Fibromyalgie – Einleitung

Die Fibromyalgie – umgangssprachlich Faser-Muskel-Schmerzsyndrom genannt – ist ein weitverbreitetes Syndrom, welches zu chronischen Schmerzen (mindestens 3 Monate) in mehreren Körperregionen führen kann. Davon kann das gesamte muskuloskettale System (Muskelschmerzen wechselnder Lokalisation) betroffen sein; zusätzlich können noch Steifigkeit, Empfindungsstörungen, Schlafstörungen bzw. nicht erholsamer Schlaf, Müdigkeit bzw. chronische Erschöpfungsneigung (körperlich und/oder geistig) sowie kognitive Beeinträchtigungen auftreten.

Synonyme und ICD-10: Fibromyalgie-Syndrom (FMS); Fibromyositis; Weichteilrheumatismus; ICD-10-GM M79.70: Fibromyalgie

Da das Beschwerdebild durch einen Symptomenkomplex definiert wird, ist der Begriff "Fibromyalgie-Syndrom" angemessener als der Begriff "Fibromyalgie".

Kriterien für die klinische Diagnose des Fibromyalgie-Syndroms (FMS) siehe unter Klassifikation.

Einige Rheumatologen und Schmerzmediziner klassifizieren das FMS als "zentrales Hypersensitivitätssyndrom" [1].

Die chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen (engl.: chronic widespread pain [CWP]) im Rahmen des Fibromyalgie-Syndroms können spezifische Ursachen haben (z. B. entzündlich rheumatische Erkrankung). Bei den meisten Patienten mit chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen lassen sich jedoch keine spezifischen somatischen Krankheitsursachen finden. Die Fibromyalgie wird deshalb auch als funktionelles somatisches Syndrom bezeichnet. Es kann dabei mit depressiven Störungen assoziiert sein.

Eine optimale Behandlung macht eine frühe Diagnosestellung erforderlich, was leider selten der Fall ist.

Formen der Fibromyalgie

Die Fibromyalgie kann in verschiedene Formen unterteilt werden, die auf den unterschiedlichen Schweregraden und der Symptomatik basieren:

  • Primäre Fibromyalgie: Diese Form tritt ohne bekannte Ursache oder zugrunde liegende Erkrankung auf und ist die häufigste Form. Die Diagnose basiert auf den charakteristischen Symptomen wie weitverbreiteten Schmerzen und chronischer Müdigkeit.
  • Sekundäre Fibromyalgie: Entwickelt sich infolge anderer Erkrankungen, wie rheumatoide Arthritis, Lupus erythematodes oder andere Autoimmunerkrankungen. Diese Form tritt als Komplikation oder Begleiterscheinung der Grunderkrankung auf.
  • Posttraumatische Fibromyalgie: Tritt nach physischen oder psychischen Traumata auf. Diese Form ist durch eine Vorgeschichte von Verletzungen oder starken emotionalen Belastungen gekennzeichnet.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Frauen zu Männern beträgt 4 : 3
Die Deu­tsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) kommt auf Basis von Daten ihres Praxisregisters Schmerz zum Ergebnis, dass 14,3 % der identifizierten Patienten Männer sind [3].

Häufigkeitsgipfel: Die Erkrankung tritt vorwiegend zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr auf.

Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): In der allgemeinen erwachsenen Bevölkerung verschiedener Länder liegt die Prävalenz zwischen 0,7 und 8 %. In Deutschland beträgt die Prävalenz etwa 3,5 %. Bei Frauen zwischen dem 70. und 79. Lebensjahr beträgt die Prävalenz sogar 7,4 %. Insgesamt sind in Deutschland etwa 3 bis 3,5 Millionen Menschen betroffen.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Das Fibromyalgie-Syndrom (FMS) ist eine chronische Erkrankung, die durch weitverbreitete Schmerzen und eine Vielzahl weiterer Symptome wie Müdigkeit, Schlafstörungen und kognitive Beeinträchtigungen gekennzeichnet ist. Der Verlauf ist oft wechselhaft und individuell unterschiedlich:

