Typhus abdominalis – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Typhus abdominalis wird durch Salmonella Typhi (auch Salmonella enterica ssp. enterica Serovar Typhi) verursacht. Es handelt sich um ein gramnegatives, fakultativ anaerobes Stäbchenbakterium aus der Familie der Enterobacteriaceae.
  • Genom: Das Genom von Salmonella Typhi besteht aus einer einzelsträngigen DNA, die für eine Vielzahl von Virulenzfaktoren (Infektionskraft-bedingende Eigenschaften) wie Toxine und Adhäsionsmoleküle kodiert.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz von Salmonella Typhi wird maßgeblich durch das Vi-Antigen (Virulenzantigen) vermittelt, das das Bakterium vor der Immunantwort schützt und eine systemische Ausbreitung ermöglicht.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Typhus abdominalis ist endemisch in vielen Ländern mit unzureichender Wasser- und Lebensmittelhygiene, insbesondere in Teilen von Südostasien, Afrika und Südamerika. In Industrieländern tritt die Erkrankung hauptsächlich als Reisekrankheit auf.
  • Hauptübertragungsweg: Die Übertragung erfolgt durch die Aufnahme kontaminierter Lebensmittel oder Wasser, meist durch Fäkalien verunreinigte Nahrungsmittel. Eine direkte fäkal-orale Übertragung von Mensch zu Mensch ist ebenfalls möglich.
  • Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit): Die Infektiosität ist hoch, da bereits eine geringe Erregermenge ausreicht, um eine Infektion auszulösen. Patienten können auch nach der Genesung noch über Wochen ansteckend sein.
  • Reservoir: Der Mensch ist das einzige bekannte Reservoir für Salmonella Typhi. Eine besondere Rolle spielen asymptomatische Dauerausscheider, die das Bakterium dauerhaft im Darm oder in der Gallenblase tragen.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die Haupteintrittspforte ist der Verdauungstrakt, durch den das Bakterium nach Aufnahme kontaminierter Lebensmittel oder Wasser in den Organismus gelangt.
  • Nebeneintrittspforten: Eine Übertragung durch Schleimhautkontakt oder Hautverletzungen ist äußerst selten und klinisch nicht relevant.

