Arthrose – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Primäre pathophysiologische Mechanismen
Initialer Pathomechanismus:
- Übermäßige Belastung: Repetitives Mikrotrauma oder eine direkte Überbelastung der Gelenke durch schwere körperliche Arbeit, Sport oder Adipositas führen zu einer Beschleunigung der Knorpelabnutzung.
- Belastungsspitzen: Übermäßige Belastung des Gelenks, wie es bei Sportarten oder schwerer Arbeit der Fall ist.
- Adipositas: Erhöhte Belastung durch Übergewicht verstärkt die mechanische Beanspruchung der Gelenke.
- Minderwertiger Knorpel: Knorpel- und Knochenschwäche aufgrund genetischer Prädisposition oder degenerativer Prozesse verringert die Fähigkeit der Gelenke, Belastungen standzuhalten.
- Minderwertiger Knorpel: Reduzierte Widerstandsfähigkeit des Gelenkknorpels aufgrund von strukturellen Defiziten.
- Gelenkinstabilität: Gelenklaxität (Gelenkinstabilität) aufgrund von genetischen oder traumatischen Ursachen kann zu einem vermehrten Verschleiß des Gelenks führen.
- Instabilität: Die verminderte Gelenkstabilität verursacht eine ungleichmäßige Belastung des Gelenks.
- Insuffiziente Matrixsynthese: Eine gestörte Balance zwischen der Synthese und dem Abbau der extrazellulären Matrix führt zu einer unzureichenden Regeneration des Gelenkknorpels.
- Verringerte Proteoglykanproduktion: Dies reduziert die Fähigkeit des Knorpels, Wasser zu binden und somit Stöße abzufedern.
- Vermehrte Apoptose der Chondrozyten: Der programmierte Zelltod der Knorpelzellen wird durch mechanische und entzündliche Prozesse beschleunigt.
- Abnahme der Knorpelzellen: Dieses führt zur fortschreitenden Ausdünnung des Knorpelgewebes und zu einer verminderten Regenerationsfähigkeit.
- Mikrorisse im Knorpel: Diese mikroskopischen Schäden weiten sich zu makroskopischen Defekten aus, was die Belastbarkeit des Gelenks weiter verringert.
- Knorpelverlust: Fortschreitender Verlust des Gelenkknorpels führt zur Freilegung des subchondralen Knochens.
- Bildung von Osteophyten: Knochenanbauten entstehen an den Rändern des betroffenen Gelenks, um die mechanische Stabilität zu erhöhen.
- Osteophyten: Diese können den Gelenkmechanismus weiter einschränken und Schmerzen verursachen.
Veränderungen in der Gewebsarchitektur:
- Synoviale Entzündung: Bei etwa 50 % der Arthrosepatienten entwickelt sich eine synoviale Entzündung, die auch bei geringen strukturellen Veränderungen auftritt.
- Synovitis: Entzündungsreaktionen der Gelenkinnenhaut (Synovialis) verstärken die Schmerzen und beschleunigen den degenerativen Prozess.
- Subchondrale Sklerose: Eine Verdickung des Knochens unterhalb des zerstörten Knorpels tritt aufgrund der erhöhten mechanischen Belastung auf.
- Knochenschwund: Führt zu einer weiteren Einschränkung der Gelenkfunktion.
Beteiligung des umgebenden Gewebes:
- Bänder und Gelenkkapsel: Durch die Instabilität und Überlastung werden die Bänder und die Gelenkkapsel überdehnt und geschädigt.
- Instabilität: Führt zu einer erhöhten Belastung der betroffenen Gelenke und umliegender Strukturen.
Vaskuläre Veränderungen:
- Minderversorgung des Knorpelgewebes: Durch eine verminderte Durchblutung des betroffenen Gelenks wird die Regeneration weiter erschwert.
- Eingeschränkte Nährstoffzufuhr: Verstärkt die Degeneration der Knorpelstruktur.
Klinische Manifestation
Leitsymptome:
- Schmerzen bei Bewegung: Zunächst treten die Schmerzen bei Belastung auf, insbesondere nach Ruhephasen.
- Anlaufschmerzen: Typisch nach längeren Ruhepausen, insbesondere am Morgen oder nach längeren Sitzphasen.
- Bewegungseinschränkung: Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu einer zunehmenden Steifheit und eingeschränkten Beweglichkeit des Gelenks.
- Einschränkung: Aktivitäten wie Gehen, Bücken oder Treppensteigen werden zunehmend erschwert.
Fortgeschrittene Symptome:
- Ruheschmerzen: Mit fortschreitender Degeneration treten die Schmerzen auch in Ruhephasen auf.
- Chronische Schmerzen: Diese führen zu einer dauerhaften Einschränkung der Beweglichkeit und Lebensqualität.
