Sterilität der Frau – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die weibliche Sterilität entwickelt sich durch eine Reihe von pathophysiologischen Prozessen, die primär die Ovulation (Eisprung), die Zellfunktion der Ovarien und die Interaktion der Hormonsysteme betreffen. Die hormonelle Regulation sowie die Struktur und Funktion der Fortpflanzungsorgane sind eng miteinander verknüpft, und Störungen in diesen Systemen beeinflussen die Fortpflanzungsfähigkeit der Frau.

Dysregulation der Hypothalamus-Hypophysen-Ovarien-Achse

Die hormonelle Kontrolle der Ovulation und Ovarialfunktion (Eierstockfunktion) erfolgt über die Hypothalamus-Hypophysen-Ovarien-Achse. Bei einer Fehlregulation dieser Achse entstehen häufig ovulatorische Dysfunktionen:

  • Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH): Der Hypothalamus (Teil des Zwischenhirns) setzt GnRH frei, welches die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) zur Produktion von FSH (Follikel-stimulierendes Hormon) und LH (Luteinisierendes Hormon) stimuliert. Eine Dysregulation der GnRH-Freisetzung kann zu unregelmäßigen oder fehlenden Ovulationen führen, was die Follikelreifung (Eizellreifung) stört und die Fruchtbarkeit beeinträchtigt.
  • Feedback-Mechanismus: Ein gestörtes Feedback zwischen den Ovarien und der Hypophyse (z. B. durch abnormale Östradiol- oder Progesteronspiegel) kann die Sensitivität der Hypophyse gegenüber GnRH verringern und die Sekretion von FSH und LH weiter destabilisieren. Dies beeinflusst direkt die Ovarialfunktion und die Ovulation.

Störungen der Follikelreifung

Die Follikelreifung im Ovar ist essenziell für die Ovulation und wird durch FSH und LH reguliert. Pathologische Mechanismen, die diese Prozesse stören, beeinträchtigen die Entwicklung und Freisetzung der Eizelle:

  • FSH- und LH-Sekretion: Ein Ungleichgewicht der Gonadotropine (FSH, LH) führt zu einer unvollständigen oder fehlenden Follikelreifung. Dadurch werden anovulatorische Zyklen oder dysfunktionale Ovulationen begünstigt, die die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung verringern.
  • LH-Überschuss: Bei Zuständen wie dem Polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS) kann ein erhöhter LH/FSH-Quotient zu einer inadäquaten Follikelentwicklung und vermehrten Androgenproduktion führen, was die Ovulation weiter beeinträchtigt.

Veränderung der Ovarialfunktion

Im Ovar selbst kann die Funktion der Granulosazellen, die die Eizelle umgeben, durch verschiedene Mechanismen gestört werden:

  • Defekte in den Ovarialzellen: Veränderungen in den Granulosa- und Thekazellen der Ovarien beeinflussen die Produktion von Östrogen und Progesteron. Diese Hormonstörungen führen zu einer mangelhaften Vorbereitung des Endometriums (Gebärmutterschleimhaut) und einer beeinträchtigten Ovulation.
  • Follikuläre Atresie: Der Prozess der follikulären Atresie, bei dem unreife Follikel zugrunde gehen, wird durch hormonelle Dysregulation oder Zellschädigung beschleunigt. Dies vermindert die Zahl der entwicklungsfähigen Follikel und reduziert somit die Fertilität.

Hormonelle Anpassungsstörungen

Der hormonelle Zyklus ist entscheidend für die Steuerung der Ovulation und die Vorbereitung des Uterus (Gebärmutter) auf die Einnistung einer befruchteten Eizelle. Eine Dysregulation führt zu unzureichender Endometriumvorbereitung:

  • Lutealphaseninsuffizienz: Eine gestörte Progesteronproduktion nach dem Eisprung kann das Endometrium nicht adäquat auf die Einnistung vorbereiten. Dies führt zu einer verkürzten Lutealphase und mindert die Chancen für eine erfolgreiche Schwangerschaft.

