Impingement-Syndrom – Operative Therapie

Das Impingement-Syndrom ist eine schmerzhafte Funktionsstörung der Schulter, die durch die mechanische Einklemmung von Weichteilen zwischen dem Oberarmkopf (Humeruskopf) und dem Schulterdach (Akromion) entsteht. In den meisten Fällen kann eine konservative Therapie mit medikamentöser Behandlung und Physiotherapie die Beschwerden lindern. Falls die Beschwerden jedoch trotz konservativer Therapie über 8-10 Wochen persistieren oder eine berufsbedingte Einschränkung besteht, sollte eine operative Therapie in Betracht gezogen werden.

Beachte:

  • Bei jüngeren Patienten (< 40 Jahre) mit traumatischer Rotatorenmanschettenruptur ist eine sofortige operative Rekonstruktion erforderlich, um eine Retraktion (Zurückziehen) der Sehne zu verhindern und die Funktion der Schulter langfristig zu erhalten.

Operationsverfahren

Akromioplastik nach Neer („Neer-Plastik“) – Standardverfahren beim Outlet-Impingement

  • Prinzip:
    • Erweiterung des subakromialen Raumes zur Vermeidung einer mechanischen Einklemmung der Sehnen.
    • Offene oder arthroskopische Begradigung der konkaven (eingedellten) Unterfläche des Akromions.
    • Je nach individueller Situation zusätzliche Maßnahmen:
      • Bursektomie (Entfernung des entzündeten Schleimbeutels).
      • Resektion des Ligamentum coracoacromiale (Entfernung eines Bands, das den Raum unter dem Schulterdach verengt).
      • Partielle Resektion des Akromionunterrands („subakromiale Dekompression“ – SAD).
  • Indikation:
    • Outlet-Impingement – mechanisch oder strukturell bedingte Einengung des subakromialen Raumes.
  • Kontraindikationen:
    • Non-Outlet-Impingement – ligamentär (bänderbedingt) oder neuromuskulär (durch Nerven- und Muskelfunktion bedingt) verursachte Beschwerden, die nicht durch eine Raumverengung entstehen.

Ziel der Operation:

  • Vergrößerung des subakromialen Raums, um die Sehnen der Rotatorenmanschette von mechanischer Kompression zu entlasten und langfristig Schäden zu vermeiden.

Postoperative Nachsorge

  • Frühfunktionelle Physiotherapie – zur Vermeidung von Schultersteifigkeit (Frozen Shoulder).
  • Passive und aktive Mobilisation nach 1-2 Wochen – je nach Operationsumfang.
  • Belastungsaufbau über mehrere Wochen – je nach beruflicher und sportlicher Anforderung.
  • Vollständige Belastbarkeit in der Regel nach 3-6 Monaten.

Mögliche Komplikationen

  • Persistierende Schmerzen oder eingeschränkte Beweglichkeit – v. a. bei verzögerter Mobilisation.
  • Narbenbildung oder Verklebungen – können erneut zu Bewegungseinschränkungen führen.
  • Schwächung der Schultermuskulatur – postoperativ möglich, insbesondere nach länger bestehender Schonhaltung.
  • Re-Ruptur (erneuter Sehnenriss) bei insuffizienter Sehnenheilung.

Vergleich der Operationsmethoden

Verfahren Indikation Vorteile Nachteile
Akromioplastik nach Neer Outlet-Impingement Minimal-invasiv möglich, schnelle Schmerzreduktion Risiko für postoperatives Narbengewebe
Bursektomie Entzündliche Bursitis Verbesserung der Gleitfähigkeit, reduzierte Entzündung Mögliche postoperative Verklebungen
Resektion des Lig. coracoacromiale Akromiale Einengung Vergrößerung des subakromialen Raumes Erhöhte Schulterinstabilität möglich
Partielle Resektion des Akromions Enger subakromialer Raum Verhinderung mechanischer Reizung Risiko für Schulterinstabilität

Weitere Hinweise

Die Ergebnisse eines Umbrella-Reviews (Überprüfung systematischer Überprüfungen oder Metaanalysen) ergab für die arthroskopische subakromiale Dekompression bei subakromialem Impingement-Syndrom keine klinisch bedeutsame Verbesserungen gegenüber der jeweiligen Vergleichsmaßnahme (Schulterübungen, Physiotherapie, Placebo oder gar keine Intervention) [5].

Nach einer Rotatorenmanschetten-Operation erfolgt eine vier- bis sechswöchige Ruhigstellung des Arms mittels einer Armschlinge. 
In einer kleinen Studie mit relativ kurzer Nachbeobachtungszeit zeigte sich ein halbes Jahr später, dass bei postoperativen Verzicht auf eine Armschlinge (= schlingenfreie Reha) die Beweglichkeit größer war und die Schmerzen etwas geringer waren [3].

Bei Patienten mit kleiner bis mittelgroßer Rotatorenmanschettenruptur sind die 10-Jahres-Ergebnisse für primär operierte Patienten signifikant besser als bei Patienten mit ausschließlicher Physiotherapie [4].

CSAW-Studie („Can Shoulder Arthroscopy Work?“): Subakromiale Schulterschmerzen können durch die Dekompressions-Operation nicht stärker gelindert werden als durch einen Scheineingriff, bei dem lediglich eine Arthroskopie, aber kein Débridement erfolgt [1].
Fazit [2]: 

  • Beobachten und abwarten (bis zu 12 Monate)
  • Verordnung von Physiotherapie (konservatives Vorgehen soll bei bis zu 80 % der Patienten langfristig eine Operation ersparen)
  • Subakromiale Dekompression als letzte Option

Fazit

Die operative Therapie des Impingement-Syndroms ist vor allem bei anhaltenden Beschwerden oder strukturellen Veränderungen indiziert. Die Akromioplastik nach Neer ist das Verfahren der Wahl beim Outlet-Impingement, um eine mechanische Einklemmung zu verhindern. Eine frühzeitige postoperative Mobilisierung ist essenziell, um Komplikationen wie Bewegungseinschränkungen oder Muskelabbau zu vermeiden.

Bei Tendinosis calcarea (Sehnenverkalkung; Kalkschulter) s. u. der gleichnamigen Erkrankung.

Literatur

  1. Beard DJ et al.: Arthroscopic subacromial decompression for subacromial shoulder pain (CSAW): a multicentre, pragmatic, parallel group, placebo-controlled, three-group, randomised surgical trial. Lancet 2017; online 20. November; http://dx.doi.org/10.1016/ S0140-6736(17)32457-1
  2. Littlewood C et al.: How should clinicians integrate the findings of The Lancet’s 2018 placebo-controlled subacromial decompression trial into clinical practice? Br J Sports Med 2018; online 8. März; http://dx.doi.org/10.1136/bjsports-2017-098900
  3. Tirefort J et al.: Postoperative Mobilization After Superior Rotator Cuff Repair: Sling Versus No Sling. The Journal of Bone and Joint Surgery 2019; 101 (6): 494; https://doi.org/10.2106/JBJS.18.00773
  4. Moosmayer S et al.: At a 10-Year Follow-up, Tendon Repair Is Superior to Physiotherapy in the Treatment of Small and Medium-Sized Rotator Cuff Tears. J Bone Joint Surg Am 2019; 101: 1050-60
  5. Blom AW et al.: Common elective orthopaedic procedures and their clinical effectiveness: umbrella review of level 1 evidence. BMJ 2021;374:n1511; http://dx.doi.org/10.1136/bmj.n1511