Achillessehnenriss (Achillessehnenruptur) – Operative Therapie
Die operative Therapie der Achillessehnenruptur zielt auf eine bestmögliche funktionelle Wiederherstellung im oberen Sprunggelenk (OSG) ab. Bei richtiger Indikationsstellung kann die konservative Therapie ein gleich gutes Ergebnis erzielen wie die operative Therapie [1, 2].
Indikationen (Anwendungsgebiete)
Absolute Indikationen:
- Bestmögliche funktionelle Wiederherstellung bei kompletter Ruptur
- Offene Ruptur*
- Hoher funktioneller Anspruch des Patienten (besonders bei jungen, sportlichen Personen)
Relative Indikationen:
- Partialruptur (teilweiser Sehnenriss)
- Re-Ruptur (erneuter Riss nach vorangegangener Ruptur)
- Chronische Ruptur (älter als 4 Wochen)
- Unter Ultraschallkontrolle keine Adaptation der Achillessehne bei 20° Plantarflexion möglich
- Versagen der konservativen Therapie
- Patientenwunsch
Offene Operationen sind insbesondere indiziert bei:
- Sehr weit distal gelegenen Rupturen mit einem Sehnenstumpf < 2 cm
- Knöcherner Avulsionsverletzung der Achillessehne am Tuber calcanei (Typ 5)*
- Offenen Verletzungen
- Bestehenden Verklebungen oder Hämatomen mit einer Diagnosestellung nach mehr als 14 Tagen
*Notfallmäßige Operationsindikation
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Schlechter Allgemeinzustand
- Ungünstige Haut- und Weichteilverhältnisse
- Multimorbidität (mindestens drei begleitende Erkrankungen)
- Immunsuppression (Unterdrückung der körpereigenen Abwehr)
- Systemische Erkrankungen (z. B. Leukämie, Anämien, ZNS-Erkrankungen oder generalisierte Muskelerkrankungen)
- Geringe körperliche Aktivität
Operationsverfahren
Die operative Refixation erfolgt mit postoperativer Ruhigstellung. Dabei werden direkte offene Nähte zunehmend durch minimalinvasive Verfahren mit perkutanen Nähten ersetzt.
- Optimaler Operationszeitpunkt: innerhalb der ersten 48 Stunden nach Ruptur
- Chronische Rupturen oder Defektsituationen: Rekonstruktive Techniken erforderlich:
- Turn-down-Flaps (Lappenplastiken zur Sehnenverlängerung)
- Freier Sehnentransfer mit Flexor hallucis longus (langer Großzehenbeuger) oder Hamstring-Sehnen (M. biceps femoris, M. semitendinosus, M. semimembranosus)
- Verschiebeplastiken aus der Aponeurose (Sehnenplatten an der Fußsohle)
Postoperative Nachsorge
- Frühfunktionelle Therapie mit schrittweiser Belastungssteigerung
- Orthesenversorgung zur dynamischen Stabilisierung
- Physiotherapie zur Wiederherstellung der Beweglichkeit und Kraft
- Individuelle Anpassung der Mobilisationsstrategie je nach Heilungsverlauf
Mögliche Komplikationen
Offene Operation (erhöhte Rate an Weichteilkomplikationen):
- Wundheilungsstörungen
- Hämatome (Blutergüsse)
- Infektionen
- Nervenverletzungen
- Bewegungseinschränkung im OSG
- Kraftminderung
- Gangbildstörungen
- Re-Ruptur (erneuter Sehnenriss)
Vergleich der Operationsmethoden
Methode | Technik | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Offene Nahttechnik | Direkte Sehnennaht | Gute Sehnenadaptation, sicherer Kraftaufbau | Höheres Infektionsrisiko, Wundheilungsprobleme |
Minimalinvasive Naht | Perkutane Nahtführung | Geringere Weichteiltraumatisierung, schnellere Wundheilung | Erhöhtes Risiko für Fehlverheilung |
Sehnentransfer | Flexor hallucis longus, Hamstring-Sehnen | Geeignet für chronische Rupturen, gute Langzeitergebnisse | Aufwendiger Eingriff, Funktionseinbußen der Donorsehne |
Weitere Hinweise
- Die offene Achillessehnennaht führt zu signifikant mehr Komplikationen als die konservative Therapie.
- Patienten, bei denen die gerissene Achillessehne genäht wurde, hatten mehr Kraft im Wadenmuskel als konservativ Behandelte (maximale Plantarflexion über die erste Woche; Gipsentfernung nach einer Woche und durch Orthese ersetzt). Besonders profitierten sportlich aktive Patienten davon. Eine erneute Ruptur trat bei 3 % der operierten und bei 14 % der nicht-operierten Patienten auf [3].
