Knieschmerzen (Gonalgie) – Einleitung

Knieschmerzen, medizinisch als Gonalgie bezeichnet, betreffen das größte Gelenk im menschlichen Körper und resultieren häufig aus funktionellen oder morphologischen Veränderungen in verschiedenen Strukturen des Kniegelenks.

Synonyme und ICD-10: ICD-10-GM M25.56: Gelenkschmerz, Unterschenkel, Kniegelenk

Anatomische Strukturen

  • Knochen und Knorpelkompartimente: Femurkondylen (Oberschenkelknochen), Tibiakopf (Schienbeinkopf), Fibulaköpfchen (Wadenbeinköpfchen), Patella (Kniescheibe)
  • Bandapparat: Vorderes und hinteres Kreuzband (Ligamenta cruciata genus), mediales und laterales Kollateralband (Innen- und Außenband), Patellarsehne (Ligamentum patellae)
  • Menisken: Innen- und Außenmeniskus (Knorpelscheiben)
  • Synovia: Gelenkinnenhaut
  • Periartikulärer Sehnen- und Muskelapparat: Einschließlich Schleimbeutel
  • Bindegewebe und Haut

Das Kniegelenk ist besonders stark belastet und anfällig für Schmerzen aufgrund seiner komplexen Struktur und der täglichen Beanspruchung.

Formen der Gonalgie

  • Anlaufschmerzen: Treten beim Beginn der Aktivität auf; typisch bei degenerativen Gelenkerkrankungen wie Arthrose.
  • Nachtschmerzen bzw. Ruheschmerzen: Vor allem bei entzündlichen Erkrankungen der Gelenke oder bei Überlastung degenerativ veränderter Gelenke.
  • Belastungsschmerzen: Treten nur bei Belastung des Gelenkes auf, während in Ruhe kein Schmerz spürbar ist; häufig bei traumatischen Läsionen, entzündlichen oder degenerativen Veränderungen.

Knieschmerzen können akut oder chronisch sein und variieren in ihrer Intensität und Dauer je nach zugrundeliegender Ursache.

Häufige Ursachen

Knieschmerzen können Symptom vieler Erkrankungen sein. Eine detaillierte Differentialdiagnose ist erforderlich, um die genaue Ursache zu bestimmen. Die häufigste Ursache für Kniegelenkschmerzen – insbesondere bei älteren Patienten – ist die Gonarthrose (degenerative Gelenkerkrankung des Kniegelenks).

Differentialdiagnosen 

  • Traumatische Ursachen
    • Frakturen: Z. B. Femur (Oberschenkelknochen), Tibia (Schienbein), Patella (Kniescheibe)
    • Bandrupturen: Vorderes/hinteres Kreuzband, mediales/laterales Kollateralband (Innen- und Außenband)
    • Meniskusläsionen: Verletzungen der Knorpelscheiben
    • Patellaluxation oder -subluxation: Verrenkung oder teilweise Verrenkung der Kniescheibe
  • Degenerative Ursachen
    • Gonarthrose: Degenerative Gelenkerkrankung des Kniegelenks
    • Chondromalacia patellae: Knorpelerweichung der Kniescheibe
    • Meniskusdegeneration: Altersbedingter Verschleiß der Knorpelscheiben
  • Entzündliche Ursachen
    • Rheumatoide Arthritis: Chronische Gelenkentzündung
    • Gichtarthritis: Gelenkentzündung durch Harnsäurekristalle
    • Infektiöse Arthritis: Gelenkentzündung durch Infektion
  • Andere Ursachen
    • Bursitis: Schleimbeutelentzündung
    • Tendinitis: Sehnenentzündung
    • Plica-Syndrom: Reizung einer Schleimhautfalte im Kniegelenk
    • Patellofemorales Schmerzsyndrom: Schmerzen im vorderen Bereich des Kniegelenks

Knieschmerzen können Symptom vieler Erkrankungen sein (siehe unter “Differentialdiagnosen“ [Kniegelenkbeschwerden in verschiedenen Altersgruppen]). 

Epidemiologie

Häufigkeitsgipfel: Mit steigendem Alter steigt auch die Zahl der von Knieschmerzen betroffenen Personen. Hier ist die Ursache in der Regel eine degenerative (abnutzungsbedingte) Gelenkerkrankung.

Auch jüngere Menschen leiden unter Knieschmerzen. Diese sind dann meist traumatisch bedingt (z. B. Sportverletzungen).