Zelluläre Mechanismen und Apoptose

Die Follikelreifung und Eizellqualität hängen stark von der zellulären Integrität und der Regulation der Apoptose (programmierter Zelltod) ab:

  • Oxidativer Stress: Erhöhte oxidative Belastung in den Ovarien führt zu DNA-Schäden und strukturellen Veränderungen in den reifenden Eizellen. Dies beeinträchtigt die Eizellqualität und erhöht die Wahrscheinlichkeit einer fehlerhaften Zellteilung nach der Befruchtung.
  • Mitochondriale Dysfunktion: Mitochondrien spielen eine zentrale Rolle bei der Energieversorgung der Eizelle. Eine altersbedingte Mitochondriendysfunktion oder genetische Anomalien können die Energieversorgung der Eizellen stören, was die Eizellreifung und -qualität vermindert.

Zusammenfassung

Die Pathogenese der weiblichen Sterilität umfasst primär die Dysregulation der hormonellen Achsen, Störungen in der Follikelreifung und Zellschädigung in den Ovarien. Diese Mechanismen beeinflussen die Ovulation, die Eizellreifung und die Hormonproduktion, was letztlich die Fertilität der Frau beeinträchtigt. Ein tieferes Verständnis dieser Prozesse ist entscheidend für die Diagnose und Behandlung von Fruchtbarkeitsstörungen.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung durch Mutter, Großmütter:
    • Polyzystisches-Ovar-Syndrom (PCO-Syndrom) – genetische Komponente
  • Lebensalter Abnahme der natürlichen Fruchtbarkeit – ab dem 35. Lebensjahr beginnend:
    • Verminderung der Anzahl der Eizellen: aktive und ruhende Follikel nehmen mit zunehmendem Alter ab.
    • Durchblutung der Eierstöcke nimmt ab, was zu einer verlangsamten Follikelreifung und ebenso zu einem vermehrten Auftreten einer Gelbkörperschwäche führen kann.
    • Alterung der Eizellen mit der Folge chromosomaler Veränderungen, die zu einer ausbleibenden Fertilisation (Befruchtung) oder Nidationsstörung (Einnistungsstörung) führen können oder später zu Aborten (Fehlgeburten) führen.
    • Zunahme von Erkrankungen, die eine Sterilitätsursache sein können: Endometriose (Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter) und Myome (gutartige Muskelgeschwülste der Gebärmutter), aber auch chronische Erkrankungen, welche die Fruchtbarkeit einschränken können wie beispielsweise Schilddrüsenstörungen, immunologische Erkrankungen.
  • Sozioökonomische Faktoren [12]
    • Tages-Schichtarbeit (weniger mature Oozyten (reife Eizellen) nach ovarieller Hyperstimulation) 
    • Beruf mit schwerer körperlicher Arbeit
  • Hormonelle Faktoren
    • Ovarialinsuffizienz – z. B. angeborene Ovarialinsuffizienz (Versagen der Eierstockfunktion; = primäre Ovarialinsuffizienz)
    • Klimakterium praecox (Prämature Menopause/Vorzeitige Menopause) – vorzeitige Ovarialinsuffizienz (POF, Premature Ovarian Failure) von Schwester und Mutter.
      Eine Frau kann vorzeitig in die Wechseljahre (Menopause) kommen, wenn die Eizellreserven vorzeitig aufgebraucht werden.
      Das durchschnittliche Lebensalter für den Eintritt in die Wechseljahre liegt normalerweise bei circa 51 Jahren. Wenn jedoch die Eizellreserven vorzeitig aufgebraucht sind, bleibt der Eisprung aus (Anovulation) und die Menstruationen können ebenfalls vorzeitig aufhören. Falls dieses bei Frauen unter 40 Jahren geschieht, spricht man von einem Klimakterium praecox (prämature Menopause; vorzeitige Menopause). Ein Klimakterium praecox kommt bei 1-4 % der Frauen vor.
      Achtung!
      Falls Ihre Schwester oder Ihre Mutter vorzeitig in die Wechseljahre gekommen ist, ist es wichtig, dies Sie dieses Ihrem behandelnden Arzt berichten, da das Auftreten einer prämaturen Menopause (vorzeitigen Menopause) gehäuft in einer Familie vorkommen kann.
  • Berufe – Berufsgruppen mit beruflichem Kontakt mit Narkosegasen

