Achillessehnenschmerz (Achillodynie) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Achillodynie beschreibt chronische Schmerzen der Achillessehne, die in der Regel durch eine Überlastung oder Fehlbelastung, insbesondere bei sportlichen Aktivitäten wie Laufen und Springen, entstehen. Die Erkrankung betrifft häufig den mittleren Bereich der Achillessehne, der als „Watershed“-Zone bekannt ist, da er eine verminderte Durchblutung aufweist. Diese anatomische Besonderheit trägt dazu bei, dass Mikroschäden in diesem Bereich schlecht regenerieren und chronische Schmerzen entstehen.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
Initialer Pathomechanismus:
- Chronische Überlastung: Wiederholte, intensive Belastungen wie beim Laufen oder Springen führen zu einer übermäßigen Zugbelastung der Achillessehne.
- Beispiele: Typische Belastungen bei Laufsportarten oder Sprüngen, die zu einer ungleichmäßigen Beanspruchung der Sehne führen.
- Mikrorisse: Diese treten häufig 2 bis 6 cm oberhalb des Ansatzes der Achillessehne am Fersenbein auf.
- Mikroschäden und reduzierte Heilung: Mikrorupturen (kleine Risse) entstehen, die durch die schlechte Durchblutung der „Watershed“-Zone unzureichend regenerieren.
- Schlechte Heilung: Durch die ungenügende Blutversorgung bleiben Mikroschäden bestehen und häufen sich über Zeit an.
Molekulare und zelluläre Veränderungen:
- Entzündungsprozesse: Wiederholte Mikroschäden führen zu Entzündungsreaktionen im betroffenen Bereich.
- Lokale Entzündungen: Entzündliche Prozesse setzen vermehrt Zytokine frei, die den Gewebeabbau fördern.
- Neovaskularisation: Neugebildete Gefäße wachsen in das geschädigte Gewebe ein und sind mitverantwortlich für die Schmerzentstehung.
- Degenerative Veränderungen: Chronische Überlastungen resultieren langfristig in degenerativen Veränderungen der Achillessehne (Tendinose).
- Verdickung der Sehne: Infolge der anhaltenden Entzündungs- und Heilungsprozesse kommt es zu einer strukturellen Verdickung der Sehne.
- Beteiligung des Paratenons: Auch das Paratenon (die Gleitschicht der Achillessehne) kann betroffen sein, was die Sehnenfunktion weiter beeinträchtigt.
Sekundäre pathophysiologische Veränderungen
Veränderungen in der Gewebsarchitektur:
- Narbenbildung und Degeneration: Wiederholte Verletzungen führen zu einer Umstrukturierung der Sehne mit Narbenbildung und minderwertigem Gewebe.
- Minderwertiges Kollagen: Abbau von hochwertigem Kollagen führt zu einer schlechteren Belastbarkeit der Sehne.
- Verdickung: Die fortschreitende Degeneration äußert sich in einer Verdickung der Sehne, die oft tastbar ist.
Beteiligung des umgebenden Gewebes:
- Beteiligung des Paratenons: Das fibröse Gleitgewebe, das die Achillessehne umhüllt, kann ebenfalls betroffen sein, was zu einer Beeinträchtigung der Sehnengleitfähigkeit führt.
- Verminderte Gleitfähigkeit: Das Paratenon entzündet sich und verliert seine Fähigkeit, die Sehne reibungslos zu bewegen.
Vaskuläre Veränderungen:
- Neovaskularisation: Gefäßneubildungen treten in das degenerierte Sehnengewebe ein.
- Folge: Diese neugebildeten Gefäße tragen zur Schmerzentstehung bei, da sie in enger Verbindung zu sensiblen Nervenfasern stehen.
Klinische Manifestation
Leitsymptome:
- Schmerzen bei Bewegung: Die Schmerzen treten typischerweise bei Belastung auf, insbesondere nach längeren Ruhephasen oder nach intensiver sportlicher Betätigung.
- Häufigste Schmerzen: Die Schmerzen sind vor allem morgens oder nach längerer Ruhe am stärksten.
- Zunehmender Schmerz: Bei fortgesetzter Belastung nimmt der Schmerz weiter zu.
- Schwellung und Verdickung: Eine spürbare Verdickung der Sehne kann sich entwickeln, begleitet von einer leichten Schwellung.
- Lokale Empfindlichkeit: Das betroffene Gebiet ist oft empfindlich auf Druck.
Fortgeschrittene Symptome:
- Dauerhafte Schmerzen: Die Schmerzen können auch in Ruhephasen anhalten, wenn die Entzündung chronisch wird.
