Hodenverdrehung (Hodentorsion) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Die Hodentorsion beschreibt eine Drehung des Hodens um die eigene Längsachse, die zu einer Abklemmung der Blutgefäße führt, insbesondere der venösen Gefäße. Dies führt zu einer venösen Stauung, einer Druckerhöhung und in der Folge zu einer schmerzhaften Schwellung des betroffenen Hodens. Unbehandelt kann es durch die Unterbrechung der arteriellen Blutzufuhr zu einer Hodenischämie (Minderdurchblutung) und schließlich zu einer Nekrose (Gewebsuntergang) kommen.

Ursachen und Mechanismen der Hodentorsion

Das Auftreten einer Hodentorsion ist vermutlich durch die Kontraktion des M. cremaster (Kremastermuskel) bedingt, welcher den Hoden bei plötzlicher Anspannung dreht und so die Torsion auslöst [1]. Der Kremastermuskel ist ein dünner Muskel, der den Hoden hebt und in bestimmten Situationen, wie z. B. bei Kälte oder sexueller Erregung, aktiv wird.

Ein weiterer wesentlicher pathophysiologischer Mechanismus ist das Fehlen oder die mangelhafte Fixierung des Hodens am Skrotum durch die Bandstruktur des Gubernaculum testis. Das Gubernaculum testis ist normalerweise für die Fixierung des Hodens im Skrotum (Hodensack) verantwortlich. Fehlt diese Struktur, kommt es zu einer erhöhten Beweglichkeit des Hodens, was das Risiko einer Drehung erhöht.

Typische Bewegungsrichtung der Torsion

Die Torsion erfolgt meist in spezifischen Bewegungsrichtungen, abhängig von der Seite des betroffenen Hodens:

  • Rechter Hoden: Dreht sich in der Regel im Uhrzeigersinn.
  • Linker Hoden: Dreht sich typischerweise gegen den Uhrzeigersinn.

In etwa 66 % der Fälle erfolgt die Torsion nach medial (zur Körpermitte hin orientiert) [2].

Klassifikation der Hodentorsion

Man unterscheidet zwei Formen der Hodentorsion:

1. Extravaginale (supra-) Torsion:

    • Diese Form tritt typischerweise bei Neugeborenen auf und betrifft die gesamte Tunica vaginalis (Hodenhülle).
    • Bei Neugeborenen ist der Hoden oft noch nicht vollständig im Skrotum fixiert, was eine übermäßige Beweglichkeit ermöglicht.

2. Intravaginale Torsion:

  • Häufigste Form bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
  • Tritt in der Regel bei fehlender Fixierung des Hodens innerhalb der Tunica vaginalis auf, was zu einer „Glockenschlägerdeformität“ führt.
  • Diese Konstellation begünstigt eine Rotation innerhalb der Hodenhülle und führt zur Abklemmung der Blutzufuhr.

Prädisponierende Faktoren

Bestimmte äußere Einflüsse können eine Hodentorsion begünstigen:

  • Kaltes Wetter: Ein Wechsel von warm zu kalt führt zu einer Reflexkontraktion des M. cremaster, was als „winter syndrome“ bezeichnet wird.
  • Lokale Kälte: Verstärkt die Reflexkontraktionen und erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Hodentorsion.
  • Hodentrauma: Ein Trauma kann zu einer verstärkten Beweglichkeit des Hodens führen und die Drehung um die eigene Achse begünstigen.
  • Sportliche Aktivitäten oder heftige körperliche Bewegung: Plötzliche Bewegungen oder Druckeinwirkungen auf den Hoden können ebenfalls eine Torsion auslösen.

Pathophysiologische Folgen

  • Die erste pathophysiologische Veränderung bei einer Hodentorsion ist die venöse Stauung, da die venösen Gefäße des Samenstrangs (Funiculus spermaticus) als erstes durch die Torsion abgeklemmt werden.
  • Dies führt zu einer venösen Kongestion und Schwellung des betroffenen Hodens.
  • Im weiteren Verlauf kommt es durch die Abklemmung der arteriellen Blutzufuhr zur Ischämie (Minderversorgung mit Blut) und anschließendem Gewebsuntergang (Nekrose), wenn keine rechtzeitige chirurgische Intervention erfolgt.
  • Der irreversible Gewebsschaden setzt innerhalb von 6 Stunden ein, weshalb eine rasche Diagnosestellung und operative Detorquierung essenziell ist.

Zusammenfassung

Eine Hodentorsion entsteht durch eine Fehlfixierung des Hodens im Skrotum oder durch Reflexkontraktionen des Kremastermuskels. Dies führt zu einer Drehung des Hodens und zu einer Abklemmung der venösen und arteriellen Blutgefäße. Unbehandelt resultiert dies in einer Ischämie und Nekrose des betroffenen Gewebes. Die Torsion tritt häufig nach medial auf und kann als extravaginale Form bei Säuglingen oder als intravaginale Form bei Jugendlichen beobachtet werden.

Ätiologie (Ursachen)

 Biographische Ursachen

  • Entwicklungsanomalie ‒ Fehlen des Gubernakulums

Krankheitsbedingte Ursachen

Urogenitalsystem (Nieren, Harnwege ‒ Geschlechtsorgane) (N00-N99)

  • Retinierte Hoden/Hoden, die verspätet deszendieren (absteigen)

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Niedrigere Temperaturen und Tage mit starken Temperaturschwankungen [3]

Literatur

  1. Gatti JM: Current management of the acute scrotum. Seminars in Pediatric Surgery 16: 58-63, 2007 
  2. Sessions AE: Testicular torsion: direction, degree, duration and disinformation. J Urol 2003;169:663-665
  3. Liu Y et al.: Association between meteorological factors and testicular torsion: a scoping review of clinical research evidence. J Pediatr Urol 2024; https://doi.org/10.1016/j.jpurol.2024.10.026