- Bei der operativen Therapie sollte ein minimalinvasives oder perkutanes Verfahren gewählt werden; die perkutane Naht senkt die Rate an Wundinfektionen signifikant.
- Minimalinvasive versus offene Operation bei Patienten mit rupturierter Achillessehne (Metaanalyse): signifikante Unterschiede bei [6]:
- Operationsdauer (30 Minuten vs. 51 Minuten)
- oberflächlichen Infektionen (0,4 % vs. 6 %)
- Sprunggelenksversteifung (7 % vs. 26 %)
- Verletzungen des Nervus suralis (3,4 % vs. 0 %).
- In einer randomisierten kontrollierten Studie wurden eine minimalinvasive oder offene Operation bei Achillessehnenriss der konservativen Versorgung bei unselektierten Patienten gegenübergestellt. Die Ergebnisse wurden mithilfe eines Fragebogens (Achilles tendon Total Rupture Score, ATRS) evaluiert [7].
- ATRS: Verbesserung der konservativ versorgten Patienten: median 17 Punkte; offen operierten um 16; minimalinvasiv operierten um knapp 15 Punkte
- Performance Test: operiert und nicht operierte Teilnehmer
- Re-Rupturrate: konservativ versorgte Patienten: 6 % (meist innerhalb der ersten zehn Wochen); operativ versorgte Patientengruppe: 0,6 %
- Nervenverletzungen: minimalinvasiver Eingriff: 5 %; offener Operation: 3 %
Rehabilitation
- Durch frühes Rehabilitationstraining (binnen zwei Wochen postoperativ), das aus Sprunggelenksübungen mit oder ohne frühe Gewichtsbelastung besteht, sind gute Ergebnisse zu erwarten [4].
Eine drei- bis sechsmonatige Sportpause muss sich anschließen. - Der Vergleich einer kontrollierten frühen Belastung des Sprunggelenks (Dorsalflexion des Fußes gegen die Schwerkraft; Anweisung: der Patient sitzt auf einem Tisch und lässt die Füße herunterbaumeln, sodann Bewegung des Fußes im Sprunggelenk in Richtung Fußrücken) ab der dritten bis zur achten Woche nach der Ruptur der Achillessehne mit einer Immobilisationstherapie (keine Belastung bis zur 9. Woche) zeigte, dass eine reine Immobilisationstherapie den Patienten nicht schadet: der Achilles Tendon Total Rupture Score (ATRS; max. Punktzahl 100) ergab im Schnitt einen Wert von 74 in der Frühbelastung und in der Immobilisation Gruppe zeigte sich ein Durchschnittswert von 75 [5].
Fazit
Die operative Therapie der Achillessehnenruptur ermöglicht bei richtiger Indikationsstellung eine effektive funktionelle Wiederherstellung. Die Wahl zwischen offenem und minimalinvasivem Verfahren sollte individuell anhand der Rupturlokalisation, Begleitverletzungen und Patientenanforderungen erfolgen. Die postoperative Rehabilitation spielt eine entscheidende Rolle für das funktionelle Ergebnis. Die konservative Therapie kann in ausgewählten Fällen gleichwertige Ergebnisse erzielen [1, 2].
Literatur
- Zhang H: Surgical versus conservative intervention for acute Achilles tendon rupture: A PRISMA-compliant systematic review of overlapping meta-analyses. Medicine 94(45):e1951
- Wills CA: Achilles tendon rupture. A review of the literature comparing surgical versus nonsurgical treatment. Clin Orthop Relat 1986 Jun;(207):156-63.
- Lantto I et al.: A Prospective Randomized Trial Comparing Surgical and Nonsurgical Treatments of Acute Achilles Tendon Ruptures. Am J Sports Med June 15, 2016 0363546516651060 doi: 10.1177/0363546516651060
- Huang J et al.: Rehabilitation Regimen After Surgical Treatment of Acute Achilles Tendon Ruptures. A Systematic Review With Meta-analysis. Am J Sports Med 2014; online 2. Mai; doi: 10.1177/0363546514531014
- Weisskirchner Barfod K et al.: Efficacy of early controlled motion of the ankle compared with immobilisation in non-operative treatment of patients with an acute Achilles tendon rupture: an assessor-blinded, randomised controlled trial Br J Sports Med 2019; https://doi.org/10.1136/bjsports-2019-100709
- Attia AK et al.: Outcomes and Complications of Open Versus Minimally Invasive Repair of Acute Achilles Tendon Ruptures: A Systematic Review and Meta-analysis of Randomized Controlled Trials. Am J Sports Med 2021; https://doi.org/10.1177/03635465211053619
- Myhrvold SB et al.: Nonoperative or Surgical Treatment of Acute Achilles’ Tendon Rupture N Engl J Med 2022; 386:1409-1420 doi: 10.1056/NEJMoa2108447