Kniearthrose (Gonarthrose) – Operative Therapie
Die Gonarthrose (Kniearthrose) ist eine degenerative Gelenkerkrankung, die durch progressiven Knorpelabbau, Schmerzen und Funktionseinschränkungen gekennzeichnet ist. Eine operative Therapie ist indiziert, wenn konservative Maßnahmen nicht mehr ausreichen, um eine adäquate Schmerzreduktion und Beweglichkeit zu gewährleisten.
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Schmerzen, die nur durch dauerhafte Analgetikatherapie beherrschbar sind.
- Schwere funktionelle Einschränkungen, insbesondere Gangunsicherheit und Bewegungseinschränkung.
- Radiologisch gesicherte Gonarthrose mit fortgeschrittenem Knorpelverlust.
- Mechanische Instabilität oder Achsfehlstellungen, die eine strukturelle Überlastung verursachen.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Akute Infektionen im Gelenkbereich (z. B. bakterielle Arthritis).
- Schwere periphere Durchblutungsstörungen, die eine Wundheilung beeinträchtigen.
- Unzureichender Allgemeinzustand, der eine größere Operation nicht zulässt.
- Mangelnde Kooperationsfähigkeit, insbesondere für postoperative Rehabilitationsmaßnahmen.
Operationsverfahren
- Symptomatische, gelenkerhaltende Operationsmethoden:
- Lavage (Spülung des Kniegelenks) – Entfernung von entzündlichen Mediatoren und freien Knorpelfragmenten.
- Shaving – Entfernung instabiler Knorpelfragmente zur Förderung der Ersatzgewebebildung.
- Débridement – Arthroskopische Entfernung nekrotischen Gewebes zur Verbesserung der Gelenkfunktion.
- Knochenstimulierende Operationsmethoden (Markstimulation):
- Pridie-Bohrung – Anbohrung von Knorpeldefekten zur Gefäßeinsprossung und Bildung von Ersatzknorpel.
- Mikrofrakturierung – Erzeugung kleiner Knochendefekte zur Initiierung von Reparaturmechanismen.
- Abrasionsplastik – Entfernung der subchondralen (unterhalb des Knorpels gelegenen) Knochenschicht zur Freisetzung von Stammzellen und Förderung der Knorpelregeneration.
- Weiterführende Therapiemöglichkeiten zur Gelenkflächenrekonstruktion:
- Autologe Chondrozytentransplantation (ACT) – Zweizeitige Transplantation von körpereigenen Chondrozyten (Knorpelzellen), die ex vivo kultiviert und in den Defekt eingebracht werden (Matrix-assoziierte ACT – M-ACI).
- Indikationen:
- Isolierte Knorpeldefekte > 2,5 cm² bei jungen, aktiven Patienten.
- Traumatische oder degenerative Schäden mit stabilen Defekträndern.
- Negative Prädiktoren für das Outcome:
- Weibliches Geschlecht, höheres Alter, lange Beschwerdedauer, multiple Voroperationen, patellofemorale (zwischen Kniescheibe und Oberschenkelknochen) Defekte.
- Vergleichbarer Nutzen mit Therapiealternativen wie der Mikrofrakturierung (im Defektbereich werden kleinere Löcher in den Knochen gepickt) oder Mosaikplastik (Transfer von eingebrachten hyalinen Knorpel-Knochenzylindern aus unbelasteten Gelenksbereichen in eine Defektzone) [6].
- Indikationen:
- Osteochondrale Transplantation (OCT) – Knorpel-Knochen-Transplantation zur Defektbehandlung (autolog oder allogen).
- Autologe Chondrozytentransplantation (ACT) – Zweizeitige Transplantation von körpereigenen Chondrozyten (Knorpelzellen), die ex vivo kultiviert und in den Defekt eingebracht werden (Matrix-assoziierte ACT – M-ACI).
