Finger- und Daumengelenkarthrose – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Die Finger- und Daumengelenkarthrose ist eine degenerative Gelenkerkrankung, die durch den fortschreitenden Abbau des Gelenkknorpels gekennzeichnet ist. Sie wird häufig durch mechanische Überlastung, genetische Prädispositionen oder entzündliche Prozesse ausgelöst. Der altersbedingte Verschleiß ist nicht die primäre Ursache, sondern die Gelenkzerstörung beginnt meist mit akuten oder chronischen Schädigungen des Knorpels. Der dreistufige Prozess der Arthroseentwicklung beschreibt die pathophysiologischen Mechanismen von den anfänglichen Risikofaktoren bis hin zur klinischen Manifestation.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
Initialer Pathomechanismus:
- Akute Schädigung des Gelenkknorpels: Der Gelenkabbau beginnt oft mit einer Schädigung des Knorpels durch mechanische Überlastung, Trauma oder Infektion. Dies setzt eine Reihe von degenerativen Prozessen in Gang.
- Insuffiziente Matrixsynthese: Eine gestörte Balance zwischen der Synthese und dem Abbau der Knorpelmatrix führt zu einem Verlust an Proteoglykanen und Kollagen, die für die Stoßdämpfung und Stabilität des Knorpels verantwortlich sind.
- Apoptose der Chondrozyten: Der vermehrte Zelltod der Chondrozyten (Knorpelzellen) reduziert die Regenerationsfähigkeit des Knorpels und beschleunigt den Abbau der Gelenkstruktur.
Molekulare und zelluläre Veränderungen:
- Vermehrte Expression von Matrix-Metalloproteinasen (MMPs): Diese Enzyme bauen die extrazelluläre Matrix des Knorpels ab, was die degenerativen Veränderungen weiter verstärkt.
- Entzündungsmediatoren: Proinflammatorische Zytokine wie IL-1 und TNF-α fördern den Knorpelabbau und verstärken die Entzündungsprozesse im Gelenk.
Entwicklung struktureller Veränderungen:
- Mikrorisse und Knorpelabbau: Der anfängliche Knorpelschaden führt zu Mikrorissen und einer fortschreitenden Degeneration des Gelenkknorpels.
- Osteophytenbildung: Um die Stabilität zu erhalten, bildet der Körper knöcherne Anbauten (Osteophyten) an den Gelenkrändern, die jedoch die Beweglichkeit des Gelenks einschränken und zu weiteren Schmerzen führen.
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
Veränderungen in der Gewebsarchitektur:
- Subchondrale Sklerosierung: Die mechanische Überlastung führt zu einer Verdichtung des Knochens unterhalb des Knorpels, was die Schmerzsymptomatik verstärkt.
- Synoviale Hypertrophie: Die Gelenkinnenhaut (Synovialis) verdickt sich durch die chronische Entzündung und trägt zur Einschränkung der Gelenkfunktion bei.
Beteiligung des umgebenden Gewebes:
- Muskuläre Dysbalance: Durch die Schonhaltung und Bewegungseinschränkung kommt es zu einer Atrophie der umliegenden Muskulatur, was die Stabilität weiter beeinträchtigt.
- Überdehnung der Gelenkkapsel und Bänder: Chronische Entzündungen und mechanische Überlastung führen zu einer Instabilität des Gelenks.
Arthrose und Inflammation (Entzündung)
Eine niedriggradige Inflammation (Entzündung) spielt eine zentrale Rolle bei der Arthrose. Studien haben gezeigt, dass bei Arthrosepatienten erhöhte hs-CRP-Serumspiegel (high sensitivity CRP; Entzündungsparameter) nachgewiesen werden, auch wenn die radiologischen Veränderungen gering sind [3].
- Synovitis (Gelenkinnenhautentzündung): Etwa 50 % der Arthrosepatienten zeigen Anzeichen einer synovialen Entzündung, die oft schon bei minimalen strukturellen Veränderungen auftritt. Diese Entzündung wird durch die Infiltration von Immunzellen wie Monozyten, Makrophagen und T-Lymphozyten (CD4-T-Zellen) verursacht.
- Entzündungsmediatoren: Proinflammatorische Zytokine (TNF-α, IFN-γ), Wachstumsfaktoren und Neuropeptide verstärken den Knorpelabbau, indem sie die Freisetzung von Matrix-Metalloproteinasen (MMPs) stimulieren.
Der dreistufige Prozess der Arthroseentwicklung
Phase 1: Vorstadium der Arthrose (Präarthrose)
- Gelenkstrukturen: Das Gelenk ist in dieser Phase noch funktional, aber ungünstige Faktoren wie Überlastung, genetische Prädisposition oder Entzündungen wirken bereits negativ auf die Gelenkstrukturen ein.
