Typhus abdominalis – Einleitung

Typhus abdominalis – auch bekannt als Bauchtyphus – ist eine systemische Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Salmonella enterica ssp. enterica Serovar Typhi (Salmonella Typhi) ausgelöst wird. Dieses Bakterium gehört zur Familie der Enterobacteriaceae, ist gramnegativ, beweglich, begeißelt, nicht sporenbildend und fakultativ anaerob.

Synonyme und ICD-10: Abdomentyphus; Bauchtyphus; Darmtyphus; Eberth-Krankheit; enterisches Fieber; Enteritisches Fieber; Enterotyphus; Febris enterica; Gastroenteritisches Fieber; Infektion durch Bacterium typhosum; Infektion durch Eberthella typhosa; Infektion durch Salmonella typhi; Status typhoides; Typhoenteritis; Typhogastrisches Fieber; Typhoides Fieber; typhoid fever; Typhomanie; Typhoperitonitis; Typhöse Enteritis; Typhus abdominalis; ICD-10-GM A01.0: Typhus abdominalis

Charakteristische Laborbefunde

  • Blutkulturen: Nachweis von Salmonella Typhi vor allem in der 1. Krankheitswoche.
  • Stuhlproben: Nachweis des Erregers ab der 2. Krankheitswoche möglich.
  • Knochenmarkkulturen: Sensitivster Nachweis auch noch nach Beginn der Antibiotikatherapie.
  • Leukopenie (verminderte Anzahl von weißen Blutkörperchen).
  • Eosinopenie (verminderte Anzahl von eosinophilen Granulozyten).
  • Anämie (Blutarmut) bei längerem Krankheitsverlauf.
  • Erhöhte Transaminasen (Leberfunktionsstörung).
  • CRP-Erhöhung (C-reaktives Protein, Hinweis auf Entzündung).

Formen der Erkrankung

  • Klassischer Typhus abdominalis: Fieber, Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung, "rose spots" (rosafarbene Flecken auf der Haut).
  • Milder Verlauf: Symptome ähnlich einer Influenza (Grippe).
  • Schwere Verlaufsform: Mit Darmblutungen, Darmperforation und Sepsis.
  • Paratyphus: Eine mildere Form des Typhus, verursacht durch Salmonella paratyphi.

Ursachen

  • Infektion durch das Bakterium Salmonella Typhi, meist durch verunreinigte Nahrungsmittel oder Wasser, die mit Fäkalien kontaminiert sind.

Epidemiologie

Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.

Häufigkeitsgipfel
: Die Erkrankung tritt in allen Altersgruppen auf, aber besonders häufig bei einjährigen Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 14 Jahren.

Prävalenz
(Krankheitshäufigkeit): Weltweit ca. 22 Millionen Erkrankungen jährlich.

Inzidenz
(Häufigkeit von Neuerkrankungen): 0,1 pro 100.000 Einwohner in Deutschland, mit etwa 93 % importierten Fällen.

Saisonale Häufung
: Keine spezifische saisonale Verteilung, aber in tropischen Regionen häufig während der Regenzeit.

Infektionsepidemiologie

Erreger: Salmonella enterica Serovar Typhi.

Erregerreservoir
: Der Mensch ist das einzige Reservoir für den Erreger. Infizierte Personen können als Dauerausscheider das Bakterium noch über längere Zeit ausscheiden.

Vorkommen
: Weltweit, vor allem in Afrika, Südamerika und Südostasien (insbesondere Indien und Pakistan), wo hygienische Bedingungen mangelhaft sind.

Mensch-zu-Mensch-Übertragung
: Ja, hauptsächlich durch fäkal-orale Übertragung.

Kontagiosität
(Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Der Kontagiositätsindex liegt bei 0,50, was bedeutet, dass 50 von 100 nicht-immunen Personen nach Kontakt mit einem Infizierten erkranken können.

Übertragungsweg
: Fäkal-oral durch kontaminierte Nahrung oder Wasser.

Eintrittspforte
: Magen-Darm-Trakt.

Inkubationszeit
(Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): 3 bis 60 Tage (meist 8-14 Tage).

Krankheitsdauer
: Ohne Therapie kann die Krankheit mehrere Wochen andauern.

Dauer der Infektiosität
: Infizierte Personen können noch mehrere Wochen nach Abklingen der Symptome ansteckend sein.

Seroprävalenz
(Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): Weltweit ca. 22 Millionen Infektionen pro Jahr, mit einer Letalität von 200.000 Fällen.

Erregerspezifische Immunität
: Eine überstandene Infektion hinterlässt nur eine kurzfristige Immunität.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Erste Krankheitsphase (Inkubationsphase): Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 8 bis 14 Tage, kann jedoch zwischen 3 und 60 Tagen variieren. In dieser Phase zeigt der Patient in der Regel keine Symptome, da sich die Erreger in den Peyer-Plaques (lymphatisches Gewebe des Darms) ansiedeln und beginnen, sich zu vermehren.
  • Erste Krankheitswoche: In der ersten Woche treten unspezifische Symptome wie Fieber (bis 39-40 °C), Kopfschmerzen, Unwohlsein, Bauchschmerzen, Verstopfung oder Durchfall auf. Die Fieberkurve zeigt einen kontinuierlichen Anstieg ohne signifikante Schwankungen (stufenweise Temperatursteigerung, sogenanntes "Treppenfieber").
  • Zweite Krankheitswoche: Die Patienten entwickeln das typische Krankheitsbild mit hohem, anhaltendem Fieber (kontinuierliches Fieber), schwerem Unwohlsein, Benommenheit (Typhusdelirium), Bauchschmerzen und einer relativen Bradykardie (unverhältnismäßig langsamer Herzschlag im Verhältnis zum Fieber). Weitere Symptome können Verstopfung oder "Erbsbrei"-artiger Durchfall (typhöse Diarrhö) sein. Im Bereich des Abdomens können sich bei etwa 30 % der Patienten sogenannte "rose spots" (rosafarbene, makulopapulöse Flecken) entwickeln, die auf den Rumpf beschränkt sind. Zu diesem Zeitpunkt befinden sich die Bakterien im Blut und breiten sich im gesamten Körper aus (Bakteriämie).
  • Dritte Krankheitswoche: In der dritten Woche kann sich das Krankheitsbild erheblich verschlechtern. Das Fieber bleibt hoch, und es können schwerwiegende Komplikationen auftreten, darunter:

