Knieverletzungen – Operative Therapie
Eine operative Therapie von Kniegelenksverletzungen ist indiziert bei komplexen Bandrupturen (Bänderrissen), knöcherner Beteiligung (Knochenbrüche im Gelenkbereich) oder starker Instabilität (übermäßige Beweglichkeit) des Kniegelenks.
Meniskusverletzungen
- Arthroskopische Meniskusoperation (Schlüsselloch-Operation am Meniskus): Bei Meniskusschäden (Knorpelverletzungen) mit starker Symptomatik erfolgt in der Regel eine Arthroskopie (minimalinvasive Gelenkspiegelung) mit partieller oder kompletter Meniskektomie (teilweiser oder vollständiger Entfernung des Meniskus).
- Meniskusriss (Einriss im Knorpel) ohne Streck-/Beugehemmung (eingeschränkte Beweglichkeit) und Gelenkerguss (Flüssigkeitsansammlung im Gelenk): Eine Gelenkpunktion (Entnahme von Gelenkflüssigkeit mit einer Nadel) wird durchgeführt.
- Meniskusriss mit Streck-/Beugehemmung und Gelenkerguss: Eine Gelenkpunktion in Operationsbereitschaft ist erforderlich.
- Nichtobstruktiver Meniskusriss (Meniskusriss ohne Gelenkblockade): Patienten mit einem nichtobstruktiven Meniskusriss, diagnostiziert mittels Magnetresonanztomographie (MRT, bildgebendes Verfahren zur Untersuchung von Weichteilen), profitieren in gleicher Weise von einer 8-wöchigen Physiotherapie (Bewegungstherapie) wie von einer partiellen arthroskopischen Meniskektomie (teilweisen Entfernung des Meniskus über eine Gelenkspiegelung) [3].
Hinweise zum degenerativen Meniskusriss (altersbedingter Knorpelschaden)
- Ein Umbrella-Review (Übersichtsarbeit wissenschaftlicher Studien) ergab keinen klinisch relevanten Vorteil einer arthroskopischen Meniskusteilresektion (teilweisen Entfernung des Meniskus über eine Gelenkspiegelung) bei degenerativem Meniskusriss [5].
- Eine arthroskopische partielle Meniskektomie (APM, teilweise Entfernung des Meniskus über eine Gelenkspiegelung) zeigte keine besseren Ergebnisse als eine Bewegungstherapie oder Placebo-Operation (Scheinoperation) [6].
Bandverletzungen
- Seitenbandruptur (Riss der seitlichen Kniebänder):
- Eine Operationsindikation (Notwendigkeit einer Operation) besteht bei Außenbandruptur (Riss des äußeren Seitenbandes) und distaler Innenbandruptur (Riss im unteren Bereich des inneren Seitenbandes).
- Innenbandrupturen (Risse des inneren Seitenbandes) erfordern eine Meniskusabklärung (Untersuchung des Knieknorpels).
- Vordere Kreuzbandruptur (VKB-Ruptur, Riss des vorderen Kreuzbandes):
- Kann konservativ (ohne Operation) behandelt werden, allerdings hat das vordere Kreuzband im Vergleich zum hinteren eine geringere Selbstheilungstendenz (schlechtere Fähigkeit zur Heilung ohne Eingriff).
- Operation der Kreuzbandruptur (Riss des Kreuzbandes):
- Bei frischer Kreuzbandruptur erfolgt eine Naht (Zusammennähen des Bandes); postoperativ ist eine Ruhigstellung (Fixierung des Gelenks zur Heilung) für wenige Wochen erforderlich, gefolgt von schrittweiser Mobilisation (langsames Wiederbelasten).
- Bei isoliertem Kreuzbandriss (einzelnem Riss ohne Begleitverletzungen) ist bei jungen, sportlich aktiven Patienten ein zunächst abwartendes Vorgehen (Beobachtung ohne sofortige Operation) möglich, um eine Operation zu vermeiden [1, 2].
- Voraussetzungen: Keine starke Instabilität (keine übermäßige Beweglichkeit), keine Knorpel-/Meniskusschäden.