- Risikofaktoren: Dazu zählen Übergewicht, wiederholte Mikrotraumata durch intensive berufliche oder sportliche Belastung sowie Stoffwechselstörungen.
Phase 2: Frühe Arthrose
- Mikroskopische Veränderungen: Die pathologischen Veränderungen im Knorpel sind in dieser Phase noch nicht sichtbar, führen jedoch bereits zu einem Ungleichgewicht zwischen Knorpelabbau und -regeneration.
- Frühsymptome: Die Betroffenen bemerken oft noch keine klinischen Symptome, obwohl der degenerative Prozess bereits begonnen hat.
Phase 3: Klinische Arthrose
- Zerstörerische Prozesse: In dieser Phase sind die strukturellen Veränderungen so weit fortgeschritten, dass Beschwerden wie Schmerzen, Steifigkeit und Bewegungseinschränkungen auftreten. Die Gelenkzerstörung überschreitet ein kritisches Maß und führt zu dauerhaften Schäden.
- Osteophyten und Gelenkinstabilität: Osteophytenbildung, Gelenkdeformitäten und Instabilität verstärken die Symptome und führen zu einer weiteren Verschlechterung der Gelenkfunktion.
Klinische Manifestation
Leitsymptome:
- Schmerzen: Typischerweise treten Belastungsschmerzen auf, die mit der Zeit auch in Ruhephasen spürbar werden. In fortgeschrittenen Stadien können Ruheschmerzen und nächtliche Beschwerden hinzukommen.
- Steifigkeit und Bewegungseinschränkungen: Insbesondere nach längeren Ruhephasen, wie dem morgendlichen Aufstehen, berichten die Patienten über Gelenksteifigkeit.
Fortgeschrittene Symptome:
- Deformitäten: In fortgeschrittenen Stadien kommt es zu sichtbaren Deformationen der Finger- und Daumengelenke.
- Funktionsverlust: Die Patienten haben Schwierigkeiten, alltägliche Bewegungen und Aufgaben wie Greifen und Halten von Gegenständen durchzuführen.
Progression und Organbeteiligung
Lokale Gewebeveränderungen:
- Knorpelabbau: Der fortschreitende Knorpelverlust führt zur Exposition des subchondralen Knochens, was den Reibungswiderstand und die Schmerzen erhöht.
- Knochen-Knochen-Kontakt: In fortgeschrittenen Stadien tritt der Knochen-Knochen-Kontakt auf, was die Schmerzsymptomatik weiter verschlechtert.
Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:
-
Chronische Schmerzsyndrome: Anhaltende Schmerzen und Einschränkungen können zu einer zentralen Sensibilisierung und psychischen Belastung führen.
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaften:
- Gelenkinstabilität: Durch die Degeneration der Knorpel- und Knochenstrukturen verliert das Gelenk seine Stabilität, was zu einer weiteren mechanischen Fehlbelastung führt.
- Bewegungseinschränkung: Die eingeschränkte Beweglichkeit und Gelenksteifigkeit beeinträchtigen die Handfunktion erheblich.
Langfristige Folgen:
-
Funktionsverlust: Der Verlust der Feinmotorik und die zunehmenden Schmerzen führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität.
Regenerative und kompensatorische Prozesse
Versuche der Geweberegeneration:
-
Gestörte Knorpelregeneration: Die Regenerationsfähigkeit des Knorpels ist durch die vermehrte Apoptose der Chondrozyten und die Dysregulation der Wachstumsfaktoren eingeschränkt.
Kompensatorische Mechanismen:
-
Verstärkte Muskelarbeit: In den frühen Stadien versucht der Körper, die Gelenkinstabilität durch verstärkte Muskelarbeit zu kompensieren, was jedoch zu Muskelermüdung führt.
Limitierende Faktoren für Regeneration und Heilung:
-
Chronische Entzündung: Die anhaltende Inflammation verhindert eine vollständige Heilung und verstärkt den degenerativen Prozess.