  • Initialphase: Zu Beginn der Erkrankung können die Symptome schleichend auftreten. Viele Patienten berichten über allgemeine Muskelschmerzen und Erschöpfung. Die Diagnose wird häufig verzögert, da die Symptome unspezifisch sind und sich mit anderen Erkrankungen überschneiden können.
  • Chronische Phase: Im weiteren Verlauf verstärken sich die Schmerzen und die Begleitsymptome wie Schlafstörungen und kognitive Probleme. Diese Phase kann sich über Jahre hinziehen und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Patienten erleben oft Schmerzschübe, die mehrere Tage andauern können.
  • Langzeitverlauf: Mit zunehmendem Alter, insbesondere jenseits des 60. Lebensjahres, können die Beschwerden bei einigen Patienten abnehmen. Andere Patienten haben weiterhin mit starken Symptomen zu kämpfen, die jedoch in ihrer Intensität variieren können.
  • Remissionsphase: Bei frühzeitiger Diagnose und adäquater Therapie können bis zu 50 % der Patienten innerhalb der ersten zwei Krankheitsjahre eine Remission (Beschwerdefreiheit) erreichen. Im späteren Verlauf der Erkrankung nimmt die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Remission ab.

Prognose

Die Prognose des Fibromyalgie-Syndroms ist individuell sehr unterschiedlich und hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Behandlungsbeginn und -intensität: Eine frühzeitige Diagnose und ein umfassender Behandlungsansatz, der sowohl nicht-pharmakologische als auch pharmakologische Maßnahmen umfasst, verbessern die Prognose erheblich. Insbesondere anaerobe Übungen und Krafttraining haben sich als effektiv erwiesen.
  • Symptommanagement: Die konsequente Anwendung von Therapieansätzen zur Schmerz- und Symptomlinderung kann die Lebensqualität deutlich verbessern. Dazu gehören Medikamente, Physiotherapie und psychosoziale Unterstützungsmaßnahmen.
  • Langzeitverlauf: Die Lebenserwartung ist durch das Fibromyalgie-Syndrom nicht herabgesetzt. Viele Patienten lernen, mit der Erkrankung zu leben und finden Wege, ihre Symptome zu managen. Es gibt jedoch auch Patienten, bei denen die Symptome chronisch und schwerwiegend bleiben, was zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten führt.
  • Komorbiditäten: Das Vorhandensein von Begleiterkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder somatoformen Störungen kann den Verlauf und die Prognose negativ beeinflussen. Ein umfassender Therapieansatz, der auch diese Begleiterkrankungen adressiert, ist daher wichtig.

Beachte: Bei einer Nachuntersuchung von Patienten mit der Diagnose "Fibromyalgie" entsprachen nur knapp 40 % der Diagnosen den vom American College of Rheumatology festgelegten Kriterien, d. h. die Diagnose "Fibromyalgie" wird möglicherweise zu häufig gestellt [2]. Hinweis: Die Studie war mit einer Teilnehmerzahl von insgesamt nur 56 zu klein, um daraus allgemeingültige Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Eine optimale Behandlung macht eine frühe Diagnosestellung erforderlich, was leider selten der Fall ist. Daher ist es entscheidend, dass sowohl Patienten als auch Ärzte frühzeitig sensibilisiert werden, um die Erkrankung zu erkennen und zu behandeln.

Komorbiditäten 

Das Fibromyalgie-Syndrom ist vermehrt mit seelischen Störungen (75 %), z. B. Angststörungen, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), somatoforme Störungen und körperlichen Krankheiten wie Kreuzschmerz, Arthrose, gastrointestinale (den Magen-Darm-Trakt betreffende) Schmerzen, Kopf- und Gesichtsschmerzen, urogenitale Schmerzen sowie Chronic-Fatigue-Syndrom (chronisches Müdigkeitssyndrom) (90 %), Insomnie (Schlafstörungen) und kognitiven Beeinträchtigungen vergesellschaftet.
Beachte: Patienten mit Fibromyalgie geben mit 15,7 % Suizidgedanken an (in der Gesamtpopulation 1,3 Prozent) [3].

Literatur

  1. Yunus MB: Editorial review: an update on central sensitivity syndromes and the issues of nosology and psychobiology. Curr Rheumatol Rev 2015;11(2):70-85.
  2. Gittins R et al.: The Accuracy of a Fibromyalgia Diagnosis in General Practice. Pain Medicine 2018; 19: 491-498; https://doi.org/10.1093/pm/pnx155
  3. Pressemitteilung: Michael Überall, Vizepräsident der DGS, Register Schmerz 2022

Leitlinien

  1. DGS-PraxisLeitlinie: FibroMyalgie-Syndrom. Februar 2021 Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms. (AWMF-Registernummer: 145-004), März 2017 Kurzfassung Langfassung