Virales hämorrhagisches Fieber – Einleitung
Das virale hämorrhagische Fieber (VHF) beschreibt eine Gruppe von Infektionskrankheiten, die durch verschiedene Viren verursacht werden, typischerweise mit Symptomen wie Fieber, Blutungen und Schädigungen der Blutgefäße. Diese Krankheiten werden durch Arthropoden (wie Mücken und Zecken) oder durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren oder Menschen übertragen. Einige VHF-Formen wie Ebola, Lassa und Marburg haben eine hohe Letalität (Sterblichkeit) und können über Körperflüssigkeiten von Mensch zu Mensch übertragen werden, während andere, wie Dengue und Gelbfieber, durch Vektoren wie Stechmücken übertragen werden.
Synonyme und ICD-10: ICD-10-GM A92-A99: Durch Arthropoden übertragene Viruskrankheiten und virale hämorrhagische Fieber.
Formen der Erkrankung
Unter dem Oberbegriff "virales hämorrhagisches Fieber (VHF)" werden verschiedene Infektionskrankheiten zusammengefasst:
- Hämorrhagisches Dengue-Fieber (ICD-10-GM A97: Dengue) ‒ beschreibt eine Infektionserkrankung, die in den (Sub-)Tropen auftritt und durch das Dengue-Virus (DENV) verursacht wird [s. u. "Dengue-Fieber"]
- Hämorrhagisches Chikungunya-Fieber (ICD-10-GM A92.0: Chikungunya-Viruskrankheit) ‒ Infektionserkrankung, die durch das Chikungunya-Virus (CHIKV; aus der Familie der Togaviridae) verursacht wird und in Süd-/Südostasien, arabische Halbinsel, Indischer Ozean, Afrika, Nordamerika (Florida), Karibik (Dominikanische Republik, Guadeloupe, Martinique), Südamerika (Brasilien, Bolivien, Venezuela) und zunehmend in Südeuropa (u. a. Spanien, Südfrankreich) auftritt
- West-Nil-Fieber (ICD-10-GM A92.3: West-Nil-Virusinfektion) – Infektionserkrankung, die durch das West-Nil-Virus verusacht wird; das West-Nil-Fieber-Virus (WNV) wird durch Stechmücken (Culex, Aedes und Ochlerotatus) von einem Wirt zum nächsten übertragen; vorkommen der Krankheit in Teilen Südeuropas, Afrikas und Asiens vor; heute zunehmend auch in Mitteleuropa [s. u. "West-Nil-Fieber"]
- Rifttal-Fieber (engl. Rift valley fever, RVF) (ICD-10-GM A92.4: Rifttalfieber) ‒ durch das Rifttal-Virus (RVF, engl. Rift valley fever; aus der Familie der Bunyaviridae) verursachte Infektionserkrankung, die in Afrika, arabische Halbinsel und Madagaskar vorkommt; Endemiegebiete sind Sierra Leone, Guinea sowie Liberia und zum anderen östlich dieser Region Nigeria
- Gelbfieber (ICD-10-GM A95.-: Gelbfieber) ‒ beschreibt eine Infektionserkrankung, die durch das Gelbfieber-Virus (GFV) verursacht wird [s. u. "Gelbfieber"]
- Lassa-Fieber (ICD-10-GM A96.2: Lassa-Fieber) ‒ durch das Lassa-Virus (LV; aus der Familie der Arenaviren) verursachte Infektionserkrankung, die in Westafrika vorkommt; Endemiegebiete sind Sierra Leone, Guinea sowie Liberia und zum anderen östlich dieser Region Nigeria
- Argentinisches hämorrhagisches Fieber (ICD-10-GM A96.0: Hämorrhagisches Fieber durch Junin-Viren) ‒ durch das Junin-Virus verursachte Infektionserkrankung, die in Argentinien vorkommt
- Bolivianisches hämorrhagisches Fieber (ICD-10-GM A96.1: Hämorrhagisches Fieber durch Machupo-Viren) ‒ durch das Machupa-Virus verursachte Infektionserkrankung, die in Bolivien vorkommt
- Venezolanisches hämorrhagisches Fieber (ICD-10-GM A92.2: Venezolanisches Pferdefieber) ‒ durch das Guanarito-Virus verursachte Infektionserkrankung, die in Venezuela vorkommt
- Sonstiges hämorrhagisches Fieber durch Arenaviren (ICD-10-GM A96.8: Sonstiges hämorrhagisches Fieber durch Arenaviren)
- Krim-Kongo-hämorrhagisches Fieber (CCHF) (ICD-10-GM A98.0: Hämorrhagisches Krim-Kongo-Fieber) durch das Krim-Kongo-Virus (aus der Familie der Bunyaviridae) verursachte Infektionserkrankung, die in Afrika, Balkanstaaten, Mittlerer Osten und Zentralasien vorkommt. Am stärksten betroffen sind die Türkei, der Iran, Usbekistan sowie die südlichsten Gebiete Russlands; 2016 erstmals auch in Spanien.