- Bei chronischer Kniegelenksinstabilität (langfristige Instabilität des Kniegelenks) erfolgt eine Kreuzbandplastik (Ersatz des Kreuzbandes mit einer körpereigenen oder künstlichen Sehne) mit anschließender Ruhigstellung und Mobilisation.
- Patellarsehnenruptur (Riss der Sehne unterhalb der Kniescheibe):
- Therapie der Wahl: Operative transossäre Refixation (Wiederbefestigung der Sehne am Knochen) am distalen Patellapol (unterer Rand der Kniescheibe) oder der Tuberositas tibiae (Knochenvorsprung am Schienbein).
Knorpelverletzungen
- Knorpelkontusion (Prellung des Knorpels): Behandlung mit Komplettentlastung (Vermeidung von Belastung) mittels Unterarmgehstützen (Gehhilfen).
- Knorpelschaden bzw. Flake fracture (osteochondrale Läsion, Abriss eines Knochen- und Knorpelteils):
- Gelenkpunktion in Operationsbereitschaft (Entnahme von Gelenkflüssigkeit unter OP-Bereitschaft).
- Operative Reposition (Wiedereinsetzen) abgesprengter Knochen-Knorpelanteile bei frischen Knorpelschäden.
Luxationen (Verrenkungen des Kniegelenks)
- Kniegelenksluxation (Verrenkung des Kniegelenks):
- Operative Therapie mit Reposition (Einrenken) und Gipsanlage (Schienenbehandlung) ist indiziert, da meist Begleitverletzungen (zusätzliche Schäden, z. B. an Nerven) vorliegen.
- Einzeitige Bandnaht mit Ligament-Bracing (Bandnaht mit Verstärkung durch künstliches Band) zeigt die besten Ergebnisse [4].
- Bandnaht mit Ligament-Bracing ist bei vorderer Kreuzbandruptur (Riss des vorderen Kreuzbandes) nur bei proximalen Avulsionen (Abriss des Bandes vom Knochen) empfehlenswert.
Patellaluxation (Verrenkung der Kniescheibe)
- Erstmalige Patellaluxation:
- Geringes Risikoprofil (geringes Risiko für erneute Verrenkung) → konservative Therapie (Behandlung ohne OP).
- Mehrere Risikofaktoren (hohes Risiko für erneute Verrenkung) → ggf. operatives Vorgehen (chirurgische Stabilisierung).
- Beachte:
- Alter unter 16 Jahren und weibliches Geschlecht gelten als kritische Faktoren.
- Komplizierte Patellaluxation mit (osteo-)chondralem Fragment (abgebrochene Knochen- oder Knorpelstücke) → absolute Operationsindikation (dringende Notwendigkeit einer OP) (Flake-Refixation).
Literatur
- Frobell RB, Roos EM et al.: A randomized trail of treatment for acute anterior cruciate ligament tear. NEJM 2010; 363: 331-42
- Frobell RB, Roos HP, Roos EM et al.: Treatment of acute anterior cruciate ligament tear: five year outcome of randomized trail. BMJ 2013; 346 doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.f232 (Published 24 January 2013)
- van de Graaf VA et al.: Effect of Early Surgery vs Physical Therapy on Knee Function Among Patients With Nonobstructive Meniscal Tears The ESCAPE Randomized Clinical Trial JAMA. 2018;320(13):1328-1337. doi:10.1001/jama.2018.13308
- Heitmann M, Akoto R, Krause M, Hepp P, Schöpp C, Gensior TJ et al.: Management of acute knee dislocations: anatomic repair and ligament bracing as a new treatment option-results of a multicentre study. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2019;27:2710-2718
- Blom AW et al.: Common elective orthopaedic procedures and their clinical effectiveness: umbrella review of level 1 evidence. BMJ 2021;374:n1511; http://dx.doi.org/10.1136/bmj.n1511
- Wijn SRW et al.: Arthroscopic partial meniscectomy vs non-surgical or sham treatment in patients with MRI-confirmed degenerative meniscus tears: a systematic review and meta-analysis with individual participant data from 605 randomised patients Osteoarthritis and Cartilage January 13, 2023 doi:https://doi.org/10.1016/j.joca.2023.01.002