Ischialgie/Lumboischialgie – Symptome – Beschwerden

Folgende Symptome und Beschwerden können auf eine Ischialgie/Lumboischialgie hinweisen:

Leitsymptome
Diese Leitsymptome lenken den Verdacht auf eine Ischialgie/Lumboischialgie und werden oft zuerst bemerkt:

  • Schmerzen im Gesäß: Oft erster Hinweis auf Ischialgie (Häufigkeit 70-80 %)
  • Schmerzen, die ins Bein ausstrahlen (Lumboischialgie): Schmerzen, die von der Lendenwirbelsäule über das Gesäß bis ins Bein ausstrahlen. Dies ist ein typisches Symptom, das auf eine Beteiligung des Ischiasnervs hinweist (Häufigkeit 60-70 %).
  • Schmerzen in der Lendenwirbelsäule: Schmerzen im unteren Rücken, die sich vom Bereich unterhalb des Rippenbogens bis zum Gesäß erstrecken (Häufigkeit 60-70 %)

Hauptsymptome (primäre Symptome)
Diese Hauptsymptome prägen das klinische Bild einer Ischialgie/Lumboischialgie:

  • Bewegungseinschränkung: Insbesondere bei Aktivitäten wie Bücken oder Drehen des Oberkörpers (Häufigkeit 50-60 %)
  • Schonhaltung: Viele Patienten nehmen eine Schonhaltung ein, um die Schmerzen zu lindern. Diese Haltung kann jedoch zu weiteren Beschwerden führen (Häufigkeit 40-50 %).
  • Verspannung und Verhärtung der Muskulatur: Besonders im Bereich des unteren Rückens und des Gesäßes treten häufig Verspannungen und Muskelverhärtungen auf (Häufigkeit 50-60 %).

Begleitsymptome (sekundäre Symptome)
Diese Begleitsymptome sind weniger charakteristisch und können auf Komplikationen hinweisen:

  • Schmerzen in der Inguinalregion (Leistenschmerzen): Können ebenfalls auftreten, sind jedoch weniger typisch (Häufigkeit 20-30 %)
  • Druckschmerzhaftigkeit der Dornfortsätze der Wirbelkörper: Schmerzen beim Drücken auf die Dornfortsätze der betroffenen Wirbelkörper, die auf eine Reizung der Nervenwurzeln hinweisen können (Häufigkeit 30-40 %)

Symptome und Beschwerden bei Einklemmungen von Nerven

  • Verstärkung der Schmerzen beim Husten oder Niesen; Hustentest: Verschlimmerung der Beinschmerzen ohne gleichzeitige Zunahme der Rückenschmerzen [2]:
    • deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass ein Bandscheibenvorfall vorlag (OR 2,50)
    • Befund einer Nervenwurzelkompression im MRT (OR 2,28)
  • Sensibilitätsstörungen im gleichen Dermatom (Hautbereich, der von den sensiblen Fasern einer Spinalnervenwurzel versorgt wird; s. u.)
  • Lähmungen (s. u.)
  • Abschwächung von Reflexen wie beispielsweise dem Achillessehnenreflex (ASR, auch Triceps-surae-Reflex)

Häufige Formen der lumbalen Radikulopathie (Ischiassyndrom) [1] 

Spinalwurzeln
Inzidenz (%)
 L4  5
 L5  40
 S1  55

Nervus ischiadicus (Nervenäste und Versorgungsgebiete)

Lokalisation Nervenast Innervationsgebiet Funktion
Aus N. ischiadicus N. tibialis    
  N. cutaneus surae medialis N. cutaneus surae lateralis zum N. suralis Rami calcanei N. cutaneus dorsalis lateralis Sensibel: Fersenhaut, lateraler Fußrand und Kleinzehe
Aus N. tibialis Rr. musculares M. popliteus Knieflexion (Kniebeugung)
    M. gastrocnemius Plantarflexion des Fußes (und Flexion im Kniegelenk)
    M. soleus  
    M. plantaris  
  R. articularis genus Kniegelenk Sensibel
  Rr. musculares M. tibialis posterior Supination und Plantarflexion des Fußes
    M. flexor digitorum longus Flexion der Endphalangen der Zehen
    M. flexor hallucis longus Flexion der Großzehe, unterstützt Flexion und Supination (Auswärtsdrehung) und Adduktion (seitliche Heranführung bzw. das Anlegen eines Körperteils zur Längsachse der Extremität) des Fußes
  Sensible Äste Tibia, Fibula  
  R. talocruralis    
  Rr. calcanei mediales Haut zur Ferse und medialer Fußrand  
  N. plantaris medialis    
  Rr. cutanei Haut der Fußsohle  
  Nn. digitales plantares communes, Nn. digitales plantares proprii Haut der 1. Zehe bis zur Medialseite der 4. Zehe Sensibel
  Rr. musculares M. abductor hallucis Abduktion (Abspreizen eines Körperteils zur Längsachse der Extremität) und Plantarflexion der Großzehe
    M. flexor digitorum brevis Flexion (Beugung) der Mittelphalangen (Mittelglied) der 2. bis 4. (5.) Zehe
    M. flexor hallucis brevis Flexion der Grundphalanx (Grundglied) der Großzehe
    Mm. lumbricales I-II Flexion im Grundgelenk und Extension im Mittel- und Endgelenk der Zehen
  N. plantaris lateralis    
  Rr. musculares M. opponens digiti minimi Abduktion der Kleinzehe
    M. flexor digiti minimi Plantarflexion der Kleinzehe
    M. abductor digiti minimi Plantarflexion und Abduktion der Kleinzehe
    M. quadratus plantae Flektiert die Zehen und verstärkt die Wirkung des Musculus flexor digitorum longus
  R. profundus Mm. interossei Adduktion der 3. bis 5. Zehe zur 2. Zehe, Flexion der Grundphalanx, Extension (Streckung) der Mittel- und Endphalanx
    M. adductor hallucis Plantarflexion und Adduktion der Großzehe
    M. flexor hallucis brevis Plantarflexion der Großzehe
    Mm. lumbricales III-IV Flexion der Grundphalanx, Streckung der Mittel- und Endphalanx
  R. superficialis Nn. digitales plantares proprii Laterale (seitliche) Hälfte der 4. und 5. Zehe

