Brustkorbverletzung (Thoraxtrauma) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Ein Thoraxtrauma (Brustkorbverletzung) entsteht durch äußere Gewalteinwirkung auf den Brustkorb und kann verschiedene Organe und Strukturen betreffen, darunter Rippen, Lunge, Herz und Blutgefäße. Es wird nach der Ursache in stumpfes und offenes (penetrierendes) Thoraxtrauma unterteilt. Stumpfe Verletzungen machen etwa 90 % der Fälle aus und entstehen typischerweise bei Verkehrsunfällen oder Stürzen, während offene Verletzungen durch Schuss-, Stich- oder Pfählungsverletzungen entstehen. Diese Verletzungen können sowohl die Thoraxwand als auch die inneren Organe betreffen und zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

Initialer Pathomechanismus:

  • Stumpfes Thoraxtrauma: Durch Schlag oder Anprall (z. B. bei Verkehrsunfällen oder Skikollisionen) wird ein Teil der kinetischen Energie von der Thoraxwand absorbiert, der Rest dringt tiefer in den Brustkorb ein.
    • Thoraxprellung (Commotio thoraci): Prellung des Brustkorbs ohne knöcherne Beteiligung.
    • Thoraxquetschung (Contusio thoracis): Hierbei sind auch die inneren Organe im Brustraum (intrathorakale Organe) beteiligt.
    • Folge: Bei jüngeren Menschen ist der Brustkorb elastischer, sodass mehr Energie auf die Organe im Thorax trifft. Bei älteren Menschen hingegen brechen häufig die Rippen, was zu Rippenfrakturen oder Sternumfrakturen führt.
  • Offenes (penetrierendes) Thoraxtrauma: Bei einer offenen Verletzung durch Stich-, Schuss- oder Pfählungsverletzungen wird die Thoraxwand durchbohrt, wodurch Organe im Brustraum direkt verletzt werden.
    • Folge: Direkte Verletzungen der Lunge, des Herzens oder der Blutgefäße, was zu Blutungen und Pneumothorax (Luftansammlung im Pleuraspalt) führen kann.

Molekulare und zelluläre Veränderungen:

  • Entzündungsreaktion: Mechanische Gewebeschädigungen durch die traumatische Einwirkung führen zu einer lokalen Entzündungsreaktion. Zytokine (entzündungsfördernde Proteine) werden freigesetzt, was zu einer akuten Immunantwort führt.
    • Akute Phase: Es wandern Leukozyten (weiße Blutkörperchen) in das geschädigte Gewebe ein, um die Heilung zu unterstützen.
    • Folge: Ödembildung und lokale Schwellung des betroffenen Gewebes.

Entwicklung struktureller Veränderungen:

  • Rippenfrakturen: Besonders bei älteren Patienten führt ein stumpfes Thoraxtrauma häufig zu Rippenfrakturen, bei denen mindestens drei benachbarte Rippen betroffen sind (Rippenserienfraktur).
    • Sternumfraktur: Das Brustbein (Sternum) kann ebenfalls brechen, was zusätzliche mechanische Instabilität verursacht.
  • Lungenverletzungen: Durch direkte Einwirkung oder Rippenbrüche kann es zu Lungenverletzungen kommen, wie Lungenkontusionen (Lungenprellungen) oder Pneumothorax.
    • Pneumothorax: Eindringen von Luft in den Pleuraspalt (Raum zwischen Lungen- und Brustfell), was den Kollaps der Lunge zur Folge haben kann.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

Veränderungen in der Gewebsarchitektur:

  • Lungenkontusion: Bei stumpfer Gewalteinwirkung kann das Lungengewebe gequetscht werden, was zu Blutungen in der Lunge und einer gestörten Sauerstoffaufnahme führt.
    • Folge: Ödembildung in der Lunge, die den Gasaustausch beeinträchtigt und zu Atemnot führt.
  • Pleuraerguss: Ansammlung von Blut oder anderen Flüssigkeiten im Pleuraspalt als Folge der Verletzung.
    • Folge: Dies führt zu einer weiteren Einschränkung der Lungenfunktion und zu Atembeschwerden.

Beteiligung des umgebenden Gewebes:

  • Herzverletzungen: Bei schweren stumpfen oder penetrierenden Traumata kann das Herz direkt betroffen sein, was zu einer Herzbeuteltamponade (Blutansammlung im Herzbeutel) oder Myokardverletzungen (Herzmuskelverletzungen) führen kann.
    • Folge: Akute Beeinträchtigung der Herzfunktion, die schnell zu einem Kreislaufkollaps führen kann.

Vaskuläre Veränderungen:

  • Blutungen: Sowohl bei stumpfen als auch penetrierenden Thoraxtraumen kommt es häufig zu schweren Blutungen, besonders bei Verletzungen großer Blutgefäße wie der Aorta.
    • Folge: Innerliche Blutungen können schnell lebensbedrohlich werden, insbesondere wenn sie nicht sofort behandelt werden.

Klinische Manifestation

Leitsymptome:

  • Brustschmerzen: Scharfe, stechende oder dumpfe Schmerzen im Brustbereich, die sich bei Bewegung, Atmung oder Druck auf den Thorax verstärken.
    • Häufigkeit: Tritt bei nahezu allen Patienten mit Thoraxtrauma auf, unabhängig von der Ursache.
  • Atemnot (Dyspnoe): Aufgrund von Lungenkontusionen, Rippenfrakturen oder Pneumothorax kommt es häufig zu akuten Atembeschwerden.
    • Folge: Der eingeschränkte Gasaustausch in der Lunge führt zu Sauerstoffmangel (Hypoxie).

