpermitte hin" oder "näher gelegen")
- diaphysär (das Mittelstück des Röhrenknochens (Diaphyse) betreffend)
- distal (lat. distare = sich entfernen; "weiter von der Körpermitte" oder "entfernt" gelegen); 0,4 % aller Frakturen und 3 % der Femurfrakturen
- malleolär (den Knöchel betreffend)
Bewertung der Fraktur – Komplexität
- einfache oder extraartikuläre (außerhalb des Gelenks) Fraktur
- Keilfraktur oder partielle Gelenkbeteiligung
- komplexe Fraktur oder vollständige Gelenkfraktur
Genauere Beurteilung der Schwere der Verletzung
- leicht
- mittel
- schwer
Die AO-Klassifikation ermöglicht ebenfalls die Einteilung der Begleitverletzungen mit Beschreibung des Hautschadens (I), der Muskulatur und Sehnenverletzungen (MT), sowie der Nerven- und Gefäßverletzungen (NV).
Hautverletzung bei geschlossener Fraktur:
- IC1: keine Hautverletzung
- IC2: Kontusion (Quetschung; Prellung; Schädigung von Organen, Gewebebereichen oder Körperteilen durch direkte, stumpfe Gewalt von außen ohne sichtbare Verletzungen der Haut) ohne Hauteröffnung
- IC3: umschriebenes Decollement (Trennung der Haut vom Subkutangewebe (Unterhautfettgewebe) und/oder den Muskelfaszien durch äußere Gewalteinwirkung)
- IC4: ausgedehntes, geschlossenes Decollement
- IC5: Nekrose (Gewebeschäden, die durch das Absterben von Zellen entstehen) durch tiefe Kontusion
Hautverletzung bei offener Fraktur:
- IO1: Hautdurchspießung von innen nach außen
- IO2: Hautdurchspießung von außen < 5 cm mit kontusionierten Rändern
- IO3: Hautläsion > 5 cm, umschriebenes Decollement mit Randkontusion
- IO4: Hautverlust, tiefe Kontusion, Schürfung
- IO5: ausgedehntes Decollement
Muskel- und Sehnenverletzungen:
- MT1: Keine Verletzung
- MT2: umschriebene Muskelverletzung (auf eine Muskelgruppe beschränkt)
- MT3: ausgedehnte Muskelbeteiligung (in 2 oder mehr Muskelgruppen)
- MT4: Ausriss oder Verlust ganzer Muskelgruppen, Sehnendurchtrennungen
- MT5: Logen- oder Crush-Syndrom (Logen-Syndrom: Synonym: Zustand, in welchem bei geschlossenem Haut- und Weichteilmantel ein erhöhter Gewebedruck zur Verminderung der Gewebeperfusion (Gewebedurchblutung) führt, woraus neuromuskuläre Störungen oder Gewebe- und Organschädigungen entstehen; durch den erhöhten Druck in den Muskellogen des Unterarms oder Unterschenkels (deshalb hier auch die Bezeichnung Logen-Syndrom) entstehen Schäden an den Nerven, Blutgefäßen und Muskeln; Crush-Syndrom: Muskelzerfall kann als Crush-Syndrom durch äußere Einflüsse als Folge einer Verletzung oder Quetschung großer Muskelanteile)
Neurovaskuläre Verletzungen (Nerv-Gefäß-Verletzungen):
- NV1: keine Verletzung
- NV2: isolierte Nervenläsion (Nervenverletzung)
- NV3: umschriebene Gefäßverletzung
- NV4: kombinierte neurovaskuläre Verletzung
- NV5: Subtotal-, Totalamputation (Abtrennung eines Körperteil, unvollständig bzw. vollständig)