Trichomonaden – Ursachen
Pathogenese (Krankheitsentstehung)
Beschreibung des Erregers
- Erreger: Trichomonas vaginalis ist ein einzelliger, parasitärer Protozoon (tierischer Einzeller) aus der Gruppe der Flagellaten (Geißeltierchen). Er besitzt fünf Flagellen (Geißeln) und einen Membranfaltsaum, die für seine aktive Fortbewegung verantwortlich sind.
- Genom: Das Genom von Trichomonas vaginalis besteht aus einer doppelsträngigen DNA und kodiert für eine Vielzahl von Proteinen, die für die Anheftung, Immunmodulation und Gewebeschädigung entscheidend sind.
- Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz von Trichomonas vaginalis beruht auf verschiedenen Faktoren, darunter Adhäsionsmoleküle (Proteine zur Anheftung), sekretierte Proteasen (Enzyme, die Gewebe abbauen) und Mechanismen zur Umgehung der Immunabwehr des Wirts.
Epidemiologie und Übertragungsweg
- Verbreitung: Trichomonas vaginalis ist weltweit verbreitet und gilt als die häufigste sexuell übertragbare Protozoeninfektion. Die Prävalenz ist in Entwicklungsländern höher, aber auch in Industrieländern wird eine Infektionsrate von bis zu 20 % in Risikogruppen beobachtet.
- Hauptübertragungsweg: Der Erreger wird vorwiegend durch sexuellen Kontakt übertragen. In seltenen Fällen ist auch eine indirekte Übertragung durch kontaminierte Gegenstände oder Körperflüssigkeiten möglich.
- Infektiosität (Ansteckungsfähigkeit): Die Infektiosität ist hoch, da bereits ein einzelner Kontakt mit einer infizierten Person zur Übertragung ausreichen kann. Die Übertragungswahrscheinlichkeit bei einem ungeschützten Geschlechtsverkehr liegt bei etwa 70 %.
- Virusreservoir: Der Mensch ist das einzige natürliche Reservoir. Frauen sind häufiger symptomatisch, während Männer häufig asymptomatische Träger sind.
Eintrittspforte des Erregers
- Haupteintrittspforte: Trichomonas vaginalis dringt durch den Kontakt mit der Vaginalschleimhaut (bei Frauen) bzw. der Harnröhrenschleimhaut (bei Männern) in den Körper ein.
- Nebeneintrittspforte: Eine Infektion der Harnblase oder eine Ausbreitung über den Analbereich ist selten, aber möglich.
Pathogenese des Erregers
- Initiale Vermehrung und Ansiedlung:
- Nach der Übertragung heftet sich Trichomonas vaginalis mit speziellen Adhäsionsproteinen (z. B. AP65, AP51, AP33) an die Epithelzellen der Genital- oder Harnwegsschleimhaut.
- Die Flagellen und die wellenförmige Membranstruktur ermöglichen eine gezielte Beweglichkeit, sodass sich der Erreger entlang der Schleimhaut ausbreiten kann.
- Nach der Anheftung beginnt der Erreger, sich durch Längsteilung aktiv zu vermehren und bildet Kolonien auf der Schleimhautoberfläche.
- Gewebeschädigung und Ausbreitung:
- Trichomonas vaginalis setzt Zytotoxine und Proteasen frei, die das umgebende Gewebe schädigen, die Integrität der Schleimhautbarriere zerstören und eine lokale Entzündungsreaktion auslösen.
- Die Proteasen und Zytotoxine führen zur Zerstörung der Epithelzellen und setzen Entzündungsmediatoren frei, die die lokale Abwehrreaktion verstärken.
- Systemische Ausbreitung:
- Eine systemische Ausbreitung ist selten, jedoch kann es bei immunsupprimierten Patienten oder durch tiefe Gewebsschäden zu einer weitergehenden Infektion im kleinen Beckenbereich (z. B. Endometritis/Gebärmutterschleimhautentzündung) kommen.
Wirtsreaktion
- Lokale Immunantwort:
- Nach der Kolonisation kommt es zu einer Aktivierung der lokalen Immunzellen (Makrophagen (Fresszellen), neutrophile Granulozyten (Form der weißen blutkörperchen)) und zur Freisetzung proinflammatorischer Zytokine (entzündungsfördernde Botenstoffe)
- Die lokale Entzündung äußert sich häufig durch Rötung, Schwellung und vermehrten Ausfluss bei Frauen und Reizungen der Harnröhre bei Männern.