Fortgeschrittene Symptome:

  • Zyanose (Blaufärbung der Haut): Sauerstoffmangel im Blut führt zu einer Blaufärbung von Lippen, Nägeln und Haut.
    • Ursache: Eingeschränkte Lungenfunktion oder massive Blutungen, die den Sauerstoffgehalt im Blut reduzieren.
  • Kreislaufversagen: Bei schweren Blutungen oder Herzverletzungen kann es zu einem raschen Kreislaufkollaps kommen.
    • Symptome: Niedriger Blutdruck, schneller Puls, Blässe und Bewusstseinsverlust.

Progression und Organbeteiligung

Lokale Gewebeveränderungen:

  • Verletzungen der Lunge: Lungenkontusionen und Pneumothorax führen zu einer eingeschränkten Lungenfunktion und können zu einem Lungenkollaps (Atelektase) führen.
    • Folge: Der Gasaustausch ist stark beeinträchtigt, was zu schwerer Atemnot führt.
  • Rippenfrakturen und Serienfrakturen: Mehrere gebrochene Rippen führen zu einer Instabilität des Brustkorbs und können die Atmung erschweren.
    • Bewegungseinschränkung: Die Schmerzen durch die Rippenfrakturen führen dazu, dass die Betroffenen flacher atmen, was das Risiko für Lungenentzündungen erhöht.

Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:

  • Chronische Atembeschwerden: Infolge von Verletzungen der Lunge oder Rippen können Patienten langfristige Atembeschwerden entwickeln.
    • Langfristige Folgen: Langsame Heilung der Lunge und eventuell dauerhafte Einschränkungen der Atemkapazität.

Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden

Beeinträchtigung der Organfunktionen:

  • Eingeschränkte Lungenfunktion: Verletzungen der Lunge oder der Rippen beeinträchtigen die Fähigkeit, tief zu atmen, was die Sauerstoffversorgung des Körpers vermindert.
    • Folge: Verringerte körperliche Leistungsfähigkeit und erhöhte Atemnot bei Belastung.

Langfristige Folgen:

  • Verwachsungen (Adhäsionen): Narbengewebe, das sich nach schweren Verletzungen bildet, kann zu Verwachsungen im Brustkorb führen.
    • Folge: Diese Verwachsungen schränken die Beweglichkeit der Lunge ein und können chronische Schmerzen verursachen.

Regenerative und kompensatorische Prozesse

Versuche der Geweberegeneration:

  • Narbenbildung: Nach Verletzungen des Brustkorbs versucht der Körper, das beschädigte Gewebe durch Narbenbildung zu reparieren.
    • Folge: Funktionseinschränkungen durch die Bildung von Narbengewebe in der Lunge oder im Brustkorb.

Kompensatorische Anpassungsmechanismen:

  • Erhöhte Atemfrequenz: Der Körper versucht, den eingeschränkten Gasaustausch durch eine schnellere Atmung auszugleichen.
    • Folge: Dies kann zu Ermüdung und weiteren Atembeschwerden führen.

Limitierende Faktoren für Regeneration und Heilung:

  • Schwere der Verletzung: Bei schweren Rippenfrakturen oder Verletzungen der Lunge kann die Heilung erschwert und die Regenerationsfähigkeit stark eingeschränkt sein.
    • Folge: Langwierige Genesung und mögliche dauerhafte Funktionsverluste.

Zusammenfassung

Ein Thoraxtrauma, sei es stumpf oder penetrierend, kann schwerwiegende Folgen für die Funktion des Brustkorbs und der darin enthaltenen Organe haben. Die häufigsten Komplikationen sind Rippenbrüche, Lungenverletzungen und Pneumothorax, die zu Atemnot und Kreislaufproblemen führen können. In schweren Fällen kann es zu einem Lungenkollaps, schweren Blutungen oder Herzverletzungen kommen. Eine schnelle medizinische Versorgung ist entscheidend, um lebensbedrohliche Komplikationen zu verhindern und die langfristige Funktion des Brustkorbs zu erhalten.

Ätiologie (Ursachen)

Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen (S00-T98)

  • Anpralltrauma – stumpfe Gewalteinwirkung durch Anprall, z. B. an den Autogurt oder an das Lenkrad (Verkehrsunfall)
  • Dezelerationstrauma (plötzliche Unterbrechung einer schnellen Körperbewegung) – z. B. bei Stürzen aus größerer Höhe
  • Einklemmung
  • Iatrogen (vom Arzt verursacht) im Rahmen von operativen Eingriffen
  • Stich-, Schuss- oder Pfählungsverletzungen
  • Tritte/Schläge gegen den Thorax
  • Überrolltrauma
  • Verschüttung

Weiteres

Ein Thoraxtrauma kann auch iatrogen, das heißt vom Arzt verursacht, sein. Im Rahmen folgender Eingriffe kann es zu Verletzungen im Bereich des Brustkorbs kommen:

  • Tracheotomie (Luftröhrenschnitt) – tracheobronchiale (zur Luftröhre und zu den Bronchien gehörig) Rupturen ("Risse")
  • Intubation (Einführen eines Tubus (einer Hohlsonde) in die Trachea)