Toxoplasmose – Ursachen

Pathogenese (Krankheitsentstehung)

Beschreibung des Erregers

  • Erreger: Toxoplasmose wird durch den obligat intrazellulären Parasiten Toxoplasma gondii verursacht. Dieser Parasit gehört zu den Protozoen (Einzeller) und hat einen komplexen Entwicklungszyklus, der sowohl sexuelle als auch asexuelle Phasen umfasst. Der sexuelle Zyklus findet im Endwirt, der Familie der Katzen, statt, während der asexuelle Zyklus in Zwischenwirten wie Menschen, Vögeln und Nagetieren abläuft.
  • Genom: Toxoplasma gondii besitzt ein komplexes Genom, das verschiedene Gene zur Kontrolle von Antigenvariationen und zur Umgehung der Immunabwehr kodiert.
  • Virulenz (Infektionskraft): Die Virulenz von Toxoplasma gondii wird durch die Fähigkeit vermittelt, in Zellen einzudringen und dort eine schnelle Vermehrung auszulösen. Tachyzoiten sind die schnell wachsenden Formen, die Zellen infizieren und zerstören, während Bradyzoiten in Gewebezysten eine langsame Vermehrung ermöglichen und über lange Zeiträume im Körper bestehen bleiben.

Epidemiologie und Übertragungsweg

  • Verbreitung: Toxoplasmose ist weltweit verbreitet. Etwa 30-50 % der Weltbevölkerung sind infiziert, wobei die Prävalenz regional unterschiedlich ist.
  • Hauptübertragungsweg:
    • Die Infektion erfolgt in der Regel durch den Verzehr von rohem oder unzureichend gegartem Fleisch, das Gewebezysten enthält.
    • Der Kontakt mit Katzenkot, der Oozyten enthält, ist eine weitere wichtige Übertragungsquelle. Diese Oozyten können in feuchtem Boden mehrere Monate infektiös bleiben.
  • Weitere Übertragungswege:
    • Eine konnatale Übertragung (von der Mutter auf das ungeborene Kind) ist möglich, wenn sich die Mutter während der Schwangerschaft infiziert.
    • Bluttransfusionen und Organtransplantationen von infizierten Personen können ebenfalls zur Übertragung führen.
  • Reservoir: Das Hauptreservoir von Toxoplasma gondii sind Katzen. Menschen, Vögel und Nagetiere fungieren als Zwischenwirte.
  • Infektiosität: Toxoplasma gondii ist hochinfektiös, da bereits eine geringe Anzahl aufgenommener Oozyten oder Gewebezysten eine Infektion verursachen kann.

Eintrittspforte des Erregers

  • Haupteintrittspforte: Der Erreger gelangt oral durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel oder durch Kontakt mit Katzenkot in den Körper. Die Oozyten gelangen in den Dünndarm, wo sie die Darmepithelzellen infizieren.
  • Nebeneintrittspforten:
    • Eine konnatale Übertragung führt dazu, dass die Tachyzoiten die Plazenta überwinden und das ungeborene Kind infizieren.
    • Bluttransfusionen und Organtransplantationen können ebenfalls zur Infektion führen.

Pathogenese des Erregers

  1. Eindringen und asexuelle Vermehrung:
    • Nach der oralen Aufnahme gelangen die Oozyten in den Dünndarm, wo sie zu Sporozoiten heranreifen. Diese Sporozoiten dringen in die Darmepithelzellen ein und entwickeln sich zu Tachyzoiten.
    • Die Tachyzoiten vermehren sich rasch und zerstören die Wirtszellen, was zu einer systemischen Infektion führt. Diese Vermehrung findet bevorzugt im retikuloendothelialen Gewebe (Leber, Milz, Lymphknoten) statt.
  2. Systemische Verbreitung und Gewebeschädigung:
    • Die Tachyzoiten gelangen über das Blut und die Lymphbahnen in verschiedene Organe, wo sie eine entzündliche Reaktion auslösen. Sie befallen insbesondere das Zentralnervensystem (Gehirn) und die Muskulatur.
    • Durch die Immunreaktion des Wirts werden die Tachyzoiten in Bradyzoiten umgewandelt, die sich in Gewebezysten einkapseln. Diese Zysten können über Jahre persistieren, insbesondere im Gehirn, in den Augen und in der Skelettmuskulatur.
  3. Reaktivierung und Komplikationen:
    • Bei immunsupprimierten Patienten (z. B. HIV-Infizierte) oder während einer Schwächung der Immunabwehr kann es zur Reaktivierung der Bradyzoiten und zur erneuten Umwandlung in Tachyzoiten kommen. Diese führen zu einer zerstörerischen Entzündungsreaktion in den betroffenen Organen.
    • Dies kann zu schwerwiegenden Komplikationen wie Toxoplasmose-Enzephalitis (Entzündung des Gehirns) oder Chorioretinitis (Entzündung der Netzhaut und Aderhaut) führen.