    • Darmperforation: Das Bakterium greift die Peyer-Plaques des Darms an, was zu Nekrosen (Gewebetod) führen kann. Die Darmwand wird geschwächt, was schließlich zu einer Perforation (Durchbruch) führen kann. Dies ist eine lebensbedrohliche Komplikation, die zu einer generalisierten Peritonitis (Bauchfellentzündung) führt und eine sofortige chirurgische Intervention erfordert.
    • Darmblutungen: Bei etwa 10 % der Patienten treten Blutungen aus den Darmgeschwüren auf, die je nach Ausmaß mild bis massiv sein können.
    • Typhussepsis: In seltenen Fällen kann es zu einer Generalisierung der Infektion mit Organversagen (multiorganischem Versagen) kommen.
    • Cholezystitis: Das Bakterium kann die Gallenblase befallen und eine Entzündung (Cholezystitis) verursachen, die häufig zur Bildung eines Dauerausscheider-Zustands führt.
  • Endokarditis: Eine Entzündung der Herzinnenhaut kann insbesondere bei älteren oder immungeschwächten Patienten auftreten.
  • Vierte Krankheitswoche: Ohne Behandlung beginnt das Fieber allmählich zu sinken, und die Patienten beginnen sich zu erholen. Diese Erholungsphase kann sich über mehrere Wochen hinziehen. Es besteht jedoch das Risiko von Rückfällen, insbesondere wenn die antibiotische Therapie zu früh beendet wird.

Komplikationen

  • Dauerausscheider: Bei etwa 2-5 % der unbehandelten Patienten entwickeln sich chronische Infektionsherde, insbesondere in der Gallenblase, was zu einem Zustand des Dauerausscheidens führt. Diese Personen können das Bakterium über Monate bis Jahre weiterhin mit dem Stuhl ausscheiden, ohne selbst Symptome zu haben. Sie stellen ein langfristiges Infektionsrisiko für andere dar.
  • Relapse: Ein Rückfall der Erkrankung ist möglich, insbesondere bei unzureichender Therapie. Dies kann sich in erneuten Fieberschüben äußern.

Prognose

  • Ohne Therapie: Unbehandelt ist die Prognose schlecht, insbesondere bei schwerwiegenden Komplikationen wie Darmperforation (Darmdurchbruch) oder Sepsis (Blutvergiftung). Die Letalität (Sterblichkeit) kann in diesen Fällen bis zu 20 % betragen.
  • Mit adäquater Therapie: Bei frühzeitiger Diagnose und Behandlung mit Antibiotika verbessert sich die Prognose erheblich. Die Letalität sinkt auf unter 1 %. Die meisten Patienten erholen sich vollständig, auch wenn der Genesungsprozess mehrere Wochen dauern kann.
  • Multiresistente Erreger: In den vergangenen Jahren hat sich ein multiresistenter Stamm von Salmonella Typhi (H58-Clade) weltweit ausgebreitet, der auf mehrere Standard-Antibiotika nicht mehr anspricht. Dies erschwert die Behandlung und kann zu schlechteren Prognosen in Regionen mit eingeschränktem Zugang zu wirksamen Medikamenten führen [1].

Langzeitprognose: Die meisten Patienten erholen sich vollständig, jedoch kann es Wochen bis Monate dauern, bis sie wieder vollständig belastbar sind. Bei einigen Patienten können Langzeitkomplikationen wie chronische Infektionen oder Gallenblasenprobleme auftreten, insbesondere bei Dauerausscheidern.

Impfung: Eine Schutzimpfung gegen Typhus ist verfügbar. Besonders vor Reisen in die Endemiegebiete Asiens, Südamerikas und Nordafrikas, speziell bei einfachen Lebensbedingungen, sowie bei Ausbrüchen oder Katastrophen empfiehlt die STIKO ("Ständige Impfkommission") eine Impfung. Die Impfung bietet jedoch keinen vollständigen Schutz (Schutzrate 50-70 % bei Personen > 3 Jahre), sodass auf eine entsprechende Hygiene bei Reisen in Risikogebiete geachtet werden muss. 

In Deutschland ist die Erkrankung (Typhus abdominalis/Paratyphus) nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig. Die Meldung hat bei Krankheitsverdacht, Erkrankung sowie Tod namentlich zu erfolgen. 

Literatur

  1. Wong VK et al.: Phylogeographical analysis of the dominant multidrug-resistant H58 clade of Salmonella Typhi identifies inter- and intracontinental transmission events. Nature Genetics (2015) doi:10.1038/ng.3281