- Gelenknahe Umstellungsosteotomie (Korrekturosteotomie):
- Hohe Tibiaosteotomie (HTO):
- Korrektur der Beinachse zur Entlastung der medialen Kompartimente.
- 80 % der Patienten können eine Knieendoprothese für mindestens 10 Jahre vermeiden [7].
- Hohe Tibiaosteotomie (HTO):
- Gelenkersatz (Endoprothese):
- Teilprothese des Kniegelenks:
- Niedrigere Komplikations- und Mortalitätsrate als bei Totalendoprothese [1].
- Nachteil: Frühere Revision erforderlich im Vergleich zur Totalendoprothese.
- Totalendoprothese (TEP, künstlicher Gelenkersatz des gesamten Kniegelenks):
- Indiziert bei fortgeschrittener Gonarthrose mit vollständigem Knorpelverlust.
- Teilprothese des Kniegelenks:
Postoperative Nachsorge
- Physiotherapie zur Wiederherstellung der Gelenkfunktion und Mobilität.
- Medikamentöse Therapie: Analgetika, entzündungshemmende Medikamente, Thromboseprophylaxe.
- Belastungsaufbau nach operativem Eingriff, abhängig vom gewählten Verfahren.
- Regelmäßige Verlaufskontrollen, insbesondere nach Gelenkersatz.
Mögliche Komplikationen
- Infektionen (perioperative Sepsis/Blutvergiftung, periprothetische („in der Nähe eines Implantats liegende“) Infektion).
- Prothesenlockerung oder Materialversagen.
- Persistierende Schmerzen und Bewegungseinschränkungen.
- Tiefe Beinvenenthrombosen (TVT) und Lungenembolie als postoperative Risiken.
Vergleich der Operationsmethoden
Verfahren | Indikation | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Gelenkerhaltende Verfahren (Shaving, Lavage, Mikrofrakturierung) | Frühe Stadien der Gonarthrose, isolierte Knorpelschäden | Minimalinvasiv, kurze Rehabilitationszeit | Begrenzte Langzeitwirkung |
Osteotomien (HTO) | Mediale Gonarthrose bei Achsfehlstellung | Verzögerung des Gelenkersatzes, langfristige Schmerzreduktion | Erfordert lange Rehabilitationszeit |
Autologe Chondrozytentransplantation (ACT) | Isolierte Knorpelschäden bei jungen Patienten | Erhalt des Gelenkknorpels, sehr gute biomechanische Integration | Zweizeitige Operation, hoher Kostenaufwand |
Teilprothese des Kniegelenks | Isolierte Kompartimentarthrose | Bessere Gelenkfunktion, geringere Mortalität als TEP [1] | Frühere Revision erforderlich |
Totalendoprothese (TEP) | Fortgeschrittene Gonarthrose mit globalem Knorpelverlust | Längere Haltbarkeit als Teilprothese, hohe Schmerzlinderung | Höhere Komplikationsrate |
Weitere Hinweise
- *Zahlreiche Studien zeigen, dass sich für die therapeutische Arthroskopie mit Lavage und ggf. zusätzlichem Debridement kein Nutzen im Vergleich zu einer nichtaktiven Vergleichsintervention feststellen lässt (z. B. keine Wirksamkeit belegt für ältere Patienten mit leichter Gonarthrose (Kniegelenksarthrose) [2]).
Eine Metaanalyse zeigte, dass arthroskopische Eingriffe zur Behandlung von degenerativen Schäden am Kniegelenk bei Patienten im mittleren Alter langfristig nur eine unwesentlich bessere schmerzlindernde Wirkung bewirken als eine konservative Behandlung [3]. - *Internationales Expertengremium – Rubrik „Rapid Recommendations“ im Fachblatt BMJ [5]:
Das arthroskopische Débridement ("Kniegelenkstoilette") des Kniegelenks sollte nicht mehr Bestandteil der Therapie sein bei Patienten- mit degenerativer Kniegelenksarthrose
- mit Meniskusriss
- rein mechanischen Symptomen
- fehlenden oder nur minimalen Arthrosezeichen in der Bildgebung
- mit plötzlichem nicht traumatisch bedingtem Symptombeginn
- Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): Nutzen für das Matrix-assoziierte Transplantationsverfahren (M-ACI): Eine Metaanalyse lieferte bezüglich Kniefunktion und Alltagsaktivitäten statistisch signifikante Effekte zugunsten der M-ACI, wenn auch nicht in eindeutig klinisch relevanter Größenordnung [6].
