Ulcus molle – Einleitung
Ulcus molle, auch weicher Schanker genannt, ist eine sexuell übertragbare Erkrankung, die durch das Bakterium Haemophilus ducreyi (gramnegatives Stäbchen) verursacht wird. Charakteristisch ist die Bildung schmerzhafter Ulzera (Geschwüre) im Genitalbereich, begleitet von einer langsamen Heilungstendenz und oft geschwollenen Lymphknoten.
Synonyme und ICD-10: Chancroid; Ducrey-Bazillen; Haemophilus ducreyi; Schanker, weicher; Ulcus molle venereum; Ulcus venereum; Ulkus molle; weicher Schanker; ICD-10-GM A57: Ulcus molle (venereum)
Der Erreger produziert zwei potente Zytotoxine. Diese verursachen sowohl die Ausbildung als auch die langsame Heilungstendenz der Ulzera (Geschwüre). Es handelt sich dabei um lokale Entzündungen der Haut und/oder Schleimhaut.
Charakteristische Laborbefunde
- Mikroskopie: Direkter Nachweis von Haemophilus ducreyi aus Ulzeraabstrichen mittels Gram-Färbung (gramnegative Stäbchen sichtbar).
- Kultur: Spezifische Kulturmedien zur Anzucht des Bakteriums.
- PCR: Molekulare Diagnostik zur Bestätigung von Haemophilus ducreyi-Infektionen.
- Serologie: Nicht spezifisch für Ulcus molle, aber wichtig zur Abgrenzung von Syphilis, HIV und anderen sexuell übertragbaren Infektionen.
Formen der Erkrankung
- Primäres Ulkus: Nach einer Inkubationszeit von 1 bis 14 Tagen entstehen schmerzhafte, weiche Ulzera (Geschwüre), meist im Genitalbereich, die durch eine lokale Entzündungsreaktion und Gewebezerfall gekennzeichnet sind.
- Lymphknotenbeteiligung: In etwa 50 % der Fälle kommt es zu einer schmerzhaften Schwellung der inguinalen Lymphknoten (Bubo), die sich vergrößern und eitrig abszessieren (Eiterhöhlen bilden) können.
- Asymptomatischer Verlauf: Bei Frauen kann die Infektion in etwa 50 % der Fälle asymptomatisch verlaufen.
Ursachen
Die Infektion wird durch Haemophilus ducreyi verursacht. Dieser Erreger dringt durch Mikrotraumata der Genitalschleimhäute bei direktem sexuellen Kontakt ein. Die Ausbreitung der Erkrankung wird durch ungeschützten Geschlechtsverkehr und mangelnde Hygiene begünstigt.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Das Verhältnis liegt zwischen 3:1 und 25:1.
Häufigkeitsgipfel: Häufig in sexuell aktiven Altersgruppen (zwischen 20 und 40 Jahren).
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Weltweit wird von bis zu 7 Millionen Neuinfektionen pro Jahr ausgegangen, wobei die Krankheit in Industrieländern selten ist. In endemischen Gebieten, insbesondere in Afrika, Südostasien und Lateinamerika, ist sie häufiger.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen: Die genaue Inzidenz in Deutschland ist nicht bekannt, es handelt sich meist um importierte Fälle.
Infektionsepidemiologie
Erreger: Haemophilus ducreyi, ein gramnegatives Stäbchenbakterium.
Erregerreservoir: Der Mensch ist das einzige relevante Erregerreservoir.
Vorkommen: Tropische und subtropische Regionen, insbesondere Afrika, Südostasien und Lateinamerika.
Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Ja, hauptsächlich durch sexuellen Kontakt.
Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Hoch, insbesondere bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr und Mikrotraumata der Schleimhäute.
Übertragungsweg: Direkter Schleimhautkontakt mit Sekreten infizierter Ulzera oder Lymphknoten.
Eintrittspforte: Mikrotraumata in der Schleimhaut, meistens im Genitalbereich.
Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): 1 bis 14 Tage, durchschnittlich 3 bis 7 Tage.
Krankheitsdauer: Ohne Therapie können die Ulzera (Geschwüre) wochenlang bestehen bleiben, bei Behandlung heilen sie in der Regel in wenigen Wochen.
Dauer der Infektiosität: Während der gesamten Zeit, in der offene Ulzera vorhanden sind, besteht eine Ansteckungsgefahr.
Seroprävalenz (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): Keine spezifischen serologischen Marker, da die Diagnose in der Regel durch kulturellen Nachweis oder PCR erfolgt.
Erregerspezifische Immunität: Eine durchgemachte Infektion hinterlässt keine schützende Immunität, Reinfektionen sind möglich.
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Initial schmerzhaftes Ulkus (Geschwür) am Genital, begleitet von Lymphknotenschwellungen (Bubo).
- Unbehandelt kann es zu Komplikationen wie Abszessen (um Kapsel der Eiterhöhlen) und Gewebezerfall kommen.
- Frauen können asymptomatisch sein, was die Diagnose und Behandlung verzögern kann.
Prognose
- Mit rechtzeitiger antibiotischer Therapie (z. B. Azithromycin oder Ceftriaxon) ist die Prognose gut, und die Erkrankung heilt vollständig aus.
- Unbehandelt kann es zu chronischen Verläufen und selten zu Komplikationen wie Narbenbildung und sekundären Infektionen kommen.
- Bei Koinfektionen mit HIV kann der Verlauf schwerer sein und erfordert besondere Beachtung.
Beachte: Mögliche Koinfektion mit HIV.
In Deutschland ist die Erkrankung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) nicht meldepflichtig.
Leitlinien
- Tiplica, G.-S. et al.: 2015 European guidelines for the management of partners of persons with sexually transmitted infections. JEADV 2015; online 7. Mai 2015
- S2k-Leitlinie: Sexuell übertragbare Infektionen (STI) - Beratung, Diagnostik, Therapie. (AWMF-Registernummer: 059 - 006), August 2018 Langfassung
- S2k-Leitlinie: Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. (AWMF-Registernummer: 093-001), Oktober 2021 Langfassung