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • Fehlernährung* – nicht vollwertige, mikronährstoffarme Ernährung (Vitalstoffe)
    • Mikronährstoffmangel (Vitalstoffe) – siehe Prävention mit Mikronährstoffen
  • Genussmittelkonsum
    • Alkohol 
      • ≥ 14 alkoholische Getränke/Woche sank die Empfängniswahrscheinlichkeit um 18 % [11]
      • Während der Lutealphase (Gelbkörperphase) führt schon gemäßigter Alkoholgenuss (bis zu 3 Gläser Wein oder 3 Dosen Bier pro Woche) zu einer Reduktion der Empfängniswahrscheinlichkeit um 40 % [20].
      • Zum Zeitpunkt der Ovulation (Eisprung) reduzieren hoher Alkoholkonsum und auch Binge-Drinking (4 oder mehr alkoholische Getränke pro Tag) die Empfängniswahrscheinlichkeit um 54 % [20].
    • Kaffee**, Schwarzer Tee
    • Tabak (Rauchen) [3, 4]
      • Die Konzeptionsrate (Empfängnisrate) lag bei den nicht oder nur gelegentlich rauchenden Patientinnen signifikant höher als bei den stark rauchenden Eizell-Empfängerinnen (52,2 % versus 34,1 %), das heißt hoher Tabakkonsum verringert die Rezeptivität des Endometriums (Gebärmutterschleimhaut). Des Weiteren traten vermehrt Mehrlingsgraviditäten bei den stark rauchenden Teilnehmerinnen auf (60 % versus 31 %) [1].
      • Es wurde eine verringerte Konzeptions- und Implantationsrate beim Transfer von subjektiv als morphologisch einwandfrei beurteilten Embryonen bei Raucherinnen gegenüber Nichtraucherinnen festgestellt [2].
  • Drogenkonsum
    • Cannabis (Haschisch und Marihuana) – 41 % geringere Chance auf eine Schwangerschaft als die Nichtkonsumentinnen (Odds Ratio 0,59; 95-%-Konfidenz­intervall 0,38 bis 0,92) [18]
    • u. a.
  • Körperliche Aktivität
    • Exzessiver Sport
  • Psycho-soziale Situation
    • Stress
  • Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas*)
    • BMI > 25 kg/m2 reduziert sich die Chance einer Konzeption innerhalb eines Jahres (89,4 % bei einem BMI von 20-25 kg/m2 versus 82,7 % bei einem BMI > 25 kg/m2; n = 10 903) [15]
  • Androide Körperfettverteilung, das heißt abdominales/viszerales, stammbetontes, zentrales Körperfett (Apfeltyp) – das Infertilitätsrisiko wächst mit dem Taillenumfang, im Schnitt um 3 % mit jedem zusätzlichen Zentimeter, und das unabhängig vom BMI [22].
  • Untergewicht
  • Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs: Frauen, die während des Corona-Lockdowns ihre reproduktionsmedizinische Behandlung unterbrechen mussten, wurden innerhalb von zwei Monaten in 8 % der Fälle schwanger. Im Vergleich zu den Paaren, die nicht spontan schwanger geworden waren, waren die schwanger gewordenen Frauen jünger (35,7 vs. 37,7 Jahre) und hatten sich bisher nicht so lange mit der Erfüllung ihres Kinderwunsches beschäftigt  (2,4 vs. 3,6 Jahre). Die schwanger gewordenen Frauen waren sexuell aktiver gewesen als ihre Geschlechtsgenossinnen, die nicht schwanger geworden sind (3,6 vs. 1,9 x Geschlechtsverkehr/per Woche; der Unterschied war statistisch signifikant) [19].

Achtung!
*Wissenschaftliche Studien zeigen, dass circa 12 % der primären Sterilität auf starke Abweichungen vom Normalgewicht, das heißt durch Über- oder Untergewicht, zurückzuführen sind. Diese Gewichtsprobleme reduzieren auch die Aussichten auf eine erfolgreiche Sterilitätstherapie.
Ursache dafür ist, dass das Körperfett die Bildung von Gonadotropin Releasing Hormone (GnRH) beeinflusst. Dieses löst die Freisetzung von luteinisierendem Hormon (LH) und von follikelstimulierendem Hormon (FSH) aus, die beide für die Entwicklung der Follikelreifung (Eizellreifung) und damit für die Ovulation (Eisprung) von großer Bedeutung sind.

**Der Genuss von mehr als zwei Tassen Kaffee (160 mg Koffein) täglich kann bereits zu einer schlechteren Fertilisationsrate führen.

