Polyzystisches-Ovar-Syndrom (PCO-Syndrom) – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Das Polyzystische Ovar-Syndrom (PCOS) ist eine endokrinologische Störung, deren Ursache bislang nicht vollständig aufgeklärt ist. Es wird angenommen, dass eine genetische Disposition zugrunde liegt, die eine chromosomale Fehlkodierung verursacht und zu einem Defekt des Insulinrezeptors führt. Dieser Defekt resultiert in einer Insulinresistenz, also einer verminderten Wirksamkeit des körpereigenen Insulins an den Zielorganen wie der Skelettmuskulatur, dem Fettgewebe und der Leber. Aufgrund dieses Enzymdefekts wird die Wirkung des follikelstimulierenden Hormons (FSH) am Ovar beeinträchtigt, was zu Störungen in der Eireifung führt. Gleichzeitig führt eine Überstimulation durch luteinisierendes Hormon (LH) zu einer vermehrten Produktion von Androgenen.
Neuere Forschungen konnten in einer Clusteranalyse die Symptome von PCOS-Patientinnen verschiedenen Verlaufsformen zuordnen. Eine genomweite Assoziationsstudie (GWAS) identifizierte Genvarianten, die mit bestimmten Subtypen des PCOS in Zusammenhang stehen. Die Clusteranalyse ergab folgende Subtypen [1]:
- Reproduktiver Subtyp: Dieser Subtyp zeichnet sich durch erhöhte Serumspiegel des luteinisierenden Hormons (LH) und des Sexualhormon-bindenden Globulins (SHBG) aus, während der Body-Mass-Index (BMI) und der Insulin-Serumspiegel oft im normalen Bereich liegen. Genetische Analysen zeigten Verbindungen zu Varianten in den Genen PRDM2/KAZN, BMPR1B/UNC5C und CDH10 sowie zu seltenen Varianten im DENND1A-Gen. Dieser Subtyp machte etwa 23 % der Fälle aus.
- Metabolischer Subtyp: Gekennzeichnet durch höhere BMI-, Glucose- und Insulinspiegel sowie niedrigere SHBG- und LH-Spiegel. Dieser Subtyp wurde mit Varianten im KCNH7/FIGN-Gen assoziiert und machte etwa 17 % der Fälle aus.
- Weder reproduktiver noch metabolischer Subtyp: Diese Patientinnen wiesen ebenfalls Genvarianten auf, die mit PCOS in Verbindung standen, jedoch passten sie in keine der beiden anderen Kategorien. Dieser Subtyp machte etwa 60 % der Fälle aus.
In den letzten Jahren hat sich die Forschung zum Polyzystischen Ovar-Syndrom (PCOS) intensiv weiterentwickelt, insbesondere im Bereich der Genetik, des Stoffwechsels und der Umweltfaktoren. Hier einige aktuelle Ergänzungen:
Genetische Forschung
- Neue Genvarianten: Neben den bereits erwähnten Genen PRDM2, KCNH7, und DENND1A hat die genetische Forschung mehrere neue Genvarianten identifiziert, die mit PCOS in Verbindung gebracht werden. Dazu gehören Gene, die in die Insulinsignalübertragung und -resistenz involviert sind, wie THADA, INSR, und FTO, die auch für Fettleibigkeit prädisponieren. Diese Gene unterstreichen die enge Verknüpfung von Stoffwechselstörungen und PCOS.
- Epigenetische Einflüsse: Epigenetische Mechanismen, wie DNA-Methylierung und Histonmodifikationen, haben in der PCOS-Pathogenese zunehmend an Bedeutung gewonnen. Umweltfaktoren wie Ernährung, Stress und hormonelle Störungen während der Entwicklung im Mutterleib könnten epigenetische Veränderungen auslösen, die später zur Entwicklung von PCOS führen.
Stoffwechselstörungen und Insulinresistenz
- Insulinresistenz und Inflammation: Neuere Erkenntnisse zeigen, dass bei PCOS nicht nur eine Insulinresistenz in der Leber, im Muskel und Fettgewebe vorliegt, sondern dass auch eine chronische niedriggradige Entzündung eine Rolle spielen könnte. Diese Entzündungsreaktionen könnten durch erhöhte Androgenspiegel und Adipositas verstärkt werden und zu einer weiteren Verschlechterung der Insulinempfindlichkeit beitragen.
- Adipokine: Hormonelle Faktoren, die im Fettgewebe gebildet werden (sogenannte Adipokine), wie Leptin und Adiponektin, scheinen eine Schlüsselrolle bei der Insulinresistenz und dem metabolischen Risiko von PCOS-Patientinnen zu spielen. Dysregulationen dieser Adipokine wurden mit Fettleibigkeit, Insulinresistenz und erhöhtem Androgenspiegel in Verbindung gebracht.
Mikrobiom und PCOS
- Darm-Mikrobiom: Es gibt Hinweise darauf, dass das Darmmikrobiom bei der Entstehung von PCOS eine Rolle spielt. Frauen mit PCOS zeigen im Vergleich zu gesunden Frauen eine veränderte Zusammensetzung der Darmbakterien. Dysbiosen im Darm können Entzündungen und Insulinresistenz verschlimmern und möglicherweise auch die Hormonproduktion beeinflussen. Diese Erkenntnisse eröffnen neue Ansätze für präbiotische und probiotische Interventionen in der PCOS-Behandlung.
Die Ätiologie des PCOS bleibt weiterhin unklar, obwohl Fortschritte in der genetischen Forschung Hinweise auf eine multifaktorielle Ursache geben, die genetische, hormonelle und metabolische Faktoren umfasst.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Genetische Belastung durch Eltern, Großeltern (starke familiäre Häufung); daneben scheinen auch epigenetische Faktoren eine Rolle zu spielen
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung – Eine unausgewogene Ernährung, insbesondere eine kalorienreiche, fettreiche oder zuckerhaltige Kost, kann die Insulinresistenz fördern und das Risiko für das PCO-Syndrom erhöhen.
- Genussmittelkonsum – Tabakkonsum und übermäßiger Alkoholkonsum können die hormonelle Balance und Insulinempfindlichkeit beeinträchtigen.
- Körperliche Aktivität – Bewegungsmangel erhöht das Risiko für Übergewicht, Insulinresistenz und Hormonstörungen, die mit dem PCO-Syndrom assoziiert sind.
- Psycho-soziale Situation – Chronischer Stress kann den Cortisolspiegel erhöhen, was die hormonelle Balance negativ beeinflusst.
- Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas) – Adipositas fördert Insulinresistenz und Hyperandrogenismus, die typische Merkmale des PCO-Syndroms sind.
Literatur
- Dapas M et al.: Distinct subtypes of polycystic ovary syndrome with novel genetic associations: An unsupervised, phenotypic clustering analysis. PLOS Medicine June 23, 2020 https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1003132