Dermatomyositis – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Dermatomyositis ist eine entzündliche Erkrankung der Haut und der Muskulatur, deren genaue Ursachen bislang nicht vollständig geklärt sind. Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der genetische Prädispositionen und pathologische Immunreaktionen eine zentrale Rolle spielen. Typisch für die Dermatomyositis sind symmetrische Muskelschwächen und charakteristische Hautveränderungen.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

Initialer Pathomechanismus:

  • Genetische Faktoren: HLA-Assoziationen (bestimmte Varianten des Haupthistokompatibilitätskomplexes, HLA) sind bei vielen Patienten nachweisbar. Diese genetischen Prädispositionen erhöhen das Risiko, eine Autoimmunerkrankung wie die Dermatomyositis zu entwickeln.
    • HLA-Typen: HLA-DRB1 und HLA-DQA1 sind bekannte genetische Marker, die mit der Dermatomyositis in Verbindung stehen.

Autoimmunologische Prozesse:

  • Autoantikörper: Bei einem Teil der Patienten lassen sich spezifische Autoantikörper im Blut nachweisen, die eine Fehlsteuerung des Immunsystems anzeigen. Diese Autoantikörper greifen körpereigene Strukturen, insbesondere die Muskulatur und Haut, an.
    • Beispiele: Anti-Mi-2, Anti-Jo-1 und Anti-SRP-Antikörper sind bekannte Autoantikörper, die mit der Dermatomyositis assoziiert sind.
  • Immunkomplexablagerungen: Es kommt zur Ablagerung von Immunkomplexen (Verbindungen aus Antikörpern und Antigenen) in den kleinen Blutgefäßen, vor allem in der Haut und Muskulatur.
    • Folge: Diese Ablagerungen führen zu Entzündungen der Gefäße (Vaskulitis) und zu einer gestörten Durchblutung der betroffenen Gewebe, was die charakteristischen Haut- und Muskelschäden verursacht.

Molekulare und zelluläre Veränderungen:

  • T-Zell-vermittelte Immunantwort: CD4+ T-Lymphozyten (spezifische Immunzellen) spielen eine Schlüsselrolle in der Entstehung der Entzündung. Sie aktivieren andere Immunzellen und fördern die Produktion von Zytokinen (entzündungsfördernde Botenstoffe).
    • Zytokine: Proinflammatorische Zytokine wie Interferon-gamma (IFN-γ) und Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (TNF-α) fördern die chronische Entzündung und verstärken den Gewebeabbau in den Muskeln und der Haut.

Entwicklung struktureller Veränderungen:

  • Muskelschädigung: Die chronische Entzündung führt zur fortschreitenden Schädigung der Muskelzellen. Histologisch zeigt sich eine Atrophie (Verlust) der Muskelfasern sowie eine lymphozytäre Infiltration im Muskelgewebe.
    • Folge: Muskeldegeneration und Schwäche, vor allem in der proximalen Muskulatur (z. B. Schultern und Hüfte).
  • Hautschädigung: Die Vaskulitis führt zu typischen Hautveränderungen wie dem Heliotropen Exanthem (violette Verfärbung der Augenlider) und Gottron-Papeln (rötlich-lilafarbene Knötchen an den Streckseiten der Gelenke).
    • Folge: Die Haut verliert ihre Elastizität und zeigt entzündliche Veränderungen.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

Veränderungen in der Gewebsarchitektur:

  • Fibrosebildung: Chronische Entzündungen können zur Bildung von Narbengewebe (Fibrose) in den betroffenen Muskeln führen, was die Funktionalität weiter einschränkt.
    • Folge: Verlust der Muskelkraft und Einschränkung der Beweglichkeit.
  • Gefäßveränderungen: Durch die Ablagerung von Immunkomplexen und die Entzündung der Gefäßwände kann es zu einer Verengung der Blutgefäße kommen, was die Durchblutung weiter reduziert.
    • Folge: Ischämie (Minderdurchblutung), die die Gewebeschäden verstärkt.

Beteiligung des umgebenden Gewebes:

  • Muskuläre Dysfunktion: Die chronische Entzündung und der Zelltod in den Muskeln führen zu einer allgemeinen Schwäche, die sich besonders auf die proximalen Muskeln konzentriert.
    • Beispiele: Schwierigkeiten beim Heben der Arme oder beim Treppensteigen sind typische klinische Manifestationen.

Vaskuläre Veränderungen:

  • Vaskulitis: Die Entzündung der kleinen Blutgefäße führt zu einer verminderten Blutversorgung der betroffenen Haut- und Muskelbereiche.
    • Folge: Hypoxie (Sauerstoffmangel) und weitere Gewebeschäden.

Klinische Manifestation

Leitsymptome:

  • Muskelschwäche: Symmetrische proximale Muskelschwäche ist das Hauptsymptom der Dermatomyositis. Sie betrifft vor allem die Muskulatur von Schultern, Hüfte und Oberschenkeln.
    • Folge: Betroffene haben Schwierigkeiten beim Heben der Arme, Treppensteigen oder Aufstehen aus dem Sitzen.
  • Hautveränderungen: Charakteristische Hautsymptome sind das heliotrope Exanthem (violette Verfärbung der Augenlider) und Gottron-Papeln (erhabene rötlich-lilafarbene Knötchen auf den Streckseiten der Gelenke).
    • Zusätzliche Symptome: Hautrötungen an Hals, Brust und Rücken (sog. "Shawl-Zeichen").