- Hämorrhagisches Omsk-Fieber (ICD-10-GM A98.1: Hämorrhagisches Omsk-Fieber) ‒ durch eine Arbo-Virus B verursachte Infektionserkrankung, die in Zentralsibirien vorkommt
- Kyasanur-Wald-Krankheit (ICD-10-GM A98.2: Kyasanur-Wald-Krankheit) ‒ durch das Kyasanur-Forest-Disease-Virus verursachte Infektionserkrankung, die in Indien in regenfreien Monaten auftritt
- Marburg-hämorrhagisches Fieber (ICD-10-GM A98.3: Marburg-Viruskrankheit) ‒ durch das Marburg-Virus (MARV; aus der Familie der Filoviridae) verursachte Infektionserkrankung, die in Zentral- und Westafrika vorkommt
- Ebola-hämorrhagisches Fieber (ICD-10-GM A98.4: Ebola-Viruskrankheit) ‒ durch das Ebola-Virus (EBOV; aus der Familie der Filoviridae) verursachte Infektionserkrankung [s. u. "Ebola"]
- Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom (ICD-10-GM A98.5: Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom) ‒ v. a. Hanta-Virus-Infektion [s. u. "Hanta-Virus-Erkrankung"]
- Nicht näher bezeichnete hämorrhagische Viruskrankheit (ICD-10-GM A99: Nicht näher bezeichnete hämorrhagische Viruskrankheit)
Charakteristische Laborbefunde
- Thrombozytopenie (niedrige Blutplättchenzahl)
- Leukopenie (niedrige weiße Blutkörperchenzahl)
- Erhöhte Transaminasen (Anzeichen für Leberschädigung)
- Verlängerte Prothrombinzeit (Hinweis auf Gerinnungsstörungen)
- Positive PCR für spezifische Viren (z. B. Dengue-, Ebola-, Lassa-Viren)
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind in etwa gleich betroffen.
Häufigkeitsgipfel: In Endemiegebieten häufig bei Erwachsenen im mittleren Alter, abhängig von Expositionsfaktoren.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Regional unterschiedlich; Dengue und Chikungunya sind in tropischen Regionen häufig, Ebola- und Marburg-Viren in Afrika.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): In Deutschland selten; es handelt sich meist um importierte Fälle, mit Ausnahme von West-Nil-Fieber, das zunehmend auch in Europa auftritt.
Saisonale Häufung: Tendenz zu saisonalen Ausbrüchen während der Regenzeiten in tropischen Gebieten.
Infektionsepidemiologie
Erreger: Verschiedene Viren aus den Familien Arenaviridae, Filoviridae, Flaviviridae und Bunyaviridae.
Erregerreservoir: Je nach Erreger: Nager (Lassa-Virus), Flughunde (Ebola, Marburg), Stechmücken (Dengue, Gelbfieber), Zecken (Krim-Kongo-Fieber).
