West-Nil-Fieber – Einleitung

Das West-Nil-Fieber ist eine durch das West-Nil-Virus (WNV) verursachte Infektionserkrankung, die hauptsächlich durch Stechmücken übertragen wird. Es gehört zu den Zoonosen und kann von Tieren auf den Menschen übergehen. Die Erkrankung verläuft in den meisten Fällen asymptomatisch oder mild, kann jedoch in schweren Fällen zu neurologischen Komplikationen wie Enzephalitis (Gehirnentzündung) oder Meningitis (Hirnhautentzündung) führen.

Synonyme und ICD-10: ICD-10-GM A92.3: West-Nil-Virusinfektion)

Das West-Nil-Fieber wird durch das West-Nil-Virus (WNV), Genus Flavivirus, ein RNA-Virus aus der Gruppe der Flaviviren (Flaviviridae), ausgelöst. Das Virus gehört zu den am weitesten verbreiteten Flaviviren.

Charakteristische Laborbefunde

  • Blutbild: Leukozytose (Vermehrung der Leukozytenzahl/weiße Blutkörperchen) oder Leukopenie (Verminderung der Leukozytenzahl), Thrombozytopenie (Verminderung der Thrombozyten/Blutplättchen)
  • Serologie: Nachweis von IgM- und IgG-Antikörpern gegen das West-Nil-Virus
  • PCR: Nachweis von WNV-RNA im Blut oder Liquor cerebrospinalis/Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit  (bei neurologischen Komplikationen)
  • Liquorbefunde: Pleozytose (erhöhte Zellzahl), Proteinerhöhung bei Beteiligung des ZNS

Formen der Erkrankung

  1. Asymptomatische Infektion: Ca. 80 % der Infektionen verlaufen ohne Symptome.
  2. Mildes West-Nil-Fieber:
    • Symptome: Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Lymphadenopathie (Vergrößerung der Lymphknoten), Hautausschlag (Exanthem)
    • Verlauf: Meist selbstlimitierend und heilt innerhalb weniger Tage aus.
  3. Schwere neurologische Infektion:
    • Manifestationen: Enzephalitis (Hirnentzündung), Meningitis (Hirnhautentzündung), akute schlaffe Lähmung
    • Verlauf: Schwere neurologische Defizite oder Todesfälle sind möglich, besonders bei älteren und immungeschwächten Personen.

Ursachen

Das West-Nil-Virus gehört zur Familie der Flaviviridae und wird durch Stechmücken der Gattung Culex und Aedes übertragen. Vögel sind das Hauptreservoir, während Menschen und Pferde als Fehlwirte gelten.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel
: Besonders betroffen sind ältere Menschen (> 50 Jahre) und immunsupprimierte Personen.

Prävalenz
 (Krankheitshäufigkeit): Zahlen zur Prävalenz sind aufgrund des häufig asymptomatischen Verlaufs schwer zu ermitteln. Es wird jedoch vermutet, dass die Durchseuchung in endemischen Gebieten hoch ist.

Inzidenz
 (Häufigkeit von Neuerkrankungen): In Europa wurden 2018 etwa 800 Fälle gemeldet. Seit 2020 gibt es auch autochthone Fälle in Deutschland.

Saisonale Häufung
: West-Nil-Fieber tritt vor allem in den Sommer- und Herbstmonaten auf, wenn Stechmücken am aktivsten sind.

Infektionsepidemiologie

Erreger: West-Nil-Virus (WNV), ein RNA-Virus der Familie Flaviviridae.

Erregerreservoir
: Wildvögel, insbesondere Zugvögel, dienen als Hauptreservoir.

Vorkommen

  • Ursprünglich aus Afrika stammend, tritt das West-Nil-Virus mittlerweile weltweit auf. Endemische Regionen befinden sich in Afrika, dem Nahen Osten, Südosteuropa, Asien und Nordamerika.
  • Auch in Deutschland wurden vereinzelt importierte Fälle (durch Reisende) nachgewiesen. Langanhaltendes Sommerwetter begünstigt die Ausbreitung des Virus. Nach Einschätzung des Robert Koch-Institut ist damit zu rechnen, dass sich die Erkrankung in Deutschland weiterverbreiten wird. Im August 2020 haben sich mindestens 4 Menschen in Deutschland mit dem West-Nil-Virus infiziert (autochthone Infektionen) [1].

Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Sehr selten, aber möglich durch Bluttransfusionen, Organtransplantationen oder intrauterin während der Schwangerschaft.

Kontagiosität
 (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Übertragung erfolgt hauptsächlich durch Stechmücken, Mensch-zu-Mensch-Übertragungen sind selten.

Übertragungsweg
: Primär über den Stich infizierter Mücken; selten durch Bluttransfusionen, Organtransplantationen oder durch Schwangerschaft und Muttermilch.

Eintrittspforte
: Haut (Mückenstich), parenteral (Bluttransfusion, Transplantation).

Inkubationszeit
 (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): In der Regel 2-14 Tage.

Krankheitsdauer
: Leichte Verläufe dauern meist 3-7 Tage, schwere neurologische Komplikationen können Wochen bis Monate andauern.

Dauer der Infektiosität
: Menschen gelten als Fehlwirte und tragen nicht zur Virusverbreitung bei.

Seroprävalenz
 (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper: In endemischen Gebieten ist die Seroprävalenz bei Vögeln und Pferden hoch. Bei Menschen variiert sie, da viele Infektionen asymptomatisch verlaufen.

Erregerspezifische Immunität
: Nach einer Infektion wird eine lang anhaltende Immunität entwickelt.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • In etwa 80 % der Fälle verläuft die Infektion asymptomatisch.
  • In symptomatischen Fällen treten grippeähnliche Beschwerden auf, wie Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und in ca. 50 % der Fälle ein Hautausschlag.
  • Ein schwerer Verlauf mit neurologischen Komplikationen tritt bei etwa 1 von 150 Infizierten auf, insbesondere bei älteren und immungeschwächten Personen.
  • Schwere Komplikationen umfassen Enzephalitis (Hirnentzündung), Meningitis (Hirnhautentzündung) und akute schlaffe Lähmung.

Prognose

  • Die meisten Fälle heilen innerhalb weniger Tage bis Wochen ohne Komplikationen aus.
  • Bei neurologischen Verläufen beträgt die Letalität (Sterblichkeit) 15-40 %, besonders bei älteren Personen (> 70 Jahre).
  • Residualzustände (Beeinträchtigung der körperlichen oder psychischen Leistungsfähigkeit nach einer Krankheit) nach Enzephalitis treten in bis zu 50 % der Fälle auf, was zu bleibenden neurologischen Schäden führen kann.

Impfung: Eine Schutzimpfung gegen das West-Nil-Fieber steht bislang nicht zur Verfügung.

In Deutschland ist die Erkrankung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig. Die Meldung hat bei direkten oder indirekten Erregernachweis zu erfolgen.

Literatur

  1. Robert Koch-Institut: Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health: Epidemiologisches Bulletin 36, 2020, 3.9.2020