Fortgeschrittene Symptome:

  • Dysphagie (Schluckstörungen): Bei fortgeschrittener Erkrankung kann die Schluckmuskulatur betroffen sein, was zu Schwierigkeiten beim Schlucken führt.
    • Folge: Erhöhtes Risiko für Aspiration (Eindringen von Nahrung oder Flüssigkeit in die Atemwege).
  • Systemische Beteiligung: In schweren Fällen kann die Dermatomyositis auch die Lunge, das Herz oder den Magen-Darm-Trakt betreffen.
    • Lungenbeteiligung: Interstitielle Lungenerkrankungen treten häufig auf, was zu Atembeschwerden führen kann.

Progression und Organbeteiligung

Lokale Gewebeveränderungen:

  • Muskelatrophie: Mit fortschreitender Krankheit kommt es zu einem Abbau der Muskelmasse, was zu einer zunehmenden Schwäche und Bewegungseinschränkung führt.
  • Hautatrophie: Die entzündlichen Hautveränderungen können zu einer Ausdünnung und Vernarbung der Haut führen, was das typische Erscheinungsbild der Dermatomyositis weiter prägt.

Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:

  • Multisystembeteiligung: Bei chronischen Verläufen können neben der Muskulatur auch andere Organsysteme betroffen sein, wie die Lunge, das Herz und der Magen-Darm-Trakt.
    • Beispiele: Atemnot, Herzrhythmusstörungen und gastrointestinale Beschwerden.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

Beeinträchtigung der Muskelkraft:

  • Fortschreitender Muskelverlust: Die chronische Entzündung führt zu einem fortschreitenden Verlust der Muskelkraft, insbesondere in den proximalen Muskelgruppen.
    • Folge: Einschränkungen der Alltagsaktivitäten wie Gehen, Treppensteigen oder Heben von Gegenständen.

Langfristige Folgen:

  • Bewegungseinschränkungen: Die Fibrosebildung in den Muskeln führt zu einer Einschränkung der Gelenkbeweglichkeit und der Bewegungsreichweite.
  • Chronische Schmerzen: Die anhaltende Entzündung verursacht nicht nur Schwäche, sondern auch chronische Schmerzen in Muskeln und Gelenken.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

Versuche der Geweberegeneration:

  • Regenerative Muskelprozesse: Der Körper versucht, die beschädigten Muskelzellen zu regenerieren, was jedoch durch die chronische Entzündung und Fibrosebildung eingeschränkt wird.
    • Folge: Minderwertige Gewebereparatur und eingeschränkte Regeneration der Muskelkraft.

Kompensatorische Anpassungsmechanismen:

  • Muskelhypertrophie in nicht betroffenen Bereichen: In den weniger betroffenen Muskelbereichen kann es zu einer kompensatorischen Hypertrophie (Vergrößerung der Muskeln) kommen, um den Funktionsverlust auszugleichen.
  • Ersatzbewegungen: Patienten entwickeln kompensatorische Bewegungsmuster, um die Funktionseinschränkungen auszugleichen, was jedoch zu einer Überlastung anderer Muskeln führen kann.

Limitierende Faktoren für Regeneration und Heilung:

  • Chronische Entzündungsprozesse: Anhaltende Entzündungen verhindern eine vollständige Gewebereparatur und führen zu weiteren Schädigungen.
  • Fibrosebildung: Die Entzündungsprozesse fördern die Bildung von Narbengewebe, das die Regenerationsfähigkeit der betroffenen Muskeln und Haut weiter einschränkt.

Zusammenfassung

Die Dermatomyositis ist eine Autoimmunerkrankung, bei der genetische Faktoren und pathologische Immunreaktionen eine zentrale Rolle spielen. Die Entzündung der Haut und Muskulatur führt zu einer fortschreitenden Degeneration der betroffenen Gewebe, die sich durch Muskelschwäche und charakteristische Hautveränderungen manifestiert. Autoantikörper und Immunkomplexablagerungen tragen zur Gewebeschädigung bei, während chronische Entzündungsprozesse die Regeneration behindern und zu einer Verschlechterung der Funktion führen. Ohne frühzeitige Behandlung können systemische Komplikationen auftreten, die die Prognose verschlechtern.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung
    • für alle idiopathischen Myositiden bei den Haplotypen HLA-B8, HLA DRB 03
    • für die juvenile und adulte Dermatomyositis bei den Haplotypen HLA-A68, HLA-DR3

Bei bestehender Autoimmundispostion kommen folgende Provokationsfaktoren (Auslöser) in Betracht:

  • Muskelbelastung
  • Virusinfektionen (Coxsackie-, Picorna-Viren)
  • Medikamente (selten):
    • Allopurinol (Urostatikum/zur Behandlung von erhöhten Harnsäurewerten)
    • Antimalariamittel wie Chloroquin
    • D-Penicillamin (Antibiotikum)
    • Interferon alpha (antivirale und antitumorale Wirkungen)
    • Procainamid (Lokalanästhetikum)
    • Simvastatin (Statine; Lipidsenker)
    • ggf. weitere, siehe dazu unter Differentialdiagnosen/Medikamente
  • UV-Bestrahlung

Weitere Ursachen

  • Rhinoplastik (Nasenplastik; Nasenkorrektur) mit Filler-Anwendung (flüssiges Silikon): nach 22 Jahren ist nach Injektion von flüssigem Silikon eine Dermatomyositis aufgetreten (= ASIA (autoimmune/inflammatory syndrome induced by adjuvants)) [1]

Literatur

  1. Hu HC et al.: Dermatomyositis Induced by Filler Rhinoplasty Using Liquid Silicone. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2019; https://doi.org/10.1001/jamaoto.2019.3629