- Deformitäten: Gelenkfehlstellungen wie Varus- (O-Bein) oder Valgusdeformitäten (X-Bein) entstehen im fortgeschrittenen Stadium der Arthrose.
- Gelenkergüsse: Entzündliche Prozesse führen häufig zu Schwellungen und Gelenkergüssen.
Progression und Organbeteiligung
Lokale Gewebeveränderungen:
- Zerstörung des Knorpels: Die fortschreitende Zerstörung des Gelenkknorpels führt zu einer zunehmenden Freilegung des subchondralen Knochens.
- Mechanische Reibung: Dies führt zu Schmerzen bei jeder Bewegung des Gelenks.
Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:
- Sekundärarthrosen: Die veränderte Biomechanik kann zu einer Überlastung benachbarter Gelenke führen, was die Entwicklung von Folgearthrosen fördert.
- Folgeerkrankungen: Überbelastung der benachbarten Gelenke wie Hüfte, Knie und Wirbelsäule.
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaften:
- Verlust der Stoßdämpferfunktion: Der Verlust der Proteoglykane im Knorpel verringert die Fähigkeit, mechanische Belastungen zu absorbieren.
- Mechanische Schmerzen: Dies resultiert in einer verstärkten mechanischen Reibung und Schmerzentstehung.
Reduzierte Funktionalität:
- Einschränkung der Alltagsaktivitäten: Betroffene haben Schwierigkeiten bei alltäglichen Bewegungen wie Gehen, Treppensteigen oder langem Stehen.
- Lebensqualität: Die Schmerzen und Bewegungseinschränkungen schränken die Lebensqualität erheblich ein.
Schmerzentstehung:
- Mechanische und entzündliche Schmerzen: Der Verlust der Knorpel- und Gelenkfunktion führt zu mechanischen Reibungen, während entzündliche Prozesse ebenfalls Schmerzen verursachen.
- Chronische Entzündung: Verstärkte Entzündungsprozesse tragen zur dauerhaften Schmerzhaftigkeit bei.
Regenerative und kompensatorische Prozesse
Versuche der Geweberegeneration:
- Bildung minderwertigen Knorpels: Versuche der Regeneration führen meist zur Bildung von minderwertigem Knorpelgewebe, das weniger belastbar ist.
- Unzureichende Heilung: Die Fähigkeit des Knorpels, sich vollständig zu regenerieren, bleibt eingeschränkt.
Kompensatorische Anpassungsmechanismen:
- Muskuläre Hypertrophie: Die umliegenden Muskeln werden verstärkt belastet, um das Gelenk zu stabilisieren.
- Kompensationsmechanismen: Fehlbelastungen führen langfristig zu Muskelschmerzen und weiteren Schädigungen.
Limitierende Faktoren für Regeneration und Heilung:
- Chronische Entzündungsprozesse: Anhaltende Entzündungen verhindern eine effektive Heilung und fördern die Degeneration.
- Mechanische Überbelastung: Dauerhafte Überbelastung des Gelenks behindert eine erfolgreiche Regeneration.
Zusammenfassung
Die Arthrose entwickelt sich durch eine Kombination aus mechanischer Überbelastung, degenerativen Veränderungen und entzündlichen Prozessen. Dabei führt die fortschreitende Zerstörung des Knorpels zu einer schmerzhaften Einschränkung der Gelenkfunktion. Insuffiziente Regenerationsprozesse und entzündliche Reaktionen verstärken die Symptome. Eine frühzeitige Diagnose und Intervention sind entscheidend, um die Progression der Erkrankung zu verlangsamen und die Gelenkfunktion zu erhalten.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern: z. B. durch Vitamin-D-Rezeptor (VDR)-Genpolymorphismen
- In der asiatischen Population gab es signifikante Zusammenhänge zwischen VDR-Apal-Polymorphismen und Arthrose, nicht jedoch in der Gesamtpopulation [1]
- Es bestand ebenfalls ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen FokI-Polymorphismen und Arthrose; allerdings wurde dieses Ergebnis nur aus zwei Studien abgeleitet [1]
- Genetische Erkrankungen
- Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang mit vermehrter Ablagerung von Eisen als Folge einer erhöhten Eisenkonzentration im Blut mit Gewebeschädigung
- Genetische Erkrankungen
- Geschlecht – Frauen leiden häufiger unter Arthrose als Männer. Eine vermutete Ursache dafür ist die hormonelle Umstellung während der Menopause (Wechseljahre).