Pathogenese des Erregers

  • Initiale Vermehrung und Ansiedlung:
    • Nach der Aufnahme über den Verdauungstrakt passieren die Bakterien den sauren Magen, wo viele Keime abgetötet werden.
    • Überlebende Salmonella Typhi gelangen in den Dünndarm und heften sich mithilfe von Adhäsinen an die M-Zellen (spezialisierte Epithelzellen des Dünndarms).
    • Die Bakterien dringen in die M-Zellen ein, überwinden die Epithelbarriere und gelangen in die darunterliegenden Peyer-Plaques (lymphatische Gewebeansammlungen im Darm).
  • Vermehrung in den Peyer-Plaques und erste Bakteriämie:
    • Innerhalb der Peyer-Plaques vermehren sich die Bakterien und werden von Makrophagen (Fresszellen) aufgenommen. Statt abgebaut zu werden, überleben Salmonella Typhi in den Makrophagen und nutzen diese als Transportmittel in die regionalen Lymphknoten.
    • Nach Erreichen der Lymphknoten gelangen die Bakterien in den Blutkreislauf (erste Bakteriämie), was zur Verteilung der Erreger im gesamten Organismus führt.
  • Systemische Ausbreitung und Organinvasion:
    • Nach der ersten Bakteriämie breiten sich die Bakterien systemisch aus und infizieren bevorzugt Leber, Milz, Knochenmark und Gallenblase.
    • In der Leber und Milz kommt es zu einer weiteren Vermehrung der Bakterien. Die Freisetzung der Bakterien führt zur erneuten Aussaat in den Blutkreislauf (zweite Bakteriämie).
  • Rückkehr in den Darm und Gewebeschädigung:
    • Über die Gallenwege gelangen die Bakterien wieder in den Darm, wo sie sich in den Peyer-Plaques erneut ansiedeln und dort Gewebeschäden und Nekrosen verursachen.
    • Dies führt zu den typischen Symptomen des Typhus, wie Fieber, Durchfall und abdominalen Beschwerden.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • In den Peyer-Plaques kommt es zu einer Aktivierung der lokalen Immunzellen (Makrophagen, dendritische Zellen), die jedoch häufig nicht in der Lage sind, die Bakterien vollständig zu eliminieren.
    • Die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine führt zur Entzündung und Schädigung der Darmmukosa (Darmschleimhaut).
  • Systemische Immunantwort:
    • Nach der ersten Bakteriämie wird das Komplementsystem aktiviert, um die Bakterien im Blut zu bekämpfen.
    • Gleichzeitig werden spezifische Antikörper gegen die Kapselantigene von Salmonella Typhi gebildet, die jedoch erst nach einigen Tagen wirksam werden.
  • Anpassungsmechanismen des Erregers:
    • Salmonella Typhi hat Mechanismen entwickelt, um in Makrophagen zu überleben, indem es die Fusion von Phagosomen (Lipiddoppelschicht umgebene Organellen in Phagozyten) und Lysosomen ( „Magen der Zelle”) hemmt.
    • Die Polysaccharidkapsel schützt das Bakterium vor der Phagozytose und ermöglicht so eine systemische Ausbreitung.
  • Organaffinität und Gewebeschäden
    • Bevorzugte Zielorgane: Die bevorzugten Zielorgane sind der Dünndarm, die Leber, die Milz, das Knochenmark und die Gallenblase.
    • Resultierende Gewebeschäden: In den Peyer-Plaques kommt es zu entzündlichen Ulzerationen (Geschwürbildung) und Gewebsnekrosen. In der Leber und Milz kann es zu Granulomen (entzündlichen Gewebeveränderungen) und Mikroabszessen kommen.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Die ersten Symptome treten typischerweise 1-3 Wochen nach der Infektion auf und umfassen hohes Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und abdominale Beschwerden.
    • Im weiteren Verlauf können Erbrechen, Durchfall oder Obstipation (Verstopfung) auftreten.
    • Typische klinische Zeichen sind das sogenannte „rosenfleckige Exanthem“ (kleine rosafarbene Hautflecken am Oberkörper) und ein langsamer Puls bei hohem Fieber (relative Bradykardie).
  • Komplikationen:
    • Darmperforation: Durch die Schädigung der Peyer-Plaques kann es zu einer Durchbruchperitonitis (Bauchfellentzündung) kommen.
    • Septische Schocks: Aufgrund der systemischen Ausbreitung des Bakteriums.
    • Langfristige Dauerausscheidung: Ein Teil der Patienten entwickelt einen chronischen Trägerstatus, meist durch Besiedlung der Gallenblase.
  • Verläufe und Schweregrade:
    • Mildere Verläufe sind durch Fieber und abdominale Symptome gekennzeichnet, während schwere Verläufe zu septischen Komplikationen und Organversagen führen können.
    • Unbehandelt liegt die Letalität (Sterberate) bei bis zu 20 %, bei adäquater Therapie bei unter 1 %.
  • Prognosefaktoren
    • Wirtsfaktoren: Ein geschwächtes Immunsystem, fortgeschrittenes Alter und Komorbiditäten wie Lebererkrankungen erhöhen das Risiko für schwere Verläufe.
    • Erregerfaktoren: Die Virulenz (Infektionskraft) der verschiedenen Salmonella Typhi-Stämme beeinflusst die Schwere der Erkrankung.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Typhus abdominalis ist eine systemische bakterielle Infektion, die durch Salmonella Typhi verursacht wird und unbehandelt zu schweren Komplikationen führen kann. Die Pathogenese umfasst die Überwindung der Darmbarriere, die systemische Ausbreitung über die Bakteriämie und die erneute Ansiedlung im Darm mit folgender Gewebeschädigung. Eine frühzeitige Diagnose und Antibiotikatherapie sind entscheidend, um die Erkrankung effektiv zu behandeln und die Komplikationen zu verhindern. Präventionsmaßnahmen wie die Verbesserung der Wasser- und Lebensmittelhygiene sowie Impfprogramme sind essenziell zur Bekämpfung der Typhus-Ausbreitung in endemischen Gebieten.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung ‒ Genuss von rohen, kontaminierten Speisen und Getränken

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Warme Jahreszeit (hohe Außentemperaturen)