Brustkorbverletzung (Thoraxtrauma) – Einleitung

Unter einem Thoraxtrauma – umgangssprachlich als Brustkorbverletzung bekannt – versteht man eine Verletzung des Brustkorbs (Thorax), die durch mechanische Gewalteinwirkung verursacht wird. Häufig sind auch die im Thorax befindlichen Organe, wie Lunge, Herz, Blutgefäße, Speiseröhre und Luftröhre, mit betroffen. Zentrale Probleme des Thoraxtraumas stellen insbesondere Hypoxie (Sauerstoffmangel) und Hypovolämie (Volumenmangel) dar, die rasch zum Tod führen können.

Synonyme und ICD-10: offenes Thoraxtrauma; stumpfes Thoraxtrauma; thorakale Verletzung; Thoraxverletzung; Verletzung des Thorax; ICD-10-GM S29.9: Nicht näher bezeichnete Verletzung des Thorax

Rund 15 % aller Unfallverletzungen sind Verletzungen des Thorax. Meist tritt ein Thoraxtrauma als Begleitverletzung eines Polytraumas (Mehrfachverletzung) auf. In diesem Fall verdoppelt sich die Mortalität (Anzahl der Todesfälle in einem bestimmten Zeitraum, bezogen auf die Anzahl der betreffenden Population). Bei Polytraumen treten am häufigsten kombinierte Verletzungen von Schädel und Extremitäten auf, gefolgt von Thorax und Extremitäten, Thorax und Schädel, Thorax und Abdomen (Bauch). Das Thoraxtrauma ist nach dem Schädel-Hirn-Trauma (SHT) die zweithäufigste Todesursache bei Polytraumapatienten.
Isolierte Thoraxtraumen (Verletzungen des Thorax' (Brustkorb) ohne Begleitverletzungen) sind selten (5 %).

Formen des Thoraxtraumas

Nach der Ursache 

  • Stumpfes Thoraxtrauma (ohne knöcherne Beteiligung) – durch Schlag oder Anprall (z. B. Verkehrs- oder Arbeitsunfälle; Skikollision); ca. 90 % der Fälle; ca. 30  % dieser Patienten zeigen eine erhöhte Mortalität [3]
    • Thoraxprellung (Commotio thoraci) 
    • Thoraxquetschung (Contusio thoracis) – Mitbeteiligung intrathorakaler Organe (in der Brusthöhle gelegene Organe)
  • Offenes (penetrierendes/in die Brustkorbwand eindringendes) Thoraxtrauma – durch Stich-, Schuss- oder Pfählungsverletzungen; ca. 10 % der Fälle

Im Rahmen eines Thoraxtraumas können Verletzungen des Brustkorbs, des Mediastinums ("Mittelfellraum"/Raum zwischen den Lungenflügeln) sowie der Lungen auftreten (s. u. "Folgeerkrankungen").

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen.

Häufigkeitsgipfel:
Der Altersgipfel eines Thoraxtraumas liegt im 3. Lebensjahrzehnt.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Thoraxtraumata machen 10-15 % aller unfallbedingten Krankenhausaufnahmen aus.

Verlauf und Prognose

Verlauf

Ein Thoraxtrauma stellt eine lebensbedrohliche Notfallsituation dar. Die meisten Todesfälle ereignen sich unmittelbar nach oder innerhalb der ersten sechs Stunden nach dem Trauma. Die erste Stunde in der Notaufnahme, um geeignete Maßnahmen zu ergreifen, ist besonders entscheidend [4].

Prognose

Ungefähr 25 % aller tödlichen Unfallverletzten sterben an Thoraxverletzungen. Bei vielen Patienten ist auf den ersten Blick keine äußere Verletzung des Thorax erkennbar, jedoch können schwere intrathorakale Verletzungen vorliegen. In 70 % der Fälle handelt es sich nicht um eine isolierte Verletzung des Thorax, sodass stets ein Polytrauma in Betracht gezogen werden muss. Bei jungen Unfallopfern wird ein Großteil der kinetischen Energie ins Körperinnere weitergeleitet, was häufig zu Lungenkontusionen führt. Bei älteren Menschen, deren Thorax weniger elastisch ist, kommt es häufiger zu knöchernen Verletzungen.

Die Letalität (Sterblichkeit bezogen auf die Gesamtzahl der betroffenen Patienten) beträgt bis zu 9,4 % und ergibt sich aus den schweren Begleitverletzungen: Aortenverletzungen (15,6 %), viszerale (die Gefäße betreffende) Verletzungen (12,5 %), Herzverletzungen (12,5 %), Beckenverletzungen (10,9 %) und Schädelverletzungen (10,2 %) [1]. Bei durch Stich- und Schussverletzungen verursachten penetrierenden Herzverletzungen liegt die Mortalität (Sterberate) zwischen 35 und 82 % [2].

Literatur

  1. Kulshrestha P, Munshi I, Wait R: Profile of chest trauma in a level I trauma center. J Trauma 2004 Sep;57(3):576-81.
  2. Ralf Gahr (Hrsg.): Handbuch der Thorax-Traumatologie. Band I und II, Einhorn-Presse Verlag
  3. Bouzat P, Raux M, David JS et al.: Chest trauma: first 48hours management. Anaesth Crit Care Pain Med 2017 Apr;36(2):135-145. doi: 10.1016/j.accpm.2017.01.003. Epub 2017 Jan 16.
  4. Helsloot D et al.: The first hour of trauma reception is critical for patients with major thoracic trauma: A retrospective analysis from the TraumaRegister DGU. Eur J Anaesthesiol 2023; https://doi.org/10.1097/EJA.0000000000001834

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Polytrauma / Schwerverletzten-Behandlung. (AWMF-Registernummer: 187 - 023), Dezember 2022 Kurzfassung Langfassung
  2. S3-Leitlinie: Intensivmedizin nach Polytrauma. (AWMF-Registernummer: 040 - 014), Juli 2024 Kurzfassung Langfassung