Hormonelle Störungen – Erkrankungen

  • Formen der Ovarialinsuffizienz
    • Hyperprolaktinämische Ovarialinsuffizienz – auf der Ebene der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) – erhöhter Prolaktin-Serumspiegel (Hyperprolaktinämie), ggf. röntgenologisch nachzuweisender Tumor (Prolaktinom) der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) bzw. prolaktininduzierende Medikamente (s. u.)
    • Hypothalamische Ovarialinsuffizienz – Störung auf der Ebene des Hypothalamus (ein kleiner Bereich im Zwischenhirn)
    • Hyperandrogenämische Ovarialinsuffizienz – auf der Ebene des Ovars (Eierstöcke) erhöhter Testosteron-Serumspiegel und gegebenenfalls weiterer androgener Hormone (Hyperandrogenämie)
    Folgen der Ovarialinsuffizienz:
    • leichte bis schwere Funktionsstörung der Eierstöcke
    • Corpus luteum-Insuffizienz (Gelbkörperschwäche)
    • Anovulation (Ausbleiben des Eisprungs)
    • Amenorrhoe (Ausbleiben der Regelblutung)
  • Funktionsstörungen der: Schilddrüse (z. B. latente Hypothyreose), Nebennierenrinde dadurch bedingt Störungen der Follikelreifung, das heißt der Eizellreifung – und Zyklusstörungen
  • Polyzystisches-Ovar-Syndrom (PCO-Syndrom)

Organische (genitale) Ursachen

  • Endometriose – > 25 % der Kinderwunschpaare haben einen unerfüllten Kinderwunsch aufgrund einer Endometriose; wahrscheinlich haben 30-50 % der Frauen mit Endometriose einen unerfüllten Kinderwunsch [8]
    Beachte: Mehr als die Hälfte der Läsionen befindet sich in den Ovarien (Eierstock) oder im Eileiter.
  • Tubare Sterilität Eileiterverschluss, Eileiterverwachsungen, Motilitätsstörungen (Störungen des Bewegungsvermögens der Eileiter)
    Ursachen: z. B. wegen entzündlicher Erkrankungen im Bereich des Beckens (PID, Pelvic Inflammatory Disease), Adnexitis (Eileiterentzündung); sexuell übertragbarer Erkrankungen (STD, sexually transmitted disease), Vernarbungen infolge von Operationen oder auch aufgrund einer Endometriose (Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter)
  • Immunologische Sterilität Anti-Spermatozoen-Ak; Ovar-(Eierstock)-Auto-Antikörper
  • Uterus (Gebärmutter) Gebärmutterbedingte Ursachen der Sterilität:
    • Uterusfehlbildungen – die Gebärmutter kann beispielsweise in zwei Kammern geteilt sein oder eine Scheidewand aufweisen (erhöhtes Risiko von Aborten (Fehlgeburten)
    • Adenomyose (Adenomyosis uteri) – Endometriuminseln (Gebärmutterschleimhautinseln) innerhalb des Myometriums/Gebärmuttermuskulatur (Endometriosis uteri)
    • Chronische Endometritis (Gebärmutterschleimhautentzündung) → rezidivierendes Implantationsversagen bzw. wiederholte Spontanaborte (unbeabsichtigter Verlust der Schwangerschaft/Fehlgeburt vor der 20. Schwangerschaftswoche)
    • Myoma uteri – (Synonym: Uterus myomatosus) – Vergrößerung der Gebärmutter durch das Vorhandensein von einem oder mehreren Myomknoten (gutartige Muskelgeschwülste), die eine Störung der Nidation (Einnistung der Eizelle) bedingen können
    • Verwachsungen des Endometriums (Gebärmutterschleimhaut) nach einem operativen Eingriff an der Gebärmutter. Ursache: Kürettage (Ausschabung der Gebärmutter), seltener nach einer Infektion (Asherman-Syndrom: Verlust des Endometriums durch schwere Entzündungen oder Traumata (z. B. nach forcierter Kürettage); Symptome: schwache bis ganz fehlende Periodenblutungen)
    • Lageanomalie der Gebärmutter, diese kann in den Vaginalkanal, das heißt in die Scheide vorfallen (dieses wird als Prolaps bezeichnet)
  • Tubare Sterilität – Tubarverschluss/Eileiterverschluss, tubare Adhäsionen (Verwachsungen), Motilitätsstörungen der Tuben – Ursachen: z. B. wegen inflammatorischer (entzündliche) Erkrankungen im Bereich des Beckens (PID, Pelvic Inflammatory Disease/z. B. wg. Chlamydia trachomatis [9]), Adnexitis (Eierstockentzündung); sexuell übertragbarer Erkrankungen (STD, sexually transmitted disease), Vernarbungen infolge von Operationen oder auch aufgrund einer Endometriose (Vorkommen von Endometrium (Gebärmutterschleimhaut) extrauterin (außerhalb der Gebärmutterhöhle))
  • Vagina (Scheide) Fehlbildungen; Kolpitis (Scheidenentzündung)
    • Dysbiose – dysbiotische Subfertilität: klinisch-experimentell wurde belegt, dass die Aufhebung der Dysbiose bei Frauen mit schwer zu behandelnder bakterieller Vaginose (Mischinfektion der Vagina (Scheide)) zu einer Remission und schließlich Ausheilung des damit verbundenen Krankheitsbildes führt [17].
  • Zervikale Sterilitätsursachen (Cervix uteri Gebärmutterhals)
    • Infektiöse zervikale Sterilitätsursachen z. B. Chlamydien, Mykoplasmen, Mykose, bakterielle Vaginose, Trichomoniasis, Gonorrhoe etc.)
    • Anatomisch zervikale Sterilitätsursachen Fehlbildungen; Emmet-Riss (geburtsbedingter Riss des Gebärmutterhalses)

