Hyperprolaktinämie – Prolaktinom – Operative Therapie
Ein Prolaktinom ist ein hormonell aktives Hypophysenadenom, das exzessiv Prolaktin produziert und zu Störungen des Hormonhaushalts sowie neurologischen Symptomen führen kann. Die primäre Therapieoption stellt die medikamentöse Behandlung mit Dopaminagonisten dar. Eine operative Therapie wird bislang nur bei Therapieversagen oder Unverträglichkeit der medikamentösen Behandlung erwogen. Neue Leitlinien deuten jedoch darauf hin, dass die chirurgische Entfernung zukünftig für bestimmte Patientengruppen eine Alternative zur medikamentösen Therapie darstellen könnte [Petersenn et al., 2023].
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Versagen oder Unverträglichkeit der medikamentösen Therapie mit Dopaminagonisten
- Kleine Mikroprolaktinome (< 1 cm Durchmesser), wenn eine kurative Therapie angestrebt wird
- Gut umschriebene Makroprolaktinome, insbesondere ohne Infiltration umliegender Strukturen
- Sehbeeinträchtigungen durch Chiasma-Opticum-Kompression, falls keine rasche Besserung unter Dopaminagonisten eintritt
- Wachstum des Prolaktinoms trotz medikamentöser Therapie
- Makroprolaktinome mit suprasellärer Extension, die nicht auf Dopaminagonisten ansprechen
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Schwere internistische Erkrankungen mit hohem Operationsrisiko
- Fehlende klare anatomische Abgrenzung des Tumors
- Erwartete Unvollständigkeit der Resektion mit hohem Rezidivrisiko
- Patienten mit stabilen Makroprolaktinomen ohne Symptome oder Zeichen eines Tumorwachstums
Operationsverfahren
Die transsphenoidale Hypophysenoperation ist das Verfahren der Wahl und erfolgt minimalinvasiv durch die nasale oder transseptale Zugangsroute. Alternativ kann bei bestimmten anatomischen Gegebenheiten eine transfrontale Hypophysenoperation erforderlich sein.
- Transsphenoidale Hypophysenoperation: Standardverfahren mit Zugang über die Nasenhöhle oder das Nasenseptum
- Transfrontale Hypophysenoperation: Zugangsweg durch die Stirn, indiziert bei sehr großen Tumoren oder atypischer Tumorausdehnung
Postoperative Nachsorge
- Regelmäßige Prolaktinspiegel-Kontrollen, um den Therapieerfolg zu überprüfen
- Bildgebende Nachsorge mittels Magnetresonanztomographie (MRT) zur Beurteilung der Tumorrestgröße
- Endokrinologische Kontrolle zur Erkennung einer Hypophyseninsuffizienz
- Behandlung eines möglichen postoperativen Diabetes insipidus mit Desmopressin
- Beobachtung auf nasale Liquorrhoe (Austritt von Hirnwasser)
Mögliche Komplikationen
- Diabetes insipidus – Hormonmangelbedingte Störung des Wasserhaushalts mit Polyurie (5-25 l/Tag); Häufigkeit: 6-11 %
- Hypophysenvorderlappeninsuffizienz (HVL-Insuffizienz) – Ausfall der Hormonproduktion des Hypophysenvorderlappens; Häufigkeit: 6-15 %
- Epistaxis (Nasenbluten) – Häufigkeit: 1-3 %
- Verletzung der A. carotis interna – Häufigkeit: 0-1,3 %
- Liquorrhoe – Auftreten einer Hirnwasserfistel mit Infektionsrisiko
- Hypophysenapoplex – Akute Einblutung in das Tumorgewebe
Vergleich der Operationsmethoden
Methode | Technik | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|
Transsphenoidale Hypophysenoperation | Endoskopische oder mikroskopische Entfernung über die Nasenhöhle | Minimalinvasiv, schnellere Erholung, geringeres Komplikationsrisiko | Begrenzter Zugang bei sehr großen Tumoren |
Transfrontale Hypophysenoperation | Zugang durch den Stirnbereich mit kranieller Eröffnung | Geeignet für große, invasive Tumoren, gute Tumorexposition | Höheres Risiko für postoperative Komplikationen, längere Erholungszeit |
Fazit
Die operative Therapie des Prolaktinoms stellt weiterhin eine sekundäre Option dar, die vor allem bei Therapieversagen, Unverträglichkeiten oder spezifischen Tumoreigenschaften in Betracht gezogen wird. Zukünftig könnte sie jedoch eine frühzeitigere Alternative für bestimmte Patientengruppen mit kleinen, klar begrenzten Mikroprolaktinomen oder nicht-invasiven Makroprolaktinomen darstellen. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Endokrinologie, Neurochirurgie und Radiologie ist essenziell, um eine individuell angepasste Therapieentscheidung zu treffen.
Leitlinien
- Petersenn S et al.: Diagnosis and management of prolactin-secreting pituitary adenomas: a Pituitary Society international Consensus Nat Rev Endocrinol 19, 722–740 (2023). https://doi.org/10.1038/s41574-023-00886-5Statement