Tuberkulose – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Tuberkulose wird durch verschiedene Mykobakterien des Mycobacterium-tuberculosis-Komplexes verursacht, zu dem M. tuberculosis, M. africanum, M. microti, und M. canetti gehören. M. tuberculosis ist der häufigste Erreger und wird hauptsächlich über die Atemwege übertragen.
  • Genom: Mykobakterien besitzen ein doppelsträngiges DNA-Genom, das Gene für Virulenzfaktoren wie die Zellwandbestandteile (Mykolsäuren, Lipoarabinomannan) enthält, die sie widerstandsfähig gegen Abwehrmechanismen machen.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz von M. tuberculosis resultiert aus seiner Fähigkeit, in Makrophagen (Fresszellen) zu überleben und eine langsame, schleichende Infektion mit nachfolgender Granulombildung auszulösen.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Tuberkulose ist weltweit verbreitet, insbesondere in Gebieten mit schlechten hygienischen Bedingungen und eingeschränkter medizinischer Versorgung.
  • Hauptübertragungsweg:
    • Die Erreger werden durch Aerosole (feinste Tröpfchen) übertragen, die beim Husten oder Niesen von infizierten Personen freigesetzt werden. Menschen infizieren sich durch das Einatmen dieser Erreger.
  • Weitere Übertragungswege:
    • Eine Übertragung durch rohe Milch infizierter Tiere ist in seltenen Fällen möglich.
  • Reservoir: Menschen sind das Hauptreservoir für M. tuberculosis, während Tiere wie Rinder Träger von M. bovis sein können.
  • Infektiosität: Tuberkulose ist hochansteckend, insbesondere bei engem und wiederholtem Kontakt mit einer infizierten Person.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Die Mykobakterien werden über die Atemwege aufgenommen und gelangen in die Alveolen (Lungenbläschen), wo sie von Alveolarmakrophagen aufgenommen werden.
  • Nebeneintrittspforten: Eine seltenere Eintrittspforte ist der Verdauungstrakt, durch den Erreger aus kontaminierter Milch aufgenommen werden können.

Pathogenese des Erregers

  1. Eindringen in die Alveolen und Infektion der Makrophagen:
    • Nach der Aufnahme in die Lunge durch Aerosole gelangen die Erreger in die Alveolen und werden dort von Makrophagen (Fresszellen des Immunsystems) phagozytiert.
    • M. tuberculosis kann in den Makrophagen überleben, indem es die Fusion von Phagosomen (vesikuläre Kompartimente) und Lysosomen (zelluläre Abbauorganelle) blockiert. Dadurch entgeht es der Zerstörung.
  2. Primäre Infektion und granulomatöse Reaktion:
    • Im Laufe der Infektion können die Erreger entweder die Makrophagen lysieren (auflösen) oder von diesen in die Lymphknoten transportiert werden, wo sie sich weiter vermehren.
    • Monozyten, die Vorläufer der Makrophagen, transportieren die Bakterien über die Blutbahn zu anderen Organen, insbesondere der Lunge und den Lymphknoten. Nach etwa 2-8 Wochen löst die Infektion eine Typ-IV-Hypersensitivitätsreaktion aus (zellvermittelte Immunantwort). Diese Reaktion führt zur Bildung von Granulomen.
  3. Granulombildung und Gewebezerstörung:
    • In den betroffenen Geweben kommt es zur Bildung von Tuberkulomen (tuberkulöser Rundherd). Diese Granulome bestehen aus aktivierten Makrophagen, Lymphozyten und Epitheloidzellen, die die Infektion eindämmen.
    • Die Granulome besitzen häufig eine zentrale Nekrose (Zelltod), die als käsige Nekrose (käsige Konsistenz des Gewebes) bezeichnet wird. In diesem Stadium versucht das Immunsystem, die Infektion zu kontrollieren und abzukapseln.
  4. Latente Infektion und Reaktivierung:
    • In vielen Fällen kann das Immunsystem die Infektion eindämmen, und die Bakterien bleiben in einer latenten Form in den Granulomen eingeschlossen. Dies geschieht vor allem in den Lymphknoten, während in der Lunge häufig Mykobakterien überleben.
    • Eine Reaktivierung der Infektion kann auftreten, wenn das Immunsystem geschwächt wird (z. B. durch HIV, Diabetes, Alter), was zur Ausbreitung der Bakterien und zu einer sekundären Tuberkulose führen kann.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Nach der Aufnahme von Mykobakterien in die Lunge aktivieren die Alveolarmakrophagen eine Immunantwort, bei der T-Helfer-Zellen (Th1) eine entscheidende Rolle spielen. Diese Zellen setzen Interferon-γ frei, das die Makrophagen aktiviert und die Bildung von Granulomen (knötchenförmige Ansammlung der Fresszellen des Immunsystems) fördert.
    • In den Granulomen versuchen die Makrophagen, die Mykobakterien einzukapseln und zu zerstören.
  • Systemische Immunantwort:
    • Die zellvermittelte Immunantwort kontrolliert die Infektion, indem sie die Bakterien in den Granulomen einschließt. Wenn das Immunsystem jedoch geschwächt ist, können die Bakterien aus den Granulomen entkommen und eine systemische Infektion auslösen.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Die Infektion betrifft primär die Lunge, aber auch andere Organe wie die Lymphknoten, die Nieren, das Zentralnervensystem und das Skelettsystem können befallen werden.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Die Granulombildung führt zur Gewebezerstörung, insbesondere in der Lunge, wo die Bakterien eine käsige Nekrose verursachen.
    • Diese Nekrosen können sich verkalken oder sich in den Bronchialraum entleeren, was zur Bildung von Hohlräumen (Kavernen) in der Lunge führt.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Bei einer primären Tuberkulose treten Symptome wie Husten, Fieber, Nachtschweiß, Müdigkeit und Gewichtsverlust auf. Ein chronischer Husten mit blutigem Auswurf (Hämoptysen) kann ein Hinweis auf fortgeschrittene Lungenbeteiligung sein.
    • Bei einer latenten Tuberkulose zeigen sich keine Symptome, da die Infektion durch das Immunsystem kontrolliert wird.
  • Komplikationen:
    • Miliartuberkulose: Verbreitung der Bakterien im gesamten Körper mit der Bildung von kleinen Granulomen in mehreren Organen.
    • Tuberkulöse Meningitis: Befall der Hirnhäute, was zu neurologischen Symptomen und Komplikationen führt.
    • Knochentuberkulose (Morbus Pott): Infektion der Wirbelsäule, die zu Knochendefekten und Bewegungseinschränkungen führen kann.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Tuberkulose wird durch Mykobakterien des Mycobacterium-tuberculosis-Komplexes verursacht, die über Aerosole in die Lunge gelangen. Dort vermehren sich die Bakterien in den Makrophagen und lösen eine Typ-IV-Hypersensitivitätsreaktion aus, die zur Bildung von Granulomen mit zentraler Nekrose führt. In vielen Fällen bleibt die Infektion latent, kann jedoch bei einer Schwächung des Immunsystems reaktiviert werden und schwere Lungen- oder systemische Infektionen verursachen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden und die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.