Krankheitsbedingte (extragentiale) Ursachen 

  • Autoimmunerkrankungen – diese führen zur "autoaggressiven Verdauung", das heißt Schädigung der Ovarien (Eierstöcke) kann ebenfalls Ursache einer vorzeitigen Menopause sein.
  • Diabetes mellitus
  • Parodontitis (Entzündung des Zahnhalteapparates) [21]
  • Psychosomatische Erkrankungen 
    • Anorexia nervosa
    • Bulimie
  • Idiopathische Sterilität – in ca. 30 % der Fälle des Mannes; bei 15 % Prozent der Fälle kann die Ursache der Sterilität weder beim Mann noch bei der Frau nachgewiesen werden.

Labordiagnosen – Laborparameter, die als unabhängige Risikofaktoren gelten

  • Hyperprolaktinämie (erhöhter Prolaktin-Serumspiegel)
  • Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH) zwar noch im Normalbereich, aber signifikant höher als die TSH-Spiegel der Frauen in der Vergleichsgruppe: doppelt so viele Frauen mit nicht erklärbarer Infertilität hatten einen TSH-Spiegel von ≥ 2,5 mIU/l (26,9 % gegenüber 13,5 %) [14]

Medikamente

  • Zytostatika (Substanzen, die das Zellwachstum bzw. die Zellteilung hemmen)

Die nachfolgend genannten Wirkstoffe bzw. Wirkstoffgruppen können eine Hyperprolaktinämie [5-7] auslösen und damit die Follikelreifung (Eizellreifung) beeinträchtigen. Dieses kann eine Corpus-luteum-Insuffizienz (Gelbköprerschwäche) zur Folge haben oder in schweren Fällen zu einer Amenorrhoe (Ausbleiben der Regelblutung länger als 3 Monate) führen:

  • Adrenalin
  • Angiotensin II
  • Antiarrhythmika (Verapamil)
  • Antidepressiva
    • MAO-Hemmer (Moclobemid, Rasagilin, Selegilin, Tranylcypromin)
    • Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, SSRI (Selective Serotonin-Reuptake-Inhibitoren) (Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin)
    • Trizyklische Antidepressiva (Amitryptilin, Amitriptylin­oxid, Clomipramin, Desipramin, Dopexin, Imipramin, Maprotilin, Nortriptylin, Opipramol, Tranylcypromin, Trimipramin)
  • Antiemetika (Domperidon, Metoclopramid)
  • Antihistaminika (Synonyme: Histamin-Rezeptorblocker oder Histamin-Rezeptorantagonisten)
  • Antihypertensiva (Clonidin, Methyldopa)
    • Calciumkanalblocker (Amlodipin, Dilitiazem, Nifedipin))
  • Antipsychotika (Neuroleptika)
    • Konventionelle (Klassische) Antipsychotika (Neuroleptika)
      • Butyrophenone – Benperidon, Fluspirilen, Haloperidol, Melperon, Pipamperon
      • Trizyklische Neuroleptika
        • Phenothiazine (Chlorpromazin, Fluphenazin, Levomepromazin, Perazin, Perphenazin, Promethazin, Thioridazin)
        • Thioxanthene (Chlorprothixen, Flupentixol, Zuclopenthixol)
    • Atypische Antipsychotika (Neuroleptika)
      • Benzamide – Sulpirid
      • Benzisoxazolpiperidin – Risperidon
      • Dibenzodiazepine – Olanzapin, Quetiapin
  • Antisympathotonika (Reserpin)
  • Beta-2-Sympathomimetika mit kurzer Wirkdauer (SABA) – Patientinnen mit SABA benötigten zu 30 % häufiger 12 Monate oder länger, um schwanger zu werden (adjustierte Odds Ratio, OR: 1,30; 95-Prozent-Konfidenzintervall 0,93 bis 1,81) [16]
  • Endogene Opiate (Endorphine)
  • Endorphin
  • Hormone
    • Antiandrogene (Cyproteronacetat)
    • GnRH
    • Melatonin
    • Östrogene
    • TRH
    • TSH-Releasing-Hormon (Synonyme: Thyroid-Stimulating Hormone, Thyrotropin)
  • H2-Rezeptorenblocker (Cimetidin, Ranitidin)
  • Opioide (Hydromorphon, Morphin)
  • Oxytocin
  • Psychopharmaka (Phenothiazine, Thioxanthene)
  • Serotonin
  • Vasopressin