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) der Berufstätigen für Knieschmerzen wird mit 54 % angegeben (Deutschland) [2].
Laut einer Studie des Robert Koch-Instituts gaben 17,3 % der Frauen und 15,1 % der Männer in Deutschland an, innerhalb der vergangenen 12 Monate Knieschmerzen gehabt zu haben [3].

Verlauf und Prognose

Verlauf

Knieschmerzen können sich je nach Ursache und Art der Belastung unterschiedlich entwickeln. Der Verlauf variiert je nach Schmerzform, wobei sich folgende typische Muster erkennen lassen:

  • Anlaufschmerzen
    • Initialphase: Treten beim Beginn der Aktivität auf, meistens nach längerer Ruhephase.
    • Progression: Bei fortschreitender degenerativer Gelenkerkrankung können die Anlaufschmerzen intensiver werden und auch bei minimaler Belastung auftreten.
    • Chronizität: Ohne adäquate Therapie kann es zur dauerhaften Verschlimmerung und Chronifizierung der Schmerzen kommen.
  • Nachtschmerzen bzw. Ruheschmerzen
    • Initialphase: Treten häufig in Ruhephasen oder nachts auf, besonders bei entzündlichen Gelenkerkrankungen.
    • Progression: Mit fortschreitender Entzündung können die Schmerzen auch tagsüber in Ruhephasen bestehen bleiben.
    • Chronizität: Langfristige Entzündungsprozesse ohne Behandlung führen oft zu persistierenden Schmerzen, die schwer zu kontrollieren sind.
  • Belastungsschmerzen
    • Initialphase: Treten nur bei spezifischer Belastung des Gelenks auf, typisch bei akuten traumatischen Verletzungen oder bei beginnenden degenerativen Veränderungen.
    • Progression: Mit zunehmender Gelenkbelastung und -degeneration können die Schmerzen schon bei leichten Alltagsaktivitäten auftreten.
    • Chronizität: Unbehandelte Belastungsschmerzen können zu einer dauerhaften Einschränkung der Mobilität führen und sich in anhaltende Ruheschmerzen verwandeln.

Prognose

  • Akute Gonalgie
    • Gute Prognose bei rechtzeitiger und adäquater Behandlung.
    • Schnelle Rückbildung der Schmerzen nach Beseitigung der Ursache, z. B. durch Ruhigstellung, Physiotherapie oder medikamentöse Therapie.
  • Chronische Gonalgie
    • Erhöhtes Risiko für eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität.
    • Besonders bei degenerativen Erkrankungen wie Gonarthrose (Kniearthrose) kann die Prognose von der frühzeitigen Einleitung therapeutischer Maßnahmen (z. B. Physiotherapie, Orthesen, medikamentöse Behandlung) abhängen.
    • Jugendliche mit patellofemoralem Schmerzsyndrom (PFS) haben ein hohes Risiko für eine Chronifizierung der Schmerzen; die Schmerzen bestehen oft auch nach zwei Jahren noch [1].
      Hinweis: Das Patellofemorale Schmerzsyndrom betrifft das Gelenk zwischen Oberschenkelknochen (Femur) und der Kniescheibe (Patella) und führt zu Schmerzen im Bereich der beiden Knochen, insbesondere im lateralen Bereich.
  • Langzeitprognose
    • Abhängig von der Grunderkrankung und dem Ausmaß der degenerativen oder entzündlichen Veränderungen.
    • Bei Kindern und Jugendlichen müssen auch potenziell schwerwiegende Ursachen wie Hüft- oder Beckenerkrankungen ausgeschlossen werden, um eine langfristige Chronifizierung zu verhindern.
    • Präventive Maßnahmen und frühzeitige Interventionen können die Langzeitprognose deutlich verbessern.

Beachte: Bei Kindern und Jugendlichen mit Knieschmerzen sollten auch Erkrankungen der Hüfte oder des Beckens in Betracht gezogen werden.

Literatur

  1. Rathleff MS et al.: Is Knee Pain During Adolescence a Self-limiting Condition? Prognosis of Patellofemoral Pain and Other Types of Knee Pain. Am J Sports Med 2016; online 20. Januar; doi: 10.1177/0363546515622456
  2. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36417/umfrage/berufstaetige-in-deutschland-die-haeufigsten-krankheiten/
  3. Fuchs J, Prütz F: Prävalenz von Gelenkschmerzen in Deutschland. Journal of Health Monitoring 2017;2(3):66-71 doi: 10.17886/ RKI-GBE-2017-056

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Knieschmerz bei Arthrosezeichen. (AWMF-Registernummer: 053-050), Dezember 2017 Kurzfassung Langfassung