Achillessehnenriss (Achillessehnenruptur) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Achillessehne (Tendo calcaneus) ist die stärkste Sehne des menschlichen Körpers und verbindet den dreiköpfigen Wadenmuskel (Musculus triceps surae), bestehend aus dem Musculus soleus und dem Musculus gastrocnemius, mit dem Fersenbein (Calcaneus). Sie kann kurzfristig bis zum 25-fachen des Körpergewichts tragen und ist entscheidend für die Plantarflexion (Beugung des Fußes nach unten). Ein Achillessehnenriss tritt häufig 2 bis 6 cm oberhalb des Fersenansatzes auf, in einem Bereich mit geringer Durchblutung. Er entsteht meist durch ein akutes Trauma, das auf eine degenerative Vorschädigung der Sehne zurückzuführen ist.

Primäre pathophysiologische Mechanismen

Initialer Pathomechanismus:

  • Akutes Trauma: Die Achillessehnenruptur wird häufig durch eine plötzliche, extreme Belastung ausgelöst, wie z. B. bei Sportarten, die schnelles Beschleunigen, abruptes Stoppen oder Sprünge beinhalten.
    • Beispiele: Basketball, Fußball und Leichtathletik, wo schnelle Sprints oder Sprünge häufig vorkommen.
    • Weitere Risikofaktoren: Mangelnde Aufwärmübungen und übermäßige Belastung ohne ausreichende Erholungszeit.
  • Degenerative Vorschädigung: Chronische Überlastungen oder altersbedingte Degenerationen führen zu Mikrorissen und struktureller Schwächung der Sehne, die letztlich eine Ruptur begünstigen.
    • Ursachen: Alterungsprozesse, die zu einer Verringerung der Elastizität und Widerstandsfähigkeit der Sehne führen.
    • Mikroschäden: Wiederholte kleine Verletzungen, die die Sehnenstruktur über Zeit schwächen.

Molekulare und zelluläre Veränderungen:

  • Abnahme der Kollagenqualität: Wiederholte Mikrotraumata und Alterungsprozesse verringern die Elastizität und Festigkeit der Kollagenfasern, die die mechanische Stabilität der Sehne sicherstellen.
    • Kollagenfasern: Das Hauptprotein, das für die Festigkeit und Elastizität der Sehne verantwortlich ist.
    • Folgen: Die verminderte Qualität des Kollagens führt zu einer schlechteren Belastbarkeit der Sehne.
  • Entzündungsmediatoren: Chronische Entzündungsprozesse in der Sehne setzen proinflammatorische Zytokine (z. B. IL-1, TNF-α) frei, welche den Knorpel- und Gewebeabbau fördern.
    • Zytokine: Proteine, die Entzündungen fördern und zu einer weiteren Schwächung des Sehnengewebes führen.
    • Entzündungsreaktionen: Langzeitreaktionen führen zu einem chronischen Abbau des Gewebes.

Entwicklung struktureller Veränderungen:

  • Mikrorisse: Diese entstehen durch wiederholte Belastung und verringern die mechanische Stabilität der Sehne.
    • Frühzeitige Symptome: Kleine Risse können über einen längeren Zeitraum unbemerkt bleiben.
    • Progression: Ohne Behandlung weiten sich diese Risse zu größeren Schäden aus.
  • Makroskopische Ruptur: Infolge von Degeneration und Überlastung kommt es schließlich zur kompletten Sehnenruptur.
    • Plötzlicher Riss: Häufig bei Belastungsspitzen wie abrupten Bewegungen oder Sprüngen.
    • Folgen: Eine vollständige Unterbrechung der Sehnenkontinuität, was die Fußfunktion stark einschränkt.

Sekundäre pathophysiologische Veränderungen

Veränderungen in der Gewebsarchitektur:

  • Narbengewebe: Die Heilung der Achillessehne erfolgt oft durch die Bildung minderwertigen Narbengewebes, das weniger elastisch ist als das ursprüngliche Gewebe.
    • Verminderte Elastizität: Narbengewebe ersetzt normales Sehnengewebe, was die Beweglichkeit und Belastbarkeit beeinträchtigt.
    • Langfristige Folgen: Eine erhöhte Anfälligkeit für erneute Verletzungen.
  • Minderwertige Regeneration: Der Prozess der Regeneration ist bei degenerativ geschädigtem Gewebe häufig unvollständig und beeinträchtigt die Sehnenfunktion.
    • Ursachen: Ungenügende Blutversorgung und chronische Entzündungen.
    • Folgen: Eine vollständige Wiederherstellung der Funktion wird häufig nicht erreicht.