Röntgenstrahlen  

  • Radiatio (Strahlentherapie) der Fortpflanzungsorgane oder des Hypothalamus/Hypophyse (Hirnanhangsdrüse)

Operationen

  • Operationen im kleinen Becken – dadurch bedingte Verwachsungen der Eileiter (tubare Sterilität)
  • Zustand nach Sectio caesarea/Kaiserschnitt (leicht erhöhtes Risiko) [10]

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Lärmbelästigung – höheres Risiko für Unfrucht­barkeit bei Frauen mit Straßenverkehrslärm assoziiert [23]
  • Narkosegase
  • Pestizid-belastete Lebensmittel (→ Anstieg der klinischen Aborte) versus pflanzlicher Kost mit geringer Pestizidlast (→ Abnahme der klinischen Aborte) [13]
  • Triclosan (polychloriertes Phenoxyphenol; durch die Einwirkung von Sonnenstrahlung, Ozon, Chlor und Mikroorganismen können aus Triclosan chlorierte Dioxine entstehen); Triclosan ist enthalten in Desinfektionsmitteln, Zahnpasta, Deodorants, Mundwasser, Seifen, Kosmetika, Händedesinfektionsmitteln, Haushaltsreiniger oder Waschmittel sowie in Textilien, Schuhen und Spielzeug.

Weitere Ursachen

  • Idiopathische Sterilität – in 15 Prozent der Fälle kann die Ursache der Sterilität weder beim Mann noch bei der Frau nachgewiesen werden.

Literatur

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  2. Neal MS, Hughes EG, Holloway AC, Foster WG: Sidestream smoking is equally as damaging as mainstream smoking on IVF outcomes. Hum Reprod 2005;20:2531-2535.
  3. Deutsches Krebsforschungszentrum. Tabakatlas Deutschland 2015. Heidelberg
  4. Secretan B, Straif K, Baan R et al.: A review of human carcinogens – Part E: tobacco, areca nut, alcohol, coal smoke, and salted fish. Lancet Oncol. 2009 Nov;10(11):1033-4.
  5. M Stauber, T Weyerstahl: Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme Verlag Stuttgart, 2005
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  7. AS Fauci, E Braunwald, DL Kasper, SL Hauser, DL Longo, JL Jameson, Loscalzo: Harrisons Innere Medizin, 17. Auflage, Hrsg.: M Dietel, N Suttorp, M Zeitz, ABW Wissenschaftsverlag Berlin, 2009
  8. Macer ML, Taylor HS (2012) Endometriosis and infertility: a review of the pathogenesis and treatment of endometriosis-associated infertility. Obstet Gynecol Clin North Am 39(4):535-549
  9. Davies B et al.: Risk of reproductive complications following chlamydia testing: a population-based retrospective cohort study in Denmark. Lancet Infectious Diseases 2016; online 8. Juni. doi: 10.1016/S1473-3099(16)30092-5
  10. Jacob L et al. Caesarean section and its impact on fertility and time to a subsequent pregnancy in Germany: a database analysis in gynecological practices. Arch Gynecol Obstet 2016, online 3. August; doi: 10.1007/s00404-016-4160-4
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