- Einschränkung der Beweglichkeit: Fortgeschrittene Achillodynie kann zu dauerhaften Bewegungseinschränkungen führen.
Progression und Organbeteiligung
Lokale Gewebeveränderungen:
- Chronische Sehnendegeneration: Ohne adäquate Behandlung kommt es zu einer fortschreitenden Degeneration der Achillessehne.
- Strukturelle Veränderungen: Eine irreversible Veränderung der Sehnenstruktur kann eintreten, die die Funktionalität beeinträchtigt.
Systemische Auswirkungen bei chronischen Verläufen:
- Verändertes Bewegungsmuster: Chronische Schmerzen führen zu Schonhaltungen und veränderten Bewegungsabläufen, was andere Gelenke und Muskeln überlasten kann.
- Sekundäre Beschwerden: Durch Schonhaltungen werden oft die Knie- und Hüftgelenke zusätzlich belastet, was zu weiteren Problemen führen kann.
Funktionelle Auswirkungen und strukturelle Schäden
Beeinträchtigung der mechanischen Eigenschaften:
- Verminderte Belastbarkeit der Sehne: Die chronische Degeneration führt zu einer verringerten Fähigkeit der Sehne, Belastungen standzuhalten.
- Risikofaktor für Rupturen: Fortgeschrittene Degeneration erhöht das Risiko für einen vollständigen Achillessehnenriss.
Reduzierte Funktionalität:
- Einschränkung alltäglicher Aktivitäten: Aktivitäten wie Laufen, Treppensteigen oder das Abrollen des Fußes werden zunehmend schwieriger und schmerzhafter.
- Langfristige Auswirkungen: Ohne Behandlung kann die Fähigkeit, sportlichen Aktivitäten nachzugehen, stark eingeschränkt werden.
Schmerzentstehung:
- Mechanische Überlastung: Schmerzen entstehen durch die mechanische Belastung des geschädigten Sehnengewebes.
- Chronische Entzündung: Anhaltende entzündliche Prozesse tragen zur dauerhaften Schmerzentstehung bei.
Regenerative und kompensatorische Prozesse
Versuche der Geweberegeneration:
- Bildung von Narbengewebe: Die Sehne versucht sich zu regenerieren, bildet jedoch minderwertiges Narbengewebe.
- Verminderte Elastizität: Dieses Gewebe ist weniger elastisch und widerstandsfähig, was die Funktionalität beeinträchtigt.
Kompensatorische Anpassungsmechanismen:
- Überlastung anderer Muskelgruppen: Die umliegende Muskulatur kompensiert den Funktionsverlust der Achillessehne.
- Folgen: Erhöhtes Risiko für Überlastungsschäden in anderen Muskel- und Sehnenstrukturen.
Limitierende Faktoren für Regeneration und Heilung:
- Schlechte Durchblutung: Die eingeschränkte Blutversorgung der „Watershed“-Zone begrenzt die Heilungsfähigkeit der Achillessehne.
- Chronische Entzündungen: Anhaltende Entzündungen hemmen die Regeneration und fördern die Narbenbildung.
Zusammenfassung
Die Achillodynie entsteht durch chronische Fehl- oder Überlastungen der Achillessehne, die zu Mikroschäden und degenerativen Veränderungen führen. Die verminderte Durchblutung der betroffenen Zone verhindert eine adäquate Heilung, was zu anhaltenden Entzündungen und strukturellen Veränderungen der Sehne führt. Die fortschreitende Verdickung der Sehne, Neovaskularisationen und Beteiligung des Paratenons tragen zur Schmerzverstärkung bei. Eine frühzeitige Behandlung ist entscheidend, um die Funktionalität der Sehne zu erhalten und Komplikationen wie eine vollständige Ruptur zu vermeiden.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Anatomische Varianten – Beinlängendifferenz (meistens wg. Beinverkürzung), Pes cavovarus (Hohlfuß)
Verhaltensbedingte Ursachen
- Körperliche Aktivität
- Chronische Fehl- und Überlastung durch sportliche Aktivitäten
- Sportarten mit intensiver Lauf- und Sprungbelastung: Betroffen sind vor allem Leichtathleten sowie Sportler in Disziplinen wie Ballett, Berglauf, Tennis, Squash, Fußball, Volleyball, Handball, Basketball und Badminton.
- Belastungsfaktoren: Häufigkeit, Dauer, Trainingsintensität sowie unzureichende Regenerationsphasen.
- Untergrund: Harte Böden erhöhen das Risiko für Überlastungen.
- Außentemperaturen: Kalte Bedingungen begünstigen Verspannungen und Verletzungen der Sehne.