Ätiologie (Ursachen)

Biographische Ursachen

  • Genetische Belastung
    • Genetisches Risiko abhängig von Genpolymorphismen:
      • Gene/SNPs (Einzelnukleotid-Polymorphismus; engl.: single nucleotide polymorphism):
        • Gene: TYK2 – Mutationen im TYK2-Gen können die Aktivität des Enzyms Tyrosinkinase 2 vermindern, was folgende Auswirkungen hat: die Signale der Interleukine 12 und 23 in den T-Helferzellen werden durch die reduzierte Konzentration der  Tyrosinkinase 2 vermindert weitergeleitet, was zur Folge hat, dass die Produktion von Interferon Gamma (Interferon-γ) eingeschränkt wird; Menschen, die homozygot auf die Genvariante P1104A sind, haben dadurch ein erhöhtes Risiko, nach dem Kontakt mit Mykobakterien an einer Tuberkulose zu erkranken.
        • SNP: rs34536443 (P1104A) im Gen TYK2
          • Allel-Konstellation: CG (Prävalenz: 42/1.000) Träger einer Tuberkulose-Suszeptibilitätsmutation/Mutation, die empfänglich macht gegenüber bestimmte Erkrankungen (hier: Tuberkulose) (Prävalenz/Krankheitshäufigkeit: 42/1.000)
          • Allel-Konstellation: CC (Prävalenz: 1,7/1.000
  • Sozioökonomische Faktoren
    • Einheimische aus sozial benachteiligten Gruppen
    • Personen aus Ländern der Dritten Welt
  • Gefängnisinsassen

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Genussmittelkonsum
    • Tabak (Rauchen)
  • Drogenkonsum (intravenös, d. h. durch die Vene)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Diabetes mellitus
  • HIV-Infektion (weltweit vorherrschender Risikofaktor)
  • Immungeschwächte Personen
  • Mangelernährung
  • Personen mit unzureichend behandelter Tuberkulose

Medikamente

  • Immunsuppressiva (Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken) – Ciclosporin (INN), auch Cyclosporin A; Leflunomid 
  • TNF-alpha-Inhibitoren
  • Zytostatika (Substanzen, die das Zellwachstum bzw. die Zellteilung hemmen) – u. a. Methotrexat

Röntgenstrahlen

  • Radiatio (Strahlentherapie) bei Tumorerkrankungen führt zu einer Schwächung des Immunsystems

Operationen

  • Nach großen Eingriffen besteht oftmals eine Schwächung des Immunsystems

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Quarzstaub (Stäube, die kristallines Siliciumdioxid (SiO2) enthalten, Silikose → Siliko-Tuberkulose)

Weitere Ursachen

  • Personen mit engem Kontakt zu Betroffenen