Hochwuchs – Einleitung

Hochwuchs, umgangssprachlich auch als Großwuchs oder Riesenwuchs bezeichnet, liegt vor, wenn die Körpergröße eines Menschen über der 97. Perzentile für sein Alter und Geschlecht liegt. Dies kann sowohl eine Normvariante als auch ein Hinweis auf zugrunde liegende medizinische Zustände sein.

Synonyme und ICD-10: Gigantismus; Hypersomie; proportionierten Hochwuchs; Riesenwuchs; ICD-10-GM E34.4: Konstitutioneller Hochwuchs, ICD-10-GM E22.0: Akromegalie und hypophysärer Hochwuchs

Anatomie und Funktionen

Da der Hochwuchs oft mit Veränderungen des Skelettsystems und der Muskulatur verbunden ist, ist es wichtig, die anatomischen und funktionellen Aspekte zu verstehen:

  • Skelettsystem: Beim Hochwuchs ist oft das Längenwachstum der langen Röhrenknochen (Femur, Tibia, Humerus) betroffen. Dies kann zu einer überproportionalen Belastung der Gelenke führen, insbesondere der Knie- und Hüftgelenke.
  • Muskulatur und Sehnen: Die Muskeln und Sehnen müssen sich den veränderten Proportionen anpassen, was zu einer erhöhten Anfälligkeit für Überlastungen und Verletzungen führen kann.
  • Endokrine Funktionen: Bei hormonell bedingtem Hochwuchs, wie etwa beim hypophysären Hochwuchs oder Gigantismus, spielen hormonelle Dysregulationen eine zentrale Rolle, insbesondere das Wachstumshormon (Somatotropin).

Charakteristische Laborbefunde

Hormonanalysen

  • Erhöhte Serumkonzentrationen von Wachstumshormon (GH): Bei pathologischem Hochwuchs, insbesondere bei hypophysärem Gigantismus, finden sich typischerweise erhöhte Werte des Wachstumshormons.
  • Erhöhte Insulin-like Growth Factor 1 (IGF-1) Werte: Ein erhöhter IGF-1-Spiegel ist ein Indikator für eine vermehrte GH-Sekretion und unterstützt die Diagnose von Gigantismus oder Akromegalie.
  • Glukosetoleranztest (bei Verdacht auf hypophysären Gigantismus): Normalerweise führt die orale Glukosezufuhr zu einer Suppression des GH-Spiegels. Bei Patienten mit Gigantismus bleibt diese Suppression oft aus, was diagnostisch wegweisend ist.

Genetische Tests

  • Nachweis spezifischer genetischer Mutationen: Bei syndromalen Formen des Hochwuchses, wie z. B. beim Marfan-Syndrom, können genetische Untersuchungen spezifische Mutationen aufdecken, die zur Diagnose beitragen.

Weitere Laboruntersuchungen

  • Thyroid-Stimulating Hormon (TSH) und Schilddrüsenhormone: Erhöhte TSH-Werte oder abnorme Schilddrüsenhormonspiegel können auf eine Hyperthyreose hinweisen, die zu einem beschleunigten Wachstum führen kann.
  • Nebennierenhormone: Überprüfen der Cortisol- und ACTH-Spiegel bei Verdacht auf eine Nebennierenrindenüberfunktion, die ebenfalls zum Hochwuchs beitragen kann.

Formen der Erkrankung

  • Makrosomie (Großwuchs)
    • Definiert als Körpergröße über 1,92 Meter bei Männern und über 1,80 Meter bei Frauen.
    • Kann konstitutionell (familiär) oder durch hormonelle Störungen bedingt sein.
  • Gigantismus (Riesenwuchs)
    • Männer über 2,00 Meter und Frauen über 1,85 Meter.
    • Meistens durch eine übermäßige Produktion von Wachstumshormon (GH) aufgrund eines Hypophysenadenoms verursacht.
  • Proportionierter Hochwuchs
    • Normal proportionierte Körpergröße, aber über dem Durchschnitt.
    • Meistens genetisch bedingt oder durch konstitutionelle Faktoren (familiär).

Ursachen

  • Genetische Erkrankungen
    • Marfan-Syndrom
    • Klinefelter-Syndrom
    • Homozystinurie
  • Hormonelle/Endokrine Störungen
    • Hypophysäres Adenom (führt zu Gigantismus)
    • Hyperthyreose (Überfunktion der Schilddrüse)
    • Nebennierenrindenüberfunktion (Cushing-Syndrom)
  • Alimentäre Ursachen
    • Übermäßige Proteinzufuhr während der Wachstumsphase kann besonders bei Mädchen (7 Gramm Eiweiß täglich oberhalb der Zufuhrempfehlungen) zu einem beschleunigten Längenwachstum führen [1].
    • Hinweis: In Deutschland liegt die tägliche Proteinzufuhr bei vielen Kindern über den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), was ein mögliches Risiko für alimentär bedingten Hochwuchs darstellt.

Differentialdiagnosen

  • Akromegalie: Unterscheidet sich durch das Auftreten im Erwachsenenalter, mit Vergrößerung von Akren (Hände, Füße, Gesicht) statt eines generellen Hochwuchses.
  • Syndromale Hochwuchserkrankungen: Wie Marfan-Syndrom oder Sotos-Syndrom, die oft mit zusätzlichen phänotypischen Merkmalen einhergehen.
  • Normvarianten: Familiärer Hochwuchs ohne pathologischen Hintergrund.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen können gleichermaßen betroffen sein, wobei hormonelle Ursachen oft geschlechtsspezifische Unterschiede aufweisen.

Häufigkeitsgipfel
: Hochwuchs tritt je nach Ursache in unterschiedlichen Lebensphasen auf, konstitutioneller Hochwuchs häufig in der Pubertät, hormonell bedingter Hochwuchs wie Gigantismus im Kindesalter.

Prävalenz
: Variiert je nach zugrunde liegender Ursache und geografischer Region. Der konstitutionelle Hochwuchs ist häufiger als hormonelle oder genetische Ursachen.

Inzidenz
: Hormonell bedingter Gigantismus ist selten, genaue Zahlen sind jedoch abhängig von der spezifischen Population.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Der Verlauf ist stark abhängig von der Ursache des Hochwuchses. Während der konstitutionelle Hochwuchs in der Regel gutartig und ohne ernsthafte gesundheitliche Folgen ist, kann der hormonell bedingte Hochwuchs (z. B. Gigantismus) unbehandelt zu schwerwiegenden Komplikationen führen, einschließlich Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gelenkproblemen.
  • Eine frühzeitige Diagnose und adäquate Therapie, insbesondere bei hormonellen Ursachen, kann das Fortschreiten der Erkrankung und das Risiko von Komplikationen deutlich reduzieren.

Prognose

  • Bei konstitutionellem Hochwuchs ist die Prognose in der Regel gut, und die betroffenen Personen haben eine normale Lebenserwartung.
  • Bei hormonellen und genetischen Ursachen hängt die Prognose von der Schwere der Erkrankung und dem Zeitpunkt der Diagnose ab. Frühzeitig behandelte Fälle können eine gute Lebensqualität erreichen, während unbehandelte schwere Formen zu signifikanten gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen können.

Literatur

  1. Hua Y, Remer T: Adult stature and protein intake during childhood and adolescence from 3 years onward, Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 2022, doi: https://doi.org/10.1210/clinem/dgac205

Leitlinien

  1. S1-Leitlinie: Hochwuchs. (AWMF-Registernummer: 027 - 024), Januar 2011 Langfassung