Zusammenfassung
Die Finger- und Daumengelenkarthrose ist eine chronische, degenerative Gelenkerkrankung, die durch eine Kombination aus mechanischer Überlastung, entzündlichen Prozessen und genetischen Faktoren verursacht wird. Der dreistufige Prozess der Arthroseentwicklung zeigt, wie sich die Krankheit von anfänglichen Risikofaktoren über subklinische Veränderungen bis zu manifesten Beschwerden und dauerhaften Gelenkschäden entwickelt. Die begleitende Inflammation spielt eine zentrale Rolle bei der Verstärkung der Symptome und der Verschlechterung der Gelenkfunktion.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern: z. B. durch Vitamin-D-Rezeptor (VDR)-Genpolymorphismen
- In der asiatischen Population gab es signifikante Zusammenhänge zwischen VDR-Apal-Polymorphismen und Arthrose, nicht jedoch in der Gesamtpopulation [1]
- Es bestand ebenfalls ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen FokI-Polymorphismen und Arthrose; allerdings wurde dieses Ergebnis nur aus zwei Studien abgeleitet [1]
- Genetische Erkrankungen
- Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang mit vermehrter Ablagerung von Eisen als Folge einer erhöhten Eisenkonzentration im Blut mit Gewebeschädigung
- Genetische Erkrankungen
- Geschlecht – Frauen leiden häufiger unter Arthrose als Männer. Eine vermutete Ursache dafür ist die hormonelle Umstellung während der Menopause (Wechseljahre).
- Lebensalter – > 40. Lebensjahr; altersbedingte Knorpeldegeneration durch verminderte Stoffwechselaktivität
- Berufe – Berufe mit lang andauernden schweren körperlichen Belastungen (z. B. Bauarbeiter, insbesondere Bodenleger; Fußballer)
Verhaltensbedingte Ursachen
- Körperliche Aktivität
- Unterbelastung des Knorpels:
- mangelnde körperliche Bewegung – da der Knorpel seine Mikronährstoffe aus der Gelenkflüssigkeit bezieht, ist er darauf angewiesen, dass das Gelenk zur "Knorpeldurchwalkung" bewegt wird
- nutritive Schädigung (z. B. lange Ruhestellung im Gipsverband)
- Überbelastung des Knorpels:
- lang andauernde schwere körperliche Belastungen
- Unterbelastung des Knorpels:
- Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) – führt zu einer Überbeanspruchung der Gelenke
Krankheitsbedingte Ursachen
- Fehlstellung (Varus – Valgus)
- Coxa valga luxans – flache Pfannenbildung
- Subluxation (unvollständige Verrenkung) – z. B. Hüfte, Knie
- Wachstumsstörungen im Epiphysenbereich (Bereich der Wachstumsfugen)
- Endokrinologische Störungen/Erkrankungen
- Akromegalie – endokrinologische Erkrankung, die durch eine Überproduktion des Wachstumshormons (somatotropes Hormon (STH), Somatotropin) hervorgerufen wird, mit ausgeprägter Vergrößerung der Phalangen bzw. Akren, wie beispielsweise Hände, Füße, Unterkiefer, Kinn, Nase und Augenbrauenwülste
- Hyperparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenüberfunktion)
- Metabolische Störungen/Erkrankungen
- Chondrokalzinose (Synonym: Pseudogicht); gichtähnliche Erkrankung der Gelenke, die durch Ablagerung von Calciumpyrophosphat im Knorpel und anderen Geweben entsteht; führt u. a. zu Gelenkdegeneration (häufig des Kniegelenks); Symptomatik ähnelt einem akuten Gichtanfall
- Gicht (Arthritis urica/harnsäurebedingte Gelenkentzündung oder tophische Gicht)/Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut)
- Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit)
- Ochronose – Ablagerung von Homogentisinsäure in der Haut, im Bindegewebe und im Knorpel
- Rachitis (Synonym: Englische Krankheit) – Erkrankung des wachsenden Knochens mit gestörter Mineralisation der Knochen und Desorganisation der Wachstumsfugen bei Kindern
- Chronische Arthropathie – eine Reihe von Erkrankungen kann zu einer sekundären Gelenkerkrankung führen. Dabei können sowohl entzündliche als auch nicht-entzündliche Vorgänge eine Rolle spielen. Beispiele sind Gelenkveränderungen bei Hyperurikämie (Gicht) – Harnsäure-bedingt, Diabetes mellitus – Glucose-bedingt, Hämophilie (Bluterkrankheit) oder Lepra.
- Entzündlichen Gelenkerkrankungen
- Rheumatische Gelenkerkrankungen
- Posttraumatisch (nach Gelenktrauma/Gelenkverletzung; Luxation (Verrenkung/Auskugelung))
Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten
- Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut)
Literatur
- Zhu ZH, Jin XZ, Zhang W, Chen M, Ye DQ, Zhai Y, Dong FL, Shen CL, Ding C: Associations between vitamin D receptor gene polymorphisms and osteoarthritis: an updated meta-analysis. Rheumatology (Oxford). 2014 Feb 4