- Abrechnungshinweis bei der Versorgung von GKV-Versicherten mit Gonarthrose: Ab Frühjahr 2016 dürfen Arthroskopien nur noch bei Patienten mit Traumata, akuten Gelenksblockaden und meniskusbezogenen Indikationen bei denen die bestehende Gonarthrose lediglich als Begleiterkrankung anzusehen ist, abgerechnet werden. Die Methodenbewertung kam zu dem Entschluss, dass die untersuchten Verfahren im Vergleich zu Scheinoperation oder Nichtbehandlung keinen Nutzenbeleg haben (IQWIG).
- Eine Placebotherapie mit einer intraartikulären Injektion ("in die Gelenkhöhle hinein") von Kochsalzlösung zeigte im Vergleich mit oralen Placebos die besten Effekte (wirkstofffreie Pillen haben den geringsten Placeboeffekt, invasive Scheineingriffe den größten) [4].
- **Über die Frage, ob ein Gelenkersatz indiziert ist, entscheiden die Beschwerden und der Leidensdruck des Patienten und nicht allein das Röntgenbild.
Fazit
Die Wahl der chirurgischen Therapie richtet sich nach Schweregrad der Arthrose, Patientenerwartungen und funktionellen Einschränkungen. Gelenkerhaltende Verfahren sind bevorzugt bei jüngeren Patienten mit fokalen Knorpelschäden, während Osteotomien bei Achsfehlstellungen indiziert sind. Der endoprothetische Gelenkersatz bleibt die Therapie der Wahl bei fortgeschrittener Gonarthrose mit schwerer Funktionseinschränkung. Eine umfassende postoperative Rehabilitation ist essenziell zur Optimierung der Langzeitergebnisse.
Literatur
- Linda P et al.: 45-day mortality after 467 779 knee replacements for osteoarthritis from the National Joint Registry for England and Wales: an observational study. The Lancet, Early Online Publication, 8 July 2014 doi:10.1016/S0140-6736(14)60540-7
- Khan M et al.: Arthroscopic surgery for degenerative tears of the meniscus: a systematic review and meta-analysis. CMAJ October 07, 2014 186 (14) 1057-1064. doi: 10.1503/cmaj.140433
- Thorlund JB et al.: Arthroscopic surgery for degenerative knee: systematic review and meta-analysis of benefits and harms. doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.h2747 (Published 16 June 2015)
- Bannuru RR et al.: Effectiveness and Implications of Alternative Placebo Treatments: A Systematic Review and Network Meta-analysis of Osteoarthritis Trials. Ann Intern Med. 2015;163(5):365-372. doi:10.7326/M15-0623
- Siemieniuk RA et al.: Arthroscopic surgery for degenerative knee arthritis and meniscal tears: a clinical practice guideline. BMJ 2017; 357: j1982; online 10. Mai; doi: 10.1136/bmj.j1982
- [N19-02] Kollagengedeckte und periostgedeckte autologe Chondrozytenimplantation am Kniegelenk sowie matrixassoziierte autologe Chondrozytenimplantation am Kniegelenk IQWiG Auftrag vom 25.07.2019, veröffentlicht in 2020
- Primeau CA et al.: Total knee replacement after high tibial osteotomy: time-to-event analysis and predictors. CMAJ February 01, 2021 193 (5) E158-E166; doi: https://doi.org/10.1503/cmaj.200934