- Schuhwerk: Ungeeignetes Schuhwerk ohne Berücksichtigung der individuellen Fußanatomie kann die Belastung erhöhen.
- Ungewohnte sportliche Aktivitäten
- Längere, ungewohnte Belastungen begünstigen Mikrorupturen an der Achillessehne.
- Chronische Fehl- und Überlastung durch sportliche Aktivitäten
- Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
- Übermäßige Körpermasse erhöht die Belastung der Achillessehne und begünstigt entzündliche Prozesse.
Krankheitsbedingte Ursachen
- Achillessehneninsertionstendinosen* – nicht-entzündliche Sehnenansatzerkrankung der Achillessehne
- Achsendeviation (Achsenabweichung) des Unterschenkels
- Apophysitis calcanei* ‒ Erkrankung der Wachstumsfuge des Fersenbeines (Kalkaneusapophyse); Symptomatik: Druckschmerzhaftigkeit und Schwellung im Bereich der Wachstumsfuge des Fersenbeines; Erkrankungsgipfel 5.-12. Lebensjahr; Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen [Fersenschmerz]
- Arthritiden (entzündliche Gelenkerkrankungen) des Sprunggelenks
- Arthritis urica (Gicht)
- Arthrose des Sprunggelenks
- Diabetes mellitus
- Bursitis subachillea* (Schleimbeutelentzündung im Sprunggelenk; der betroffene Schleimbeutel liegt zwischen der Achillessehne und dem Fersenbein)
- Bursitis subcutanea calcanea* (Schleimbeutelentzündung an der Achillessehne)
- Fersensporn
- Fußdeformitäten – z. B. Hohlfuß, Plattfuß, Senkfuß, Senk-Spreizfuß
- Gicht
- Haglund-Deformität (Haglund-Ferse) – knöcherne Formvariante des Fersenbeines mit betonter Prominenz des proximalen Tuber calcanei (Fersenhöcker); schmerzhafte Schwellung [Fersenschmerz]
- Hallux rigidus (Synonyme: Arthrose des Großzehengrundgelenkes; Großzehengrundgelenksteifigkeit; Hallux non extensus; Hallux flexus; Hallux limitus; Verschleiß des Großzehengrundgelenkes) – arthrotische Veränderungen des steif gewordenen Großzehengrundgelenk
- Innenrotationsfehler der Hüften
- Kapselbandinsuffizienz des Außenbandes des oberen Sprunggelenks (OSG)
- Knochenerkrankungen
- Knorpelschäden am oberen/unteren Sprunggelenk (OSG/USG)
- Nach einer Teilruptur (Teilrisses) der Achillessehne
- Os trigonum-Impingement-Syndrom* (Einengung der Sehnenstruktur im Sprunggelenk durch einen zusätzlichen Knochen des Sprungbeins (Os trigonum))
- Osteochondrosis dissecans* – umschriebene aseptische Knochennekrose unterhalb des Gelenkknorpels, die mit der Abstoßung des betroffenen Knochenareals mit dem darüberliegenden Knorpel als freier Gelenkkörper (Gelenkmaus) enden kann
- Paratenonitis crepitans achillea – aseptische Entzündung des Sehnengleitgewebes von Sehnen ohne Sehnenscheide
- Partielle Achillessehnenruptur – Teilriss der Achillessehne
- Stoffwechselstörungen führen durch Ablagerungen von Fetten oder Kristallen zu einer dauerhaften Reizung des Sehnengewebes:
- Zerebrotendinöse Xanthomatose (CTX)* (HLA-B 277) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang; Lipidspeicherkrankheit; erste klinische Symptom Cholestase und/oder chronische Diarrhoe im Säuglingsalter; zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr können Xanthome unter anderem an der Achillessehne auftreten (bedingt durch eine vermehrte Speicherung von Plasmalipoproteinen)
- Hyperlipoproteinämien (Fettstoffwechselstörungen): Hypercholesterinämie, Hypertriglyzeridämie
- Hyperurikämie (Gicht)
- Stressfraktur*
- Tendopathie am Innenknöchel* (nicht-entzündliche Erkrankung der Sehnen aufgrund von Über-, Fehlbelastung oder Verschleiß)
*Pseudo-Achillodynie
Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten
- Hypercholesterinämie
- Hypertriglyzeridämie
- Hyperurikämie
Medikamente
- Aromatasehemmer
- Cortison; Glucocorticoide
- Fluorchinolon-Antibiotika
Operationen
- Nach einer Außenbandverletzung am oberen Sprunggelenk (OSG) mit Kapselbandnaht
- Nach einer Operation an der Achillessehne