Beteiligung des umgebenden Gewebes:

  • Atrophie der Muskulatur: Infolge der Ruptur kommt es zu einem Rückgang der Muskelmasse des betroffenen Beines aufgrund der reduzierten Aktivität.
    • Muskelatrophie: Reduzierte Nutzung der betroffenen Muskulatur führt zum Schwund.
    • Auswirkungen: Geringere Muskelkraft und Ausdauer, was die Beweglichkeit weiter einschränkt.
  • Kompensatorische Überlastung: Andere Muskeln und Gelenkstrukturen werden durch die veränderte Biomechanik überlastet.
    • Überlastung benachbarter Muskeln: Muskelgruppen wie der Musculus tibialis posterior oder der Musculus flexor hallucis longus kompensieren für den Funktionsverlust.
    • Erhöhtes Verletzungsrisiko: Diese kompensatorischen Mechanismen können zu Überlastungsschäden führen.

Vaskuläre Veränderungen:

  • Eingeschränkte Durchblutung: Die schlechte Blutversorgung des betroffenen Bereichs erschwert die Heilung und begünstigt die Degeneration.
    • Hypovaskuläre Zone: Besonders der mittlere Bereich der Achillessehne hat eine eingeschränkte Durchblutung.
    • Auswirkungen auf Heilung: Verminderte Regenerationsfähigkeit aufgrund einer unzureichenden Nährstoff- und Sauerstoffversorgung.

Zusammenfassung

Der Achillessehnenriss entsteht meist durch plötzliche Belastungen, die auf eine bereits vorgeschädigte Sehne treffen. Altersbedingte Degeneration und wiederholte Mikrotraumata schwächen das Kollagengewebe und begünstigen die Ruptur.

Die eingeschränkte Regeneration wird durch Entzündungsprozesse und eine verminderte Blutversorgung verschärft, was zur Bildung von minderwertigem Narbengewebe führt. Dies reduziert die Funktionalität der Sehne und kann zu dauerhaften Einschränkungen führen.

Eine schnelle Diagnose und angemessene Therapie sind entscheidend, um Beweglichkeit, Stabilität und Sehnenfunktion möglichst wiederherzustellen und Komplikationen zu vermeiden.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung 
    • Genetische Erkrankungen
      • Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) ‒ genetische Erkrankungen, die sowohl autosomal-dominant als auch autosomal-rezessiv sind; heterogene Gruppe, die durch eine Störung der Kollagensynthese bedingt sind; gekennzeichnet durch eine erhöhte Elastizität der Haut und ungewöhnliche Zerreißbarkeit derselbigen (Habitus des "Kautschukmenschen")
      • Familiäre Hypercholesterinämie (FH) – genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang; Hyperlipoproteinämie (HLP), die sich durch ein deutlich erhöhtes Serumcholesterin auszeichnet.
      • Zerebrotendinöse Xanthomatose (CTX) –  genetische Erkrankung mit autosomal-rezessivem Erbgang; Lipidspeicherkrankheit; erste klinische Symptom Cholestase und/oder chronische Diarrhoe im Säuglingsalter; des Weiteren kann ein Katarakt entstehen
  • Lebensalter – aktive Männer zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr sind besonders häufig betroffen

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Falsches Schuhwerk
  • Mangelnder Trainingszustand bzw. falsches Training
  • Sportarten mit Sprints und schnellem Abbremsen wie beim Squash etc.
  • Überanstrengung

Krankheitsbedingte Ursachen

Endokrine, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten (E00-E90)

  • Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)

Muskel-Skelett-System und Bindegewebe (M00-M99)

  • Entzündlich-rheumatische Erkrankungen, nicht näher bezeichnet
  • Fußdeformitäten

Labordiagnosen Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Hypercholesterinämie

Medikamente

  • Anabolika
  • Bempedoinsäure (Fallberichte)
  • Chinolone/Fluorchinolone/Gyrasehemmer (Ciprofloxacin, Moxifloxacin, Nalidixinsäure, Norfloxacin, Lomefloxacin, Levofloxacin, Ofloxacin)
  • Immunsuppressiva
  • Vorangegangene intra- und paratendinöse ("innerhalb und um die Sehne herum") Injektionen von Glucocorticoiden

Weitere Ursachen

  • Immobilisation
  • Schlechter Untergrund