Fehlgeburt (Abort) – Anamnese

Die Anamnese (Krankengeschichte) stellt einen wichtigen Baustein in der Diagnostik des Aborts (Fehlgeburt) dar.

Familienanamnese

  • Gibt es in Ihrer Familie Erbkrankheiten oder genetische Syndrome (z. B.  Turner-Syndrom, Marfan-Syndrom, Sichelzellanämie, Thrombophilien (Blutgerinnungsstörungen))?
  • Bestehen in Ihrer Familie gehäuft Autoimmunerkrankungen oder chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus?
  • Gab es bei Verwandten häufig Fehlgeburten oder Frühgeburten?
  • Bestehen bekannte Thrombophilien?

Soziale Anamnese

  • Beruf:
    • Welchen Beruf üben Sie aus?
    • Sind Sie beruflich schädigenden Arbeitsstoffen oder chemischen Substanzen ausgesetzt?
  • Gibt es Hinweise auf psychosoziale Belastungen, Stress oder familiäre Konflikte?
  • Leiden Sie unter Arbeits- oder Schlafstörungen, die sich negativ auf Ihre Gesundheit auswirken könnten?

Aktuelle Anamnese/Systemanamnese (somatische und psychische Beschwerden)

  • Haben Sie Blutungen aus der Scheide bemerkt?*
  • Haben Sie krampfartige, wehenartige oder anhaltende Unterbauchschmerzen?*
  • Haben Sie das Gefühl, dass Fruchtwasser abgegangen ist?*
  • Haben Sie Fieber oder andere Infektionssymptome wie Schüttelfrost?*
  • Haben Sie weitere Symptome:
    • plötzliche Kreislaufprobleme oder Schwindel*?
    • Veränderungen in der Kindsbewegung*?
    • psychische Beschwerden wie Angstzustände, Depression oder Panikattacken?

Vegetative Anamnese inkl. Ernährungsanamnese

  • Haben Sie in den ersten 18 Schwangerschaftswochen intensiven Sport betrieben (z. B. mehr als sieben Stunden pro Woche)?
  • Ernähren Sie sich ausgewogen und nährstoffreich?
  • Nehmen Sie zu wenig Folsäure oder Eisen auf?
  • Wurden Sie während der Schwangerschaft geröntgt oder anderweitig strahlenbelastet?
  • Hatten Sie Kontakt mit toxischen Substanzen, z. B. Pestiziden oder Lösungsmitteln?
  • Trinken Sie regelmäßig koffeinhaltige Getränke (Kaffee, schwarzer/grüner Tee)? Wenn ja, wie viele Tassen pro Tag?
  • Rauchen Sie? Wenn ja, wie viele Zigaretten, Zigarren oder Pfeifen pro Tag?
  • Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, welche Getränke und in welcher Menge pro Tag oder Woche?
  • Nehmen Sie Drogen? Wenn ja, welche Drogen und wie häufig?

Eigenanamnese

  • Vorerkrankungen:
    • Leiden Sie an chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Schilddrüsenerkrankungen oder anderen Stoffwechselstörungen?
    • Bestehen bei Ihnen bekannte Infektionen (z. B. Toxoplasmose, Röteln, Zika-Virus, Listeriose)?
    • Haben Sie Blutgerinnungsstörungen oder andere Risikofaktoren für Thrombosen?
  • Frühere Schwangerschaften:
    • Wie viele Schwangerschaften hatten Sie bereits?
    • Gab es frühere Fehlgeburten oder Schwangerschaftskomplikationen?
    • Waren Frühgeburten, Kaiserschnitte oder Totgeburten Teil Ihrer Schwangerschaftsanamnese?
  • Wurden gynäkologische Operationen (z. B. an der Gebärmutter) durchgeführt?
  • Bestehen bekannte Allergien (z. B. auf Medikamente oder Lebensmittel)?

Medikamentenanamnese

  • Antibiotika – Medikamente wie beispielsweise Tetracycline, Lincosamide oder Aminoglykoside zur Behandlung bakterieller Infektionen
  • Fluconazol (Antimykotikum aus der Gruppe der Triazolderivate), oral; Reproduktionstoxizität (48 % ↑) [2]
  • Nicht-steroidale Entzündungshemmer (nonsteroidal antiinflammatory drugs; NSAID), Acetylsalicylsäure (ASS) ausgenommen, verdoppeln das Abortrisiko; das Risiko war am größten bei Diclofenac, gefolgt von Naproxen, Celecoxib, Ibuprofen und Rofecoxib [1]
  • Impfungen mit Lebendimpfstoffen wie gegen Masern, Mumps, Röteln, Gelbfieber, Varizellen – Windpocken – sollten in der Schwangerschaft nicht durchgeführt werden
  • Zytostatika – Medikamente wie beispielsweise Cyclophosphamid oder Methotrexat zur Bekämpfung von Krebserkrankungen können durch ihre Teratogenität – fruchtschädigende Wirkung – zu Aborten führen

Umweltanamnese

  • Sind Sie beruflich oder privat mit Karzinogenen, Lösungsmitteln oder toxischen Substanzen in Kontakt gekommen?
  • Luftschadstoffe:
    • War Ihre Umgebung stark durch Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid (SO₂) belastet? 
      • Schwefeldioxid (SO2)-Gehalt korreliert mit der Zahl der verhaltenen Aborte (engl. missed abortion) [4]
    • Sind Sie mit Feinstaub oder Weichmachern (Phthalaten) in Kontakt gekommen?
      • Hinweis: Phthalate gehören zu den endokrinen Disruptoren (Synonym: Xenohormone), die bereits in geringsten Mengen durch Veränderung des Hormonsystems die Gesundheit schädigen können [3].

* Falls diese Frage mit "Ja" beantwortet worden ist, ist ein sofortiger Arztbesuch erforderlich! (Angaben ohne Gewähr)

Unsere Empfehlung: Drucken Sie die Anamnese aus, markieren Sie alle mit „Ja“ beantworteten Fragen und nehmen Sie das Dokument mit zu Ihrem behandelnden Arzt.

Literatur

  1. Nakhai-Pour HR, Broy P, Sheehy O, Bérard A: Use of nonaspirin nonsteroidal anti-inflammatory drugs during pregnancy and the risk of spontaneous abortion. CMAJ September 6, 2011 First published September 6, 2011. doi: 10.1503/cmaj.110454
  2. Mølgaard-Nielsen D et al.: Association Between Use of Oral Fluconazole During Pregnancy and Risk of Spontaneous Abortion and Stillbirth. JAMA. 2016;315(1):58-67. doi:10.1001/jama.2015.1784
  3. Ferguson KK, McElrath TF, Meeker JD.: Environmental Phthalate Exposure and Preterm Birth JAMA Pediatr. Published online November 18, 2013. doi:10.1001/jamapediatrics.2013.3699
  4. Zhang L et al.: Air pollution-induced missed abortion risk for pregnancies Nature Sustainability 14 October 2019