Wirtsreaktion

  • Lokale Immunantwort:
    • Die Tachyzoiten induzieren eine starke zelluläre Immunantwort, bei der Makrophagen und T-Lymphozyten eine entscheidende Rolle spielen. Zytokine wie Interferon-γ helfen dabei, die Vermehrung der Tachyzoiten einzudämmen.
    • Die Umwandlung in Bradyzoiten und die Bildung von Gewebezysten sind eine Reaktion auf die Immunabwehr des Wirts.
  • Systemische Immunantwort:
    • Eine systemische Immunantwort entsteht, wenn die Tachyzoiten den Blutkreislauf erreichen. Das Immunsystem aktiviert sowohl die zelluläre als auch die humorale Immunität, um die Infektion zu kontrollieren.
    • In immungeschwächten Personen kann die Kontrolle der Infektion fehlschlagen, was zu einer Reaktivierung der Parasiten und schwerwiegenden Gewebeschäden führt.

Organaffinität und Gewebeschäden

  • Bevorzugte Zielorgane: Das Zentralnervensystem (Gehirn), die Skelettmuskulatur, das Herz und die Augen sind die Hauptzielorgane, in denen sich die Bradyzoiten-Zysten ansammeln.
  • Resultierende Gewebeschäden:
    • Die Zerstörung der Wirtszellen durch Tachyzoiten führt zu entzündlichen Reaktionen und Gewebeschäden in den betroffenen Organen.
    • Die Bildung von granulomatösen Entzündungen im Gehirn kann zu neurologischen Ausfällen führen. Chorioretinitis im Auge verursacht Sehstörungen und kann zur Erblindung führen.

Klinische Manifestation

  • Symptomatologie:
    • Bei gesunden Menschen verläuft die Infektion meist asymptomatisch oder mit milden grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Müdigkeit, Muskelschmerzen und geschwollenen Lymphknoten.
    • Bei immunsupprimierten Patienten kann es zur Toxoplasmose-Enzephalitis kommen, die durch Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Krampfanfälle und neurologische Ausfälle gekennzeichnet ist.
    • Bei einer konnatalen Toxoplasmose (Übertragung von der Mutter auf den Fötus) können schwerwiegende Komplikationen wie Fehlbildungen, Hirnschäden und Erblindung auftreten.
  • Komplikationen:
    • Reaktivierung der Infektion bei immunsupprimierten Patienten kann zu schweren Organschäden führen, insbesondere im Gehirn und in den Augen.
    • Konnatale Toxoplasmose kann zu Entwicklungsstörungen und bleibenden neurologischen Schäden beim Kind führen.

Zusammenfassung und klinische Relevanz

Die Toxoplasmose wird durch den Parasiten Toxoplasma gondii verursacht, der einen komplexen Entwicklungszyklus durchläuft. Die Infektion erfolgt meistens durch den Verzehr kontaminierter Lebensmittel oder durch Kontakt mit Katzenkot. Nach der Aufnahme der Oozyten entwickelt sich der Parasit zu Tachyzoiten, die sich schnell vermehren und Zellen zerstören. Durch die Immunabwehr werden die Tachyzoiten in Bradyzoiten umgewandelt, die in Gewebezysten persistieren. Bei immunsupprimierten Personen oder während der Schwangerschaft kann die Infektion schwerwiegende Komplikationen wie Enzephalitis oder konnatale Infektionen verursachen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um schwerwiegende Folgen zu vermeiden.

Ätiologie (Ursachen)

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Kontakt zu Katzen
  • Kontakt zu kontaminierter Erde 
  • Verzehr von kontaminiertem Gemüse
  • Verzehr von rohem oder ungenügend gegartem Fleisch, vor allem vom Schwein (in Rohwurst oder Mett), Schaf, Ziege, Wildtiere und Geflügel

Weiteres

  • Transplantatempfänger: Empfänger von soliden Organen oder nach hämatologischer Stammzelltransplantation können an Toxoplasmose erkranken. Ursache kann im Transplantat enthaltene Gewebezysten sein bzw. eine Reaktivierung einer latent vorhandenen Infektion sein.