- Lebensalter – altersbedingte Knorpeldegeneration durch verminderte Stoffwechselaktivität
- Berufe – Berufe mit lang andauernden schweren körperlichen Belastungen (z. B. Bauarbeiter, insbesondere Bodenleger; Fußballer)
Verhaltensbedingte Ursachen
- Genussmittelkonsum
- Alkohol – ≥ 20 Gläser Bier/Woche führen zu einem signifikanten Anstieg bei Coxarthrose (Hüftarthrose) und Gonarthrose (Kniearthrose); Personen, die 4 bis 6 Gläser Wein pro Woche tranken, hatten ein geringeres Risiko für eine Gonarthrose [2]
- Tabak (Rauchen) – Nikotinmissbrauch fördert den Verlust von Gelenkknorpel im Kniegelenk (Gonarthrose)
- Körperliche Aktivität
- Unterbelastung des Knorpels:
- mangelnde körperliche Bewegung – da der Knorpel seine Mikronährstoffe aus der Gelenkflüssigkeit bezieht, ist er darauf angewiesen, dass das Gelenk zur Knorpeldurchwalkung bewegt wird
- nutritive Schädigung (z. B. lange Ruhestellung im Gipsverband)
- Überbelastung des Knorpels:
- Leistungs- und Hochleistungssport (z. B. Fußballer)
- lang andauernde schwere körperliche Belastungen
- Unterbelastung des Knorpels:
- Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) – führt zu einer Überbeanspruchung der Gelenke
Krankheitsbedingte Ursachen
- Kongenital/Fehlbildung
- Gelenkachsenverschiebung – z. B. Skoliose (S-förmige Wirbelsäule), Beckenschrägstand, X-Beine, Plattfüße
- Fehlstellung (Varus – Valgus)
- Coxa valga luxans – flache Pfannenbildung
- Subluxation (unvollständige Verrenkung) – z. B. Hüfte, Knie
- Wachstumsstörungen im Epiphysenbereich (Bereich der Wachstumsfugen)
- Endokrinologische Störungen/Erkrankungen
- Akromegalie – endokrinologische Erkrankung, die durch eine Überproduktion des Wachstumshormons (somatotropes Hormon (STH), Somatotropin) hervorgerufen wird, mit ausgeprägter Vergrößerung der Phalangen bzw. Akren, wie beispielsweise Hände, Füße, Unterkiefer, Kinn, Nase und Augenbrauenwülste.
- Hyperparathyreoidismus (Nebenschilddrüsenüberfunktion)
- Metabolische Störungen/Erkrankungen
- Chondrokalzinose (Synonym: Pseudogicht); gichtähnliche Erkrankung der Gelenke, die durch Ablagerung von Calciumpyrophosphat im Knorpel und anderen Geweben entsteht; führt u. a. zu Gelenkdegeneration (häufig des Kniegelenks); Symptomatik ähnelt einem akuten Gichtanfall
- Gicht (Arthritis urica/harnsäurebedingte Gelenkentzündung oder tophische Gicht)/Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut)
- Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit)
- Ochronose – Ablagerung von Homogentisinsäure in der Haut, im Bindegewebe und im Knorpel
- Rachitis (Synonym: Englische Krankheit) – Erkrankung des wachsenden Knochens mit gestörter Mineralisation der Knochen und Desorganisation der Wachstumsfugen bei Kindern
- Chronische Arthropathie – eine Reihe von Erkrankungen kann zu einer sekundären Gelenkerkrankung führen. Dabei können sowohl entzündliche als auch nicht-entzündliche Vorgänge eine Rolle spielen. Beispiele sind Gelenkveränderungen bei Hyperurikämie (Gicht) – Harnsäure-bedingt, Diabetes mellitus – Glucose-bedingt, Hämophilie (Bluterkrankheit) oder Lepra.
- Entzündlichen Gelenkerkrankungen
- Rheumatische Gelenkerkrankungen
- Posttraumatisch (nach Gelenktrauma/Gelenkverletzung; Luxation – Verrenkung/Auskugelung)
Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten
- Hyperurikämie (Erhöhung des Harnsäurespiegels im Blut)
Operationen
- z. B. Meniskusentfernung: das Risiko einer Arthrose erhöht sich nach einem Meniskusschaden um ein 20-faches
Literatur
- Zhu ZH, Jin XZ, Zhang W, Chen M, Ye DQ, Zhai Y, Dong FL, Shen CL, Ding C: Associations between vitamin D receptor gene polymorphisms and osteoarthritis: an updated meta-analysis. Rheumatology (Oxford). 2014 Feb 4.
- Muthuri SG, Zhang W, Maciewicz RA, Muir K, Doherty M: Beer and wine consumption and risk of knee or hip osteoarthritis: a case control study. Arthritis Res Ther. 2015 Feb 5;17(1):23.
- Jin X, Beguerie JR, Zhang W, Blizzard L, Otahal P, Jones G, Ding C: Circulating C reactive protein in osteoarthritis: a systematic review and meta-analysis. Ann Rheum Dis. 2015 Apr;74(4):703-10. doi: 10.1136/annrheumdis-2013-204494