- Systemische Immunantwort:
- Antikörper gegen die Oberflächenproteine von Trichomonas vaginalis werden gebildet, jedoch reicht die Immunantwort in der Regel nicht aus, um die Infektion vollständig zu eliminieren.
- Wiederholte Infektionen sind häufig, da der Erreger Mechanismen zur Antigenvariation nutzt, um der Immunerkennung zu entgehen.
- Anpassungsmechanismen des Erregers:
- Trichomonas vaginalis kann die lokale Immunantwort durch die Freisetzung von Immunsuppressiva modulieren.
- Der Erreger zeigt eine hohe genetische Variabilität, was ihm ermöglicht, sich durch Antigenvariation der Immunabwehr des Wirts zu entziehen.
- Organaffinität und Gewebeschäden
- Bevorzugte Zielorgane:
- Die bevorzugten Zielorgane sind die Vagina und die Zervix bei Frauen sowie die Harnröhre bei Männern. In selteneren Fällen können auch die Prostata oder die Harnblase betroffen sein.
- Resultierende Gewebeschäden:
- Die Gewebeschäden äußern sich in der Zerstörung der Epithelzellschicht, lokalen Ulzerationen (Geschwüren) und einer ausgeprägten Entzündungsreaktion. Langfristig kann es zu Vernarbungen und einer erhöhten Anfälligkeit für andere Infektionen kommen.
Klinische Manifestation
- Symptomatologie:
- Bei Frauen: Vermehrter, übelriechender, schaumiger Ausfluss, Juckreiz und Brennen in der Vagina, Dyspareunie (Schmerzen beim Geschlechtsverkehr).
- Bei Männern: Häufig asymptomatisch, gelegentlich Harnröhrenausfluss, Dysurie (schmerzhaftes Wasserlassen) und Reizungen der Harnröhre.
- Bei beiden Geschlechtern: Bei schwereren Verläufen kann es zu Ulzerationen (Geschwüren) und chronischen Entzündungen kommen.
- Komplikationen:
- Chronische Entzündungen im Genitalbereich, die zu Unfruchtbarkeit oder einer erhöhten Anfälligkeit für andere sexuell übertragbare Infektionen (z. B. HIV) führen können.
- Bei Schwangeren: Erhöhtes Risiko für Frühgeburten, niedriges Geburtsgewicht und vorzeitigen Blasensprung.
- Verläufe und Schweregrade:
- In den meisten Fällen ist die Infektion auf den Genitalbereich beschränkt.
- Schwere Verläufe mit Beckeninfektionen oder Prostatitis sind selten und treten meist bei immunsupprimierten Personen auf.
Prognosefaktoren
- Wirtsfaktoren: Ein geschwächtes Immunsystem, bestehende Genitalinfektionen und Schwangerschaft erhöhen das Risiko für schwere Verläufe.
- Erregerfaktoren: Die Virulenz der einzelnen Stämme kann unterschiedlich ausgeprägt sein, abhängig von den exprimierten Adhäsionsmolekülen und sekretorischen Proteasen.
Zusammenfassung und klinische Relevanz
Trichomonas vaginalis ist ein bedeutender Erreger sexuell übertragbarer Infektionen, der weltweit verbreitet ist. Die Pathogenese wird durch die Adhäsion an die Schleimhaut, die lokale Gewebsschädigung und die entzündliche Reaktion bestimmt. Asymptomatische Infektionen sind häufig, aber unbehandelt können schwere Komplikationen wie chronische Entzündungen und Unfruchtbarkeit auftreten. Eine frühzeitige Diagnose und Therapie mit Antiprotozoika (z. B. Metronidazol) sind essenziell, um die Übertragung zu verhindern und langfristige Schäden zu minimieren.
Ätiologie (Ursachen)
Biographische Ursachen
- Geschlecht – Frauen, vor allem ältere Frauen, sind von einer Trichomonaden-Infektion häufiger betroffen als Männer.
Verhaltensbedingte Risikofaktoren
- Sexuelle Übertragung
- Promiskuität (sexueller Kontakte mit relativ häufig wechselnden verschiedenen Partnern)
- Prostitution
- Männer, die Sex mit Männern haben (engl. men who have sex with men (MSM))
- Sexuelle Kontakte im Urlaubsland
- Ungeschützter Koitus (Kondom schützt nicht zu 100 % vor einer Übertragung, sollte allerdings präventiv verwendet werden)
- Sexuelle Praktiken mit hohem Risiko der Schleimhautverletzung (z. B. ungeschützter Analverkehr/Analsex)
- Sehr selten: Baden in ungechlortem Thermalwasser, Handtücher, Badebekleidung (bei Kleinkindern)