Vorkommen: Hauptsächlich in tropischen und subtropischen Regionen Afrikas, Asiens und Südamerikas.
Endemiegebiete
- Westafrika: Ebola-Virus, Lassa-Virus
- Zentralafrika: Ebola-Virus, Marburg-Virus
- Subsahara-Afrika (Tropen): Gelbfiebervirus
- Tropisches Amerika: Gelbfiebervirus
Mensch-zu-Mensch-Übertragung
- Argentinisches hämorrhagisches Fieber: ?
- Bolivianisches hämorrhagisches Fieber: Ja
- Ebola-hämorrhagisches Fieber: Ja
- Gelbfieber: Nein
- Hämorrhagisches Dengue-Fieber: Nein
- Hämorrhagisches Chikungunya-Fieber: Nein
- Hämorrhagisches Omsk-Fieber: Nein
- Krim-Kongo-hämorrhagisches Fieber (CCHF): Ja
- Lassa-Fieber: Ja
- Marburg-hämorrhagisches Fieber: Ja
- Rifttal-Fieber: Nein
- Venezolanisches hämorrhagisches Fieber: ?
- West-Nil-Fieber: Nein (allerdings möglich über infizierte Blutspenden sowie Organtransplantation und Muttermilch
- Bei einigen Erregern (z. B. Ebola, Marburg, Lassa) möglich, durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten.
- Andere Erreger (z. B. Dengue, Gelbfieber, Hämorrhagisches Chikungunya-Fieber, West-Nil-Fieber) werden durch Vektoren (z. B. Mücken) übertragen.
Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers)
- Hoch bei Filoviren (Ebola, Marburg).
- Gering bei Flaviviren (Dengue, Gelbfieber).
Übertragungsweg
- Filoviren: Direkter Kontakt mit Körperflüssigkeiten.
- Flaviviren und Bunyaviren: Durch Mücken- oder Zeckenstiche.
Eintrittspforte: Haut oder Schleimhäute durch Vektoren oder direkten Kontakt.
Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): Je nach Erreger 2 bis 21 Tage.
Krankheitsdauer: Akute Phase dauert in der Regel 1 bis 2 Wochen.
Dauer der Infektiosität: Solange das Virus im Blut und anderen Körperflüssigkeiten nachweisbar ist.
Seroprävalenz (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): Regionale Unterschiede, abhängig von Endemiegebieten und Impfkampagnen.
Erregerspezifische Immunität: Immunität nach Infektion ist lang anhaltend.
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Die Symptome beginnen oft unspezifisch mit Fieber, Myalgien (Muskelschmerzen) und Kopfschmerzen.
- Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu Blutungen, Schock und Multiorganversagen.
Prognose
- Hohe Letalität (Sterblichkeit) bei einigen Erregern, insbesondere Ebola (50-90 %), Marburg und Krim-Kongo.
- Dengue und Chikungunya haben eine niedrigere Letalität, können aber zu schwerem Organversagen führen.
In Deutschland ist ein virales hämorrhagisches Fieber nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig. Die Meldung hat bei Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod oder bei Erregernachweis in Verbindung mit einer akuten Infektion zu erfolgen.
Impfungen
- Die Europäische Kommission hat die Vakzine Qdenga® (TAK-003) zur Prophylaxe des Dengue-Fiebers bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern im Alter ab vier Jahren zugelassen. Er basiert auf einem lebenden, abgeschwächten Dengue-Virus vom Serotyp 2.
Hinweis: Es gab keine Hinweise auf eine Verstärkung der Erkrankung bei Impfempfängern. - Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat im November 2023 den weltweit ersten Impfstoff gegen das Chikungunya-Virus (CHIKV) zugelassen.
Nachfolgend werden nur die in Fettdruck markierten Krankheiten ausführlich dargestellt. In eckigen Klammern ist angegeben, wenn es die Krankheit als eigenes Kapitel gibt (siehe oben unter "Formen der Erkrankung").