Warnzeichen (red flags)

  • Anamnestische Angaben:
    • Lebensalter < 20 Jahre oder > 50 Jahre:
      • Kinder: progrediente Laufunlust und Spielunlust
      • Männer: > 50 Jahre mit atypischen unteren Rückenschmerzen → denken an: Prostatakarzinom/Prostatakrebs
      • Patienten im fortgeschrittenen Alter → denken an: Plasmozytom (bösartige Neubildung; Non-Hodgkin-Lymphomen der B-Lymphozyten)
    • entzündliche rheumatische Erkrankung
    • Gewichtsverlust
    • HIV
    • kürzlich stattgefundenes schweres Trauma*/Kontusion* (direkte, stumpfe Gewalt)
    • Osteoporose
    • Tumorerkrankung (einziges gesichertes Warnzeichen für ein malignes (bösartiges) Geschehen der Wirbelsäule)/Metastasen (Tochtergeschwülste):
      • Höheres Alter
      • Allgemeine Symptome: Gewichtsverlust, Anorexie (Appetitlosigkeit), rasche Ermüdbarkeit
      • Schmerz, der in Rückenlage zunimmt
      • Starker nächtlicher Schmerz
    • Drogenanamnese (intravenöser Drogengebrauch)
    • Immunsuppression (Maßnahmen zur Unterdrückung der Abwehrreaktionen)
    • Langandauernde Steroidtherapie/therapeutischer Einsatz von Corticosteroiden (> 6 Monate)* 
  • Infektion (Fieber > 38 °C)  
  • Labor: CRP-Erhöhung, pathologischer (auffälliger) Urinbefund
  • Lokalisierter Druckschmerz + älterer Patient* → frische osteoporotische Fraktur (Bruch) möglich
  • Akute Schmerzen nach Bagatelltrauma
  • Zunehmender Schmerz
  • Keine Schmerzabnahme in Ruhe
  • Nachtschmerz
  • Morgensteifigkeit > 1 h → Verdacht auf rheumatologische Erkrankung (z. B. Polymyalgia rheumatica, rheumatoide Arthritis)
  • Rückenschmerzen ohne Einschränkung der Beweglichkeit und ohne Exazerbation bei Rückenbewegungen → Verdacht auf Erkrankung anderer Lokalisation (z. B. Nierenerkrankungen, Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs), gastrointestinale Erkrankungen/Magen-Darm-Erkrankungen, Beckenerkrankungen der Frau)
  • Abnahme der Körpergröße → denken an: Osteoporose (Knochenschwund)
  • Neurologische Symptomatik
    • Kontinenzstörungen (Blasen- und/oder Darmfunktionsstörungen) [neurologischer Notfall!]
    • Reithosenanästhesie (Sensibilitätsverlust der Genital- und Gesäßregion, sowie der Oberschenkelinnenseiten) + Blasenentleerungsstörung (z. B. Urinverhalt, vermehrtes Wasserlassen, Inkontinenz)  = Kaudasyndrom)
    • Paresen (Lähmungen)
    • Meningismus (schmerzhafte Nackensteifigkeit)

*Warnzeichen für eine Fraktur (Knochenbruch)

Literatur

  1. Stewart JD: Focal Peripheral Neuropathies. 4ed. West Vancouver, Canada. JBJ Publishing, 2010
  2. Verwoerd AJH et al.: A diagnostic study in patients with sciatica establishing the importance of localization of worsening of pain during coughing, sneezing and straining to assess nerve root compression on MRI. Eur Spine J 2016; online 2. Februar; doi: 10.1007/s00586-016-4393-8