Hallux valgus – Einleitung

Hallux valgus beschreibt eine häufig vorkommende Deformität der Großzehe, bei der das Grundgelenk in allen Dimensionen fehlgestellt ist. Die Großzehe ist nach außen abgewinkelt (lateinisch valgus = schief), während der erste Mittelfußknochen zum Innenrand des Fußes gedreht ist. Diese Fehlstellung führt oft zu erheblichen funktionellen und ästhetischen Beeinträchtigungen.

Synonyme und ICD-10: Ballengroßzehe, Ballenzehe, X-Großzehe, Schiefzehe; ICD-10-GM M20.1: Hallux valgus (erworben)

Der Hallux valgus ist die häufigste Vorfußdeformität bzw. Zehenfehlstellung.

Anatomie und Funktionen

Der Hallux valgus betrifft primär das erste Metatarsophalangealgelenk (MTP-I-Gelenk) und die umliegenden Strukturen.

Anatomie

  • Knochen: Das MTP-I-Gelenk bildet die Verbindung zwischen der Basis des ersten Mittelfußknochens und dem proximalen Phalanx der Großzehe.
  • Sehnen und Bänder: Die Sehnen des M. abductor hallucis (Abzieher der Großzehe) und M. adductor hallucis (Heranführer der Großzehe) spielen eine zentrale Rolle in der Stabilisierung des Gelenks. Bei Hallux valgus kommt es oft zu einer Überdehnung der medialen Strukturen und einer Verkürzung der lateralen Strukturen, was die Fehlstellung weiter verstärkt.
  • Sesambeine: Die beiden Sesambeine unter dem MTP-I-Gelenk, die normalerweise eine wichtige Funktion in der Lastverteilung und der Hebelwirkung der Großzehe haben, verschieben sich bei Hallux valgus häufig und tragen zur Dysfunktion bei.

Funktionen

  • Gewichtsverteilung: Die normale Funktion des MTP-I-Gelenks, eine gleichmäßige Verteilung des Körpergewichts während des Gehens zu gewährleisten, ist gestört, was zu einer ungleichmäßigen Belastung des Vorfußes führt.
  • Abrollen des Fußes: Der Hallux valgus beeinträchtigt das Abrollen des Fußes, da die Fehlstellung eine unphysiologische Fußbewegung erzwingt. Dies kann zu weiteren Fehlstellungen und Schmerzen führen.

Formen der Erkrankung

  • Hallux valgus interphalangeus: Die Valgus-Deformität befindet sich im Endgelenk der Großzehe.
  • Hallux varus: Diese Form beschreibt eine Valgus-Deformität nach medial (im Grundgelenk zum Fußinnenrand hin).

Ursachen

  • Genetische Prädisposition: Familiäre Häufung deutet auf eine genetische Veranlagung hin.
  • Fußbekleidung: Das Tragen enger, geschlossener Schuhe mit wenig Zehenfreiheit, insbesondere im jungen Erwachsenenalter, fördert die Entwicklung eines Hallux valgus.
  • Biomechanische Faktoren: Fehlstellungen des Fußes wie Plattfuß oder Spreizfuß können die Entstehung begünstigen.
  • Geschlecht: Frauen sind aufgrund hormoneller und struktureller Unterschiede häufiger betroffen.

Differentialdiagnosen

  • Arthritis des MTP-I-Gelenks: Entzündliche Veränderungen des Gelenks können ähnliche Symptome hervorrufen.
  • Hallux rigidus: Im Gegensatz zum Hallux valgus ist dies eine Arthrose des MTP-I-Gelenks mit eingeschränkter Beweglichkeit.
  • Bursitis: Entzündung der Schleimbeutel im Bereich des Vorfußes kann ähnliche Beschwerden wie ein Hallux valgus verursachen.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen sind etwa 9-mal häufiger betroffen als Männer.

Häufigkeitsgipfel
: Die Erkrankung tritt vorwiegend im mittleren und höheren Lebensalter auf.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Bei Personen unter 65 Jahren liegt die Prävalenz bei etwa 23 %, bei über 65-Jährigen bei etwa 35 %. In westlichen Industrieländern ist die Prävalenz aufgrund häufiger Schuhtragegewohnheiten höher.

Verlauf und Prognose

  • Verlauf:

    • Meist treten nur wenige Beschwerden auf. Typische Symptome umfassen Schmerzen und Druckstellen im Bereich der Großzehe, insbesondere beim Tragen von Schuhen.
    • Konservative Therapien zielen darauf ab, die Symptome zu lindern und das Fortschreiten der Fehlstellung zu verlangsamen. Eine Heilung ist im Regelfall nicht möglich.
    • Im höheren Alter kann der Hallux valgus zu Bewegungsunsicherheiten führen und erhöht das Risiko für Stürze.
  • Prognose:

    • Ohne Behandlung verläuft die Erkrankung bei etwa einem Drittel der Patienten progredient.
    • Faktoren, die das Auftreten eines Hallux valgus begünstigen, waren ein höheres Alter, ein schlechter Gesundheitsstatus, Fußschmerzen sowie das Tragen von Schuhen mit sehr wenig Zehenfreiheit im Alter zwischen 20 und 29 Jahren [1].
    • Eine operative Korrektur wird häufig aus kosmetischen Gründen gewünscht, kann jedoch auch zur Verbesserung der Funktion und Schmerzlinderung beitragen.

Literatur

  1. Menz HB et al.: Incidence and Progression of Hallux Valgus: a Prospective Cohort Study. Arthritis Care Res 2021 https://doi.org/10.1002/acr.24754

Leitlinien

  1. S2e-Leitlinie: Hallux valgus. OUP 2016; 12: 668–672  doi:10.3238/oup.2016.0668–0672