Toxoplasmose – Einleitung
Toxoplasmose ist eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit, die durch den Protozoen Toxoplasma gondii verursacht wird. Dieser obligat intrazelluläre Parasit benötigt für seinen Lebenszyklus Zellen eines Wirts und ist für einen Großteil der Weltbevölkerung von Bedeutung. Die Infektion verläuft bei immunkompetenten Menschen meist asymptomatisch oder mild, kann jedoch bei immunsupprimierten Personen und während der Schwangerschaft schwere Verläufe zeigen.
Synonyme und ICD-10: Toxoplasma-Infektion; Toxoplasma-gondii-Infektion; Toxoplasmen; Toxoplasmosis; ICD-10-GM B58.-: Toxoplasmose)
Toxoplasma gondii gilt als obligat intrazellulärer ("innerhalb der Zelle") Parasit, d. h. der Parasit ist von essentiellen Wirtsmolekülen abhängig und kann daher extrazellulär ("außerhalb der Zelle") nicht wachsen.
Die Erkrankung gehört zu den parasitären Zoonosen (Tierseuchen).
Aufgrund eines zweiwirtigen Entwicklungszyklus unterscheidet man zwischen Zwischenwirten und einem Endwirt: Zwischenwirt sind Nagertiere (insb. Maus), Schaf, Schwein, Rind, Vögel/Geflügel und Mensch. Endwirt sind Felidae, wie z. B. Katzen. Sie scheiden einen Kot mit Oozysten aus, der in der Umwelt für lange Zeit infektiös ist.
Charakteristische Laborbefunde
- Toxoplasma-IgM und IgG: Serologische Nachweise sind die Standarddiagnostik. Ein positiver IgM-Nachweis spricht für eine frische Infektion, während IgG-Antikörper auf eine zurückliegende Infektion hinweisen.
- Toxoplasma-PCR: Zum Nachweis der Erreger-DNA, besonders bei Verdacht auf pränatale (vor der Geburt) Infektion oder zerebrale Toxoplasmose (hirnbetreffende Toxoplasmose).
- Liquorbefund bei zerebraler Toxoplasmose: Erhöhter Proteingehalt und Nachweis von Toxoplasma-DNA.
Formen der Erkrankung
- Postnatale Infektion bei Immungesunden
- Meist asymptomatisch oder mild verlaufend mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Muskelschmerzen und Lymphadenopathie.
- Postnatale Infektion bei Immunsupprimierten
- Reaktivierung der latenten Infektion, häufig bei AIDS-Patienten oder Organtransplantierten, führt zu schweren Verläufen, wie zerebraler Toxoplasmose, Pneumonitis (entzündliche Veränderungen der Lunge) oder Chorioretinitis (Entzündung der Netzhaut (Retina) und der Aderhaut (Choroidea)). Die Mortalität (Sterberate) ist ohne adäquate Behandlung hoch.
- Pränatale (konnatale) Infektion
- Übertragung von der infizierten Mutter auf den Fetus, besonders gefährlich im ersten und zweiten Trimenon (Schwangerschaftsdrittel) mit erhöhtem Risiko für Fehlbildungen, Fehlgeburten oder Spätsymptome wie Chorioretinitis, Mikrozephalie (Kopf deutlich kleiner als bei anderen Menschen gleichen Alters), Enzephalitis (Hirnentzündung) und Taubheit.
Ursachen
Die Infektion erfolgt hauptsächlich durch:
- Verzehr von kontaminiertem Fleisch: Besonders unzureichend gegartes Schweine- und Lammfleisch enthält infektiöse Zysten (Bradyzoiten).
- Kontakt mit Katzenkot: Katzen als Endwirte des Parasiten scheiden Oozysten über den Kot aus, die durch direkten Kontakt oder indirekt über kontaminierte Erde, Wasser oder Lebensmittel aufgenommen werden können.
- Diaplazentare Übertragung: Von der Mutter auf den Fetus, insbesondere bei Erstinfektionen während der Schwangerschaft.
- Bluttransfusionen und Organtransplantationen: Sehr seltene, aber dokumentierte Übertragungswege.
Epidemiologie
Geschlechterverhältnis: Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.
Häufigkeitsgipfel: Infektionen treten häufig im jungen Erwachsenenalter auf, insbesondere zwischen 20 und 40 Jahren.
Prävalenz (Krankheitshäufigkeit): Weltweit ist etwa ein Drittel der Bevölkerung infiziert. In Deutschland liegt die Seroprävalenz bei Erwachsenen (18-79 Jahre) bei knapp 50 %, während bei Senioren (70-79 Jahre) bis zu 77 % positiv getestet werden.
Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen): Die Inzidenz der Erstinfektion variiert, bei Organtransplantationen ohne Prophylaxe beträgt die Inzidenz einer Reaktivierung 25-75 %.
Saisonale Häufung: Keine klar definierte saisonale Häufung, jedoch vermehrte Exposition während Gartenarbeiten und Verzehr von rohem Fleisch in der Grillsaison.
Infektionsepidemiologie
Erreger: Toxoplasma gondii (Protozoen).
Erregerreservoir: Katzen als Endwirte; verschiedene Zwischenwirte wie Schweine, Schafe, Nagetiere und Vögel.
Vorkommen: Weltweite Verbreitung; besonders häufig in tropischen und subtropischen Regionen.
Mensch-zu-Mensch-Übertragung: Sehr selten, außer bei diaplazentarer Übertragung, Organtransplantationen und Bluttransfusionen.
Kontagiosität (Ansteckungskraft bzw. Übertragungsfähigkeit des Erregers): Hohe Ansteckungsgefahr bei direktem Kontakt mit Oozysten (Katzenkot) oder infektiösen Zysten (rohes Fleisch).
Übertragungsweg
- Fäkal-oral durch Kontakt mit Katzenkot, kontaminierte Lebensmittel oder Erde. Übertragung auch durch kontaminierte Oberflächengewässer und diaplazentar.
- Eine weitere Quelle für humane T.-gondii-Infektionen sind mit Oozysten verunreinigtes ungenügend abgewaschenes Obst und Gemüse.
- Infektion über die Erde, beispielsweise bei der Gartenarbeit, über kontaminiertes Oberflächenwasser oder diaplazentar (über den Mutterkuchen) statt.
- Daneben besteht eine geringe Gefahr, sich bei Bluttransfusionen und Organtransplantationen mit dem Erreger zu infizieren.
Eintrittspforte: Oral, über kontaminierte Lebensmittel oder Wasser, sowie diaplazentar.
Inkubationszeit (Zeit von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung): 14-21 Tage.
Krankheitsdauer: In der Regel asymptomatisch, akute Symptome dauern etwa 1-2 Wochen.
Dauer der Infektiosität: Lebenslange Infektion mit Möglichkeit zur Reaktivierung bei Immunsuppression.
Seroprävalenz (Häufigkeit des serologischen Nachweises spezifischer Antikörper): Fast 50 % der Erwachsenen in Deutschland sind seropositiv, bei älteren Menschen steigt dieser Wert auf bis zu 77 %. Bis zu 75 % der Schwangeren haben keine Immunität.
Erregerspezifische Immunität: Nach der Infektion bleibt der Erreger lebenslang latent im Körper. Eine Reaktivierung ist vor allem bei Immunsupprimierten möglich.
Verlauf und Prognose
Verlauf
- Bei gesunden Erwachsenen meist asymptomatisch oder mit milden grippeähnlichen Symptomen.
- Schwere Verläufe bei pränatal (vor der Geburt) infizierten Kindern, mit erhöhtem Risiko für neurologische Schäden wie Chorioretinitis (Entzündung der Netzhaut und Aderhaut), Hydrozephalus (Wasserkopf), Mikrozephalie (Kopf deutlich kleiner als bei Menschen gleichen Alters), Epilepsie (Krampfanfälle) oder psychomotorische Retardierung.
- Bei Immunsupprimierten (insbesondere AIDS-Patienten) kann die Reaktivierung der Infektion zu schwerwiegenden Komplikationen wie Enzephalitis (Hirnentzündung), Chorioretinitis und Myokarditis (Herzmuskelentzündung) führen.
Prognose
- Postnatale Infektion bei Gesunden: In der Regel gute Prognose, asymptomatischer Verlauf oder milde Symptome.
- Pränatale Infektion: Ohne adäquate Therapie besteht ein hohes Risiko für schwerwiegende Komplikationen bei Neugeborenen.
- Immunsupprimierte: Hohe Mortalität/Sterberate (bis zu 80 %) bei unbehandelter zerebraler Toxoplasmose, insbesondere bei AIDS-Patienten und Transplantatempfängern.
Beachte: Leichte Symptome durch eine pränatale Infektion werden nach der Geburt wohl erkannt, aber meist nicht auf den Erreger Toxoplasma gondii zurückgeführt.
In Deutschland ist der direkte oder indirekte Nachweis des Erregers nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig, soweit die Nachweise auf eine konnatale Infektion hinweisen.
Leitlinien
- S2k-Leitlinie: Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen. (AWMF-Registernummer: 093-001), Oktober 2021 Langfassung