Tularämie (Hasenpest) – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Die Tularämie wird durch das gramnegative Bakterium Francisella tularensis verursacht. Es gibt zwei Hauptunterarten: F. tularensis subsp. tularensis (Typ A), das in Nordamerika vorkommt und besonders virulent ist, sowie F. tularensis subsp. holarctica (Typ B), das in Europa und Asien vorkommt und eine mildere Verlaufsform der Tularämie verursacht.
  • Genom: Francisella tularensis besitzt ein komplexes Genom, das Gene zur Umgehung der Immunantwort kodiert, insbesondere Mechanismen, die die Phagozytose der Bakterien in Immunzellen überleben lassen.
  • Virulenz (Infektionskraft): Das Bakterium hat eine extrem niedrige infektiöse Dosis, d. h. schon eine geringe Anzahl von Bakterien kann eine Infektion auslösen.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Tularämie kommt hauptsächlich in Nordamerika, Europa und Asien vor, insbesondere in Gebieten mit wilden Nagetieren (wie Hasen) und Insektenvektoren (z. B. Zecken und Bremsen).
  • Hauptübertragungsweg:
    • Die Infektion wird durch Zeckenbisse, Bremse und den Kontakt mit infiziertem Tierfleisch oder kontaminierten Umweltmaterialien (z. B. Wasser, Boden) übertragen.
    • Menschen infizieren sich typischerweise durch den Kontakt mit infizierten Tieren oder durch Insektenstiche, die das Bakterium übertragen.
  • Weitere Übertragungswege:
    • Eine aerogene Übertragung (über die Atemwege) kann durch das Einatmen kontaminierter Aerosole bei der Verarbeitung von infiziertem Tierfleisch oder durch kontaminiertes Wasser erfolgen.
  • Reservoir: Wildtiere, insbesondere Nagetiere wie Hasen und Kaninchen, sind die Hauptreservoire für F. tularensis.
  • Infektiosität: Francisella tularensis ist extrem infektiös; bereits 10–50 Bakterien können eine Infektion verursachen. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist jedoch nicht möglich.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Der Erreger gelangt durch Zeckenbisse, Bremsenstiche oder Kontakt mit infiziertem Tierfleisch in den Körper. Weitere Eintrittspforten können das Einatmen kontaminierter Aerosole oder der Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln sein.
  • Nebeneintrittspforten: Eine Infektion kann auch durch Hautverletzungen bei der Handhabung infizierter Tiere oder durch Tröpfcheninfektion (z. B. beim Einatmen von Staubpartikeln) erfolgen.

Pathogenese des Erregers

  1. Eindringen und Infektion der Makrophagen:
    • Nach dem Eindringen in den Körper durch Haut, Schleimhäute oder Atemwege wird F. tularensis von Makrophagen (Fresszellen) aufgenommen, wo es sich innerhalb der Zellen versteckt und vermehrt.
    • Das Bakterium kann der Phagozytose (Aufnahme) entgehen, indem es die Fusion von Phagosomen und Lysosomen blockiert und sich innerhalb der Makrophagen vermehrt, was zur Lyse (Zerstörung) der Wirtszellen führt.
  2. Verbreitung im Körper und systemische Ausbreitung:
    • Durch die Zerstörung der Makrophagen gelangt das Bakterium in das Blut und die Lymphknoten, von wo aus es sich im Körper ausbreiten kann.
    • Es kann mehrere Organe befallen, darunter die Leber, die Milz, die Lymphknoten und die Lunge. In den betroffenen Organen entstehen entzündliche Läsionen, die häufig nekrotisch werden.
  3. Entzündungsreaktion und Granulombildung:
    • Die Immunantwort des Körpers auf das Bakterium führt zur Bildung von Granulomen (kleine, knötchenförmige Entzündungsherde), die den Erreger eindämmen sollen. In der Milz und den Lymphknoten können sich eitrige Abszesse und Nekrosen entwickeln.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Makrophagen und Neutrophile spielen eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung der Infektion, indem sie den Erreger phagozytieren. Allerdings entgeht F. tularensis durch seinen Aufenthalt in den Makrophagen der Immunantwort.
    • Es kommt zu einer entzündlichen Reaktion an der Eintrittsstelle, die zur Schwellung der Lymphknoten und zur Bildung von Geschwüren führen kann.
  • Systemische Immunantwort:
    • Bei der systemischen Ausbreitung der Infektion kommt es zu einer Aktivierung der zellvermittelten Immunantwort, bei der T-Lymphozyten und Interferon-γ eine zentrale Rolle spielen.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Die Infektion betrifft primär die Haut, die Lymphknoten, die Leber, die Milz und die Lunge.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Die entzündlichen Läsionen und Granulome in den betroffenen Organen führen zu Gewebeschäden und Nekrosen. Diese Läsionen können zu Abszessen und Eiteransammlungen führen, insbesondere in den Lymphknoten und der Milz.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Die Inkubationszeit beträgt in der Regel drei bis fünf Tage. Die Infektion verläuft oft in verschiedenen klinischen Formen, die vom Eintrittsort des Erregers abhängen:
      1. Ulkoglanduläre Form: Geschwüre an der Eintrittsstelle (z. B. nach einem Zeckenbiss) und geschwollene Lymphknoten. Dies ist die häufigste Form.
      2. Oropharyngeale Form: Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und Schwellungen der Lymphknoten nach dem Verzehr kontaminierter Lebensmittel.
      3. Pneumonische Form: Lungenbeteiligung durch Einatmen kontaminierter Aerosole, die zu Husten, Brustschmerzen und Lungenentzündung führt.
      4. Typhoidale Form: Systemische Ausbreitung mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Schwäche und Beteiligung mehrerer Organe (Leber, Milz, Lymphknoten).
  • Komplikationen:
    • Unbehandelt kann Tularämie zu schwerwiegenden Komplikationen wie Sepsis (Blutvergiftung), Multiorganversagen oder einer Lungenentzündung führen, insbesondere bei immunsupprimierten Patienten.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Tularämie, verursacht durch das gramnegative Bakterium Francisella tularensis, wird durch Zeckenbisse, Bremsenstiche oder den Kontakt mit infizierten Tieren auf den Menschen übertragen. Das Bakterium befällt primär die Haut, die Lymphknoten und die Lunge und löst eine entzündliche Reaktion aus, die zur Bildung von Granulomen und Nekrosen führt. Die Krankheit manifestiert sich in verschiedenen klinischen Formen, abhängig vom Infektionsweg, und kann unbehandelt schwerwiegende Komplikationen verursachen. Eine frühzeitige antibiotische Therapie ist entscheidend, um die Ausbreitung der Infektion und schwere Komplikationen zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Kontakt mit infiziertem Tiermaterial (über Haut-/Schleimhaut) [insb. Jäger]
  • Verzehr infizierter Nahrungsmittel
  • Trinken von infiziertem Trinkwasser
  • Verzehr von nicht ausreichend erhitztem, kontaminiertem Fleisch (z. B. Hasen)
  • Einatmen von infiziertem/kontaminiertem Staub oder Aerosolen (z. B. beim industriellen Waschen und Zerkleinern von kontaminiertem Gemüse, Heubearbeiten oder Rasenmähen)
  • Verarbeitung von Wildfleisch und landwirtschaftlichen Produkten
  • Stich oder Biss infizierter blutsaugenden Arthropoden (z. B. von Bremsen, Mücken, Zecken)

Eine absichtliche Freisetzung des Erregers